Der Müll über unserer Erde, Teil 2

Das „Space Vehicle“ mit eigenem Antrieb stoppt oder ändert die Bewegung des Satelliten. Foto: ESA
Mit einem zweiseitgen Greifhaken (Clamp) ran an das torkelnde Objekt und es fixieren. Foto: ESA
Mit einem zweiseitgen Greifhaken (Clamp) ran an das torkelnde Objekt und es fixieren. Foto: ESA

Ein aktiver Eingriff ist die einzige Möglichkeit, die momentane kritische Dichte des Weltraumschrotts auf ein tragbares Niveau zu reduzieren. So ganz einfach ist das aber nicht, denn die aktive Beseitigung von großen und unkontrollierbaren Objekten erfordert beträchtliche technischen Herausforderungen und hohe Entwicklungskosten.

Wie effizient die Maßnahmen sind, hängt von der sorgfältigen Auswahl der Zielobjekte ab, folgende Kriterien haben höchste Priorität bei der Auswahl:

  • hohes Kollisionsrisiko
  • große Masse und
  • lange Verweildauer in der Umlaufbahn

Die Kollisionsgefahr ist, wie erwähnt in Teil 1 dieses Beitrages, bei den polaren Umlaufbahnen zwischen 800 und 1200 km am höchsten. Das ist der Bereich, der die größte Zuwachsrate aufweist, selbst wenn alle präventiven Maßnahmen rigoros eingeführt werden. Aktive Eingriffe in diesen Regionen wären besonders wirkungsvoll. Anstrengungen sollten sich dabei auf kritische Regionen in größeren Höhen konzentrieren: Je höher die Umlaufbahn, desto länger verbleiben die Trümmer von potentiellen Kollisionen auf ihrer Bahn. Welche Auswirkungen die Zusammenstöße haben, hängt von der Masse der kollidierenden Objekte ab. Deshalb sollten große Objekte idealerweise zuerst aus diesen Regionen entfernt werden.

Um den Weltraumflug ohne Restriktionen weiter betreiben zu können, müssen in Zukunft 5 bis 10 solcher Objekte pro Jahr aktiv entfernt werden. Das ist die einzige Möglichkeit, um die Trümmeranzahl im Weltraum zu stabilisieren. Allerdings ist es noch ein langer Weg bevor das erste „Service Vehicle“ aktiv Objekte aus der Umlaufbahn entfernen kann.

Relative Navigation. Foto ESA
Relative Navigation. Foto ESA

Sich einem unkontrollierten Zielobjekt zu nähern ist ein Flug ins Ungewisse. Einerseits möchte man natürlich eine Kollision mit dem Objekt vermeiden und dazu muss man zunächst dessen Lagebewegung bestimmen: Wo genau torkelt wie das Teil im Raum. Da das Zielobjekt keine Telemetriedaten mehr sendet, muss die Position aktiv vom Boden aus bestimmt werden. Dies erfordert Radarsysteme und die initiale Bestimmung der Lagebewegung des Objekts zum Beispiel durch die Nutzung des TIRA (Tracking and Imaging RAdar) in Deutschland.

Roboterarm. Foto: ESA
Roboterarm. Foto: ESA

In der letzten Phase der Annäherung gelingt die Operation dann mit relativer Navigation, wofür man lasergestütztes LIDAR oder RADAR-Systeme nutzt. Die exakte Lage im Raum bestimmt man mit Hilfe einer Kamera. Was die optimale Methode ist, um das Objekt einzufangen, ist abhängig von Faktoren wie der Rotationsrate, der Struktur der Oberfläche und der Größe des Objekts.

Ein möglicher Weg dazu ist der Einsatz eines Roboterarms, der ein geeignetes Stück auf der Oberfläche des Zielobjekts greift, die Bewegung stoppt und das Objekt fixiert.

Foto: ESA
Foto: ESA
Foto: ESA
Foto: ESA
Foto: ESA
Foto: ESA

Auch das Auswerfen eines Netzes ist vorstellbar. Dies würde einen direkten Kontakt zum wegzuschleppenden Objekt überflüssig machen. Mit leistungsfähigen Antrieben kann das „Service Vehicle“ dann zusammen mit dem Zielobjekt kontrolliert in die Erdatmosphäre eintreten. Der kontrollierte Wiedereintritt würde dabei über unbewohnten Gebieten stattfinden und stellt die ideale Lösung dar. Wenn der kontrollierte Wiedereintritt nicht nötig ist, muss man mit anderen Optionen vorlieb nehmen.

Das Zielobjekt könnte zunächst aus der kritischen Region entfernt und auf einer niedrigeren Höhe abgesetzt werden. Es würde dann später aufgrund des Luftwiderstandes in die Erdatmosphäre eintreten.

Die initiale Höhe könnte man beispielsweise mittels Feststoffraketen verringern, die an dem Objekt fixiert werden. Diese würden zuerst die Fluglage stabilisieren und erst dann das Objekt aus der Umlaufbahn entfernen.

Eine passive Methode um die Bahnhöhe zu verringern bietet sich ebenfalls an:

Segel zur Verringerung der Umlaufbahnhöhe.  Foto: ESA
Segel zur Verringerung der Umlaufbahnhöhe.
Foto: ESA

Die Größe der Oberfläche eines Objekts könnte mit Hilfe eines angehängten Segels erheblich vergrößert werden, das den Bahnabstieg durch Erhöhung des Luftwiderstandes beschleunigt.

Eine weitere Idee ist die Bestrahlung des Objekts mit einem Ionentriebwerk. Schubschwache Ionen-Triebwerke sind ideal für lange kontinuierliche Bahnänderungen.

Bestrahlung mit Ionen. Foto: ESA
Bestrahlung mit Ionen. Foto: ESA

Dazu werden zunächst Ionen durch ein elektrisches Feld stark beschleunigt. Die konstante Bombardierung der Oberfläche des Zielobjektes mit den Ionen überträgt dann ein Moment auf das Objekt. Vorteil dieser Methode ist, dass der direkte Kontakt mit dem Trümmerteil enfällt.

Bevor die aktive Entfernung von Objekten starten kann, sind aber noch einige legale Probleme zu lösen. Gemäß internationaler Weltraumgesetze verbleibt die Verantwortung für alle Trümmerteile oder aufgegebener Satelliten beim Eigentümer, auch wenn sie nicht mehr funktionieren. Alle Risiken, die im Zusammenhang mit der Mission stehen, liegen daher beim Eigentümer des „Service Vehicle“ und beim Eigentümer des Zielobjekts.

Foto: ESA
Foto: ESA

Da die Auswahl der Zielobjekte alle größeren Raumfahrtnationen betrifft, sind aktive Beseitigungsmaßnahmen auf internationalen Konsens angewiesen. Die technischen und legalen Herausforderungen müssen jetzt bewältigt werden, da die aktive Beseitigung von Raumfahrtobjekten erst nach einiger Zeit kommerziell zur Verfügung stehen wird.

Gleichwohl müssen die initialen Schritte bald erfolgen, um die kritische Situation über unserer Erde effektiv zu stabilisieren.

Aktive und schnelle Beseitigung bleibt die einzige Möglichkeit sicher zu stellen, dass Raumfahrt unter momentanem Bedingungen in Zukunft möglich bleibt.