Fuel Dumping und seine Mythen

Am Rückflug von Göteborg nach Frankfurt, am ersten Tag des Jahres, hörten wir am Funk, dass ein Flugzeug einer anderen Airline zwei Minuten Fuel Dumping requestete. Und da sich immer wieder Schauermärchen und Phantasiestories um das Thema ranken, räumen wir damit nun auf.

Um Sprit während des Fluges kontrolliert abzulassen, braucht es eine Freigabe des Lotsen. Zwar dispensiert die Flüssigkeit sehr fein in die umgebende Luft*, damit aber am Boden wirklich nichts Messbares ankommt, sollten mindestens einige tausend Fuß Höhe über Grund oder über anderen Flugzeugen eingehalten werden. (5000 Fuß Abstand sind in den meisten Ländern das Limit, etwa 1500 Meter.) Knapp vor der Landung lässt kein Flugzeug Sprit ab. Die weißen Feuchtigkeitsstreifen, die Beobachter bei bestimmten Wetterlagen da manchmal sehen, ist Wasser, das durch Unterdruck in der verwirbelten Luft (Wirbelschleppen) und dem damit verbundenen Temperaturabfall kondensiert.

Warum nun gibt es überhaupt ab und zu Fuel Dumping? Sprit ist teuer und ein wichtiger Kostenfaktor bei jeder Airline (Emirates vielleicht ausgenommen); den „wirft“ man doch nicht so einfach sinnlos und ungenützt von Bord… Nur um Menschen am Boden aufzuregen…

Vor jedem Flug, egal ob in einem zweisitzigen Flieger oder einem vollbesetzten Jumbo, berechnet die Crew oder der einzelne Pilot, wie viel Sprit er/sie für den kommenden Flug braucht. Das ist Flugzeugabhängig, Zuladungsabhängig (Anzahl von Passagieren und Fracht), Wetterabhängig, und eventuell noch muss man für den Rückflug „durchtanken“, weil der Sprit am Zielort exorbitant teuer ist (Irak!) oder nicht vorhanden.

Jedes Flugzeug hat ein zulässiges maximales Abfluggewicht (um sicher abzuheben) und ein maximales Landegewicht, um wieder unbeschadet aufsetzen zu können. Man kann mit wesentlich mehr Sprit starten als landen. Abheben geht weniger auf die Struktur als selbst ein sanftes Aufsetzen. Schließlich will man ja zwischen beiden eine Strecke überbrücken.

Nun verläuft nicht jeder Flug so, wie vorher geplant. Die meisten ad-hoc Zwischenlandungen sind Passagierverursacht, üblicherweise aus Gesundheitsgründen, weil ein Passagier mit Herz- oder anderen Problemen möglichst schnell in ein Krankenhaus am Boden gebracht werden soll. Vielleicht ist es aber auch ein technisches Problem, das es sinnvoll erscheinen lässt, baldmöglichst zu landen.

Was aber, wenn der nächste (mögliche) Platz für das Flugzeug und seine Beladung eine zu kurze Bahn hat, um sicher zu landen? Gepäck und Passagiere sind im Flug schlecht ausladbar, da nimmt man doch besser den (teuren) Sprit. Vielleicht liegt das Gewicht aber auch einfach noch über dem maximalen Landewert, da das Flugzeug noch nicht weit genug geflogen ist.

Welche Flugzeuge können Sprit ablassen? Generell alle Langstrecken Flugzeuge wie A330, A340, B777, B747 und A380. Bei diesen Flugzeugen ist das maximale Startgewicht teilweise mehr als 100 Tonnen höher als das maximale Landegewicht.

Kurzstrecken-Flieger wie etwa eine B737 oder A320 haben nur wenige Tonnen Unterschied zwischen den limitierenden Gewichten (etwa 9 Tonnen bei A320). Wenn diese Flugzeuge unterwegs zwischenlanden müssen, dann wird eine so genannte Over-Weight-Landing durchgeführt, die allerdings in jeden Fall eine Überprüfung durch Wartungspersonal vor dem nächsten Start nach sich zieht.

Selbstverständlich können auch Langstrecken Flieger eine Over-Weight-Landing durchführen, wenn die Zeit drängt – und die Landebahn lang genug ist. Doch ist hier die Gefahr, dass etwas zu Bruch geht und dabei Passagiere gefährdet werden, ungleich höher, als bei den kleineren Flugzeugen. Deshalb geht man hier den teuren Weg des Fuel Dumping, oder man macht eine Kombination aus Fuel Dumping und Over-Weight-Landing. Je nachdem, wie viel Zeit bleibt.

So kann etwa eine B747 rund zwei Tonnen pro Minute dumpen. Für die erwähnten 100 Tonnen wird dann also schon fast eine Stunde fällig. Bei einer Medical Emergency oder einem ernsthaftes technisches Problem ist dies eventuell zu lange. Wenn es aber ohnehin noch 30 Minuten zum nächsten geeigneten Flugplatz dauert, kann man auf der Strecke schon mal 50 – 60 Tonnen loswerden.

Das Gegenteil von Fuel Dumping – Betankung in der Luft – kommt nur bei Militäreinsätzen und Übungsflügen vor und bei Regierungsmaschinen (Airforce One kann in Notfällen tagelang über irgendwelchen abgeschiedenen Gebieten kreisen).


*Zwar dispensiert die Flüssigkeit sehr fein in die umgebende Luft…

Technik hat in ihrer Vollendung oft viel mit Schönheit und Ästhetik gemeinsam. Und vielfach auch mit Kunst. Wir wollen hier vom Fuel Dumping den Bogen zu einer Ausstellung im Mumok (Museum Moderner Kunst) in Wien spannen. Die Ausstellung „and Materials and Money and Crisis“ ist noch bis 2. Februar 2014 im Mumok zu sehen.

05_MariaEichhorn_Meer_Salz_Wasser__1991
Bild: Mumok

Die Künstlerin Maria Eichhorn mit ihrer Installation einer adaptablen Klimakammer:
Meer. Salz. Wasser. Klima. Kammer. Nebel. Wolken. Luft. Staub. Atem. Küste. Brandung. Rauch. (1991):

Kondensstreifen, wie Wolken und Nebel sind sichtbare, in der Luft schwebende Ansammlungen von winzigen Wasser- und Eisteilchen, beinhalten aber auch Elemente von Rauch, Staub und Abgasen. Sie befinden sich in einem ständigen Entwicklungsprozess und sind somit kein Gegenstand, sondern ein Vorgang.

Die normale Zusammensetzung der Luft beträgt: 78,084 Volumenprozent Stickstoff, 20,946 Volumenprozent Sauerstoff, 0,934 Volumenprozent Argon, 0,033 Volumenprozent Kohlendioxid. Luft enthält außerdem wechselnde Mengen von Ozon, Stickstoffdioxid, Abgase, Staub und Schwebstoffe, pflanzliche und tierische Mikroorganismen, sowie an bereits vorhandenen Schwebstoffe sich anlagernde radioaktive Substanzen.

Ausgeatmete Luft wird in kalter Außenluft infolge Kondensation des in ihr enthaltenen Wasserdampfes sichtbar. Das durchschnittliche Atemvolumen von Erwachsenen beträgt 0,5 Liter bei einer Atemfrequenz von 12 bis 14 Atemzügen pro Minute. Dabei werden täglich etwa 10 Kubikmeter Luft mit einem Gewicht von 13 Kilogramm verbraucht.


Kommentare

8 Antworten zu „Fuel Dumping und seine Mythen“

  1. Max Erwengh

    Falls ich beim erneuten durchlesen herausfinde um was es geht, melde ich mich.

    1. 🙂 Tja, wie man sieht, ist die Bandbreite der Leser wohl groß…
      …genauso wie der inhaltliche Anspruch der Blogs…

  2. […] Bei Flug und Zeit habe ich gelernt, was es mit dem Fuel Dumping, also dem absichtlichen Ablassen von Benzin auf sich hat. […]

  3. Danke für die Informationen!
    Bisher dachte ich, Treibstoff würde nur vor drohenden Bruchlandungen abgelassen…

  4. Meines wissens kommt es in notfällen zu unterschreitung der 5000 fuss regel, zusätzlich zu den 5000 fuss gibts auch noch ablassgebiete die von regularien und dem Tower vorgegeben werden.
    JP66 und andere Treibstoffe zersetzen sich in der luft recht schnell in komponenten die weniger schädlich sind (hörensagen).
    Und ich war schon in einem Flugzeug wo duch Vogelschlag es zu einen Totalausfall eines Triebwerkes kam im steigflug und Fueldump und anschliessende Notlandung eben notfallmässig vom Piloten initiert und erfolgt sind (ohne grössere Anfrage)

    1. (ohne grössere Anfrage)

      Woher weißt Du als Passagier, welche Absprachen, Anfragen der Pilot im Cockpit mit ATC (den Flugkontrollern) macht?

      Und ein Notfall ist ein Notfall und wie der Name sagt, nicht der tägliche Usus. Und da gilt als oberestes Gebot: Sicherheit der Pasagiere an Bord und der Menschen am Boden. Egal, was das Gesetz für den „Normalfall“ mit ausreichend Zeit vorschreibt.

  5. Flugkapitän

    @ elvin:
    Es gibt sicher denkbare Scenarien von katastrophalen Notfällen (z.B. Ausfall mehrerer Triebwerke direkt nach dem Abheben oder starker Widerstandsanstieg durch offene Reverser) in denen das Flugzeug nur durch sofortige Reduzierung des Gewichts in der Luft gehalten werden kann. Hier würde ein Fuel Dumping auch ohne Freigabe und unter Missachtung der 5000 Fuß stattfinden. Für das betreffende Gebiet gäbe es ja dann auch nur die Wahl zwischen vom Fuel getroffen zu werden oder gleich vom ganzen Flugzeug. Mir ist aber kein dokumentierter Fall bekannt. Der Ausfall eines Triebwerkes nach dem Start zählt aber ganz sicher nicht zu solchen katastrophalen Notfällen, die ein sofortiges Ablassen von Treibstoff nötig machen.
    Ferner möchte ich an dieser Stelle ein vielleicht vorhandenes Missverständnis bezüglich Absprachen/Anfragen zwischen Pilot und Fluglotse klären. Solche Absprachen/Anfragen werden nicht wie etwa in einem Bürobetrieb zwischen zwei Firmen umständlich und langsam sondern von Entscheidungsträger zu Entscheidungsträger unter Abwägung aller Spezialitäten des betroffenen Einzelfalles innerhalb weniger Sekunden adhoc entschieden UND umgesetzt. Wobei die Verantwortung von den handelnden Personen jederzeit voll übernommen wird. Dies unterscheidet diese Berufsgruppen damit stark von anderen (BWLer oder Politiker). Wenn etwas schief geht, dann werden die handelnden Personen von großen Experten-Kommissionen in monatelangen Beratungen hinterfragt und letztlich zur Verantwortung gezogen – ein weiterer Gegensatz zu o.g. anderen Berufsgruppen. Doch in der Praxis kommt es selten dazu, dass etwas von einer Unfall-Kommission aufgearbeitet werden muss. Dass ist nur deshalb möglich, weil die handelnden Piloten und Fluglotsen über sehr restriktive Auswahlverfahren für diesen Beruf ausgewählt und danach streng ausgebildet wurden. Welch haarsträubende Dinge passieren, wenn man diese Qualitätsansprüche vernachlässigt, das zeigen Unfälle, wie die Totalverluste der B737 in Kazan oder der B777 in San Francisco.
    Andersherum wird allerdings auch ein Schuh draus: Wie gut könnte es uns allen auf der Welt gehen, wenn auch BWLer und Politiker solchen Qualitätsanvorderungen standhalten müssten.

  6. Wie so ein Fueldump normalerweise abläuft, konnte man auch mal bei einer Folge von Pilotseye (nach Shanghai) verfolgen, sehr interessant. Der Kommandant Thomas Frick erzählte dazu noch im Audiokommentar, dass die Umweltbelastung bei einem Fuel Dump in etwa genauso groß sei, als würde man das Kerosin ganz normal im Flug verbrauchen. Nur leider komprimiert verteilt auf eine einzige Region.
    In jedem Fall ist das Ablassen eine unschöne, aber notwendige Maßnahme.

Über die Autorin

Die Journalistin Helga Kleisny ist diplomierte Physikerin (TU Wien), Fallschirmspringerin und Pilotin. Nach Arbeitsorten weltweit (Wien, Taipeh, Boca Raton (FL), München, Frankfurt…) sind ihre Haupt-Lebens- und Arbeitsorte nun in Deutschland und in den USA. Sie schreibt als freie Luft- und Raumfahrtjournalistin. Ihre Begeisterung für alles Technische und die Natur, am besten in Kombination, zeigt sich in ihren Büchern und in Seminaren und Vorträgen.

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