Wie man einen Flugzeugmotor nicht anreißt

Ein Flugzeug mit vollem Körpereinsatz durch Anwerfen des Propellers zu starten, zählt heute für viele Piloten eher zur Historie als zum Fliegeralltag. Einige Piper Cubs oder auch andere Oldtimer verfügen aber manchmal auch heute noch über keinen Starter und müssen Handgeproppt werden.

Bei einem (relativ) modernen Kleinflugzeug wie einer Piper Cherokee wäre das aber recht ungewöhnlich. Ein Pilot hat es trotzdem versucht, und dabei alle Vorsichtsmaßnahmen ausser Acht gelassen. Was nicht ohne Folgen blieb…

Hier startete die leichtsinnige Aktion nach dem (offensichtlich) noch ohne Probleme erfolgten Betanken des Flugzeugs.

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Der Pilot wusste, dass die Batteriespannung nicht mehr ausreichend war, um den Flieger zu starten. Also schob der den Flieger etwas zurück, setzte sich hinein und primte den Motor.

Beim Primen wird Benzin direkt vor die Ansaugventile gespritzt, damit es mit der ersten Umdrehung des Motors in den Brennraum gesaugt wird. Dies macht das Gemisch fetter, damit der kalte Motor besser anspringt. Dies ist für Flugmotoren ein normales Verfahren.

Drosselklappe (Throttle; das Gaspedal so zu sagen) auf halbe Stellung, beide Magnete auf ON und dann stieg er Pilot aus dem heiß getunten Flugzeug wieder aus, um den Propeller von Hand anzuwerfen.

Der Motor startete ohne Verzögerung. Mit geschätzten 1800 Umdrehungen.
Das Flugzeug raste los. Nach vorne. Direkt auf die Spritanlage zu.
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Einschub:

Wie man einen Flugzeug durch Anwerfen des Propellers starten sollte (handproppt)

Der Sicherheit halber macht man das mit zwei Personen:
Einer sitzt im Cockpit. Er stoppt das Flugzeug über die Bremse, und reduziert nach dem erfolgreichen Anreißen sofort die Leistung auf Leerlauf. Er macht also alles so, wie sonst, nur dass der Anlasser von der zweiten Person draußen übernommen wird.

Speziell, wenn man alleine ist, muss man das Flugzeug gegen unbeabsichtigtes Losrollen sichern. Dies könnte so aussehen:
1. Man setzt die Parkbremse
2. Beide Hauptfahrwerksräder werden mit Bremsklötzen gesichert.
3. Das Flugzeug wird an einer Öse, hinten am Flugzeug, an einem Erdanker über ein Seil gesichert. Der Knoten wird so gewählt, dass er mit einem Zug am Seil zu lösen ist. Am besten reicht die Seilüberlänge bis zur Cockpittüre.

Nun wirft der Pilot den Propeller an.
Das Flugzeug kann sich nicht von der Stelle bewegen.
Wenn das Anwerfen erfolgreich war, setzt sich der Pilot wieder ins Cockpit, reduziert sofort die Leistung des Triebwerkes auf Leerlauf und überprüft erneut die Parkbremse.
Erst dann nimmt er draussen die Bremsklötze einzeln und vorsichtig (bewegt sich das Flugzeug dabei, sofort den Klotz wieder vor der Reifen legen) weg.
Nun greift der Pilot die Seilüberlänge und setzt sich wieder ins Cockpit. Erst, wenn er die Triebwerksbedienhebel und die Bremse erreichen kann, löst er dem Knoten per Zug am Seil.

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Zurück zu unserem Lebenskünstler:

Glücklicherweise hatte sich da einer schon mal vor dem Bau der Anlage etwas überlegt und mehrere gelbe Betonpfosten als Barriere vor die Anlage gesetzt.

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Als das Flugzeug nach vorne schoss, knallte der Propeller mit voller Wucht auf den Betonpfosten, brach an der Kurbelwelle ab und Propeller und Spinner (Flugzeugnase vorm Propeller) flogen Comicbuchartig quer durch die Landschaft und landeten auf einem Hangardach, rund 140 Meter entfernt.
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Der Propeller am Hangardach

und ein Flugzeug, dessen Anblick Piloten schmerzt:
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Die Überreste des Flugzeugs wurden für $400 auf eBay verkauft.

Mit dem Finger auf andere zu zeigen und in deren Fehlern herumzubohren ist immer leicht, getreu dem Motto: „Mir würde das ja nie passieren“. Vorsicht.

Was dieses Beispiel allerdings zeigt, ist dass die Attitude beim Fliegen lebenswichtig ist. Und irgendwann holt sie einen stets ein.

Für Attitude gibt es kein 1:1 passendes deutsches Wort. Es ist mehr als Haltung. Im Englischen impliziert es auch die Umsetzung der Haltung. Also vielleicht: Lebenseinstellung gepaart mit tatsächlicher Umsetzung dieser Einstellung im Leben. Angeber (nur mit) großer Schnauze („Auftreten“) fallen nicht darunter.

Dieser Pilot war bei der amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA bereits bekannt wegen einer unfreiwilligen Landung am Highway. Grund: Spritmangel. Zudem war die Cherokee nicht versichert – das wäre hierzulande (zumindest für die Haftpflicht) nicht erlaubt, in den USA ist es nur gespart am falschen Fleck.

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Fotos und Hinweis auf die Story: Wasserflieger Bill Schmalz, Florida.


Kommentare

2 Antworten zu „Wie man einen Flugzeugmotor nicht anreißt“

  1. Irgendwie verwunderlich, dass der Pilot das ohne gröbere Verletzungen (z.B. einen fehlenden Arm) überstanden hat. Immerhin steht man da ja doch recht nahe am Propeller Oo

Über die Autorin

Die Journalistin Helga Kleisny ist diplomierte Physikerin (TU Wien), Fallschirmspringerin und Pilotin. Nach Arbeitsorten weltweit (Wien, Taipeh, Boca Raton (FL), München, Frankfurt…) sind ihre Haupt-Lebens- und Arbeitsorte nun in Deutschland und in den USA. Sie schreibt als freie Luft- und Raumfahrtjournalistin. Ihre Begeisterung für alles Technische und die Natur, am besten in Kombination, zeigt sich in ihren Büchern und in Seminaren und Vorträgen.

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