Airbus A346 – Harte Landung in Narita

Am 18.03. kam es in Tokio Narita zu einer harten Landung eines A340-600, der gestreckten Variante des A340. Das Fahrwerk muss nun teilweise gewechselt werden, die Zelle wird noch auf Schäden untersucht.
Der Wind zum Zeitpunkt der Landung war stark böig, von vorne rechts. Er lag aber innerhalb der erlaubten Limits. Nach der Landung rollte das Flugzeug ganz normal zum Gate. Es gab keine Verletzten.

Der Unfall ereignete sich um 11:22 Ortszeit (03:22 morgens deutscher Zeit).
Der Flug war am 17.03. in München gestartet mit einer geplanten Abflugzeit von 15:45 deutscher Zeit. Somit hatte die Besatzung um 14:05 deutscher Zeit Briefingbeginn (Arbeitsantritt).

Die Landung fand also, wie auf diesen Umläufen üblich, nach mindestens 18 Stunden wach sein, entsprechend müde statt. Wobei nicht nur die absolute Zahl der wachen Stunden, sondern auch der Zeitpunkt im Biorhythmus von Bedeutung ist: 3:22 liegt im so genannten Tages-Rhythmus-Tief.

Sicherlich hatte die dreiköpfige Crew die Möglichkeit im Reiseflug für jeden Piloten 3 Stunden und 15 Minuten Pause einzuteilen, doch auch dass hilft nur mäßig. Auch wenn der A340 seinen Piloten einen abgeschlossenen Schlafraum bietet, funktioniert das Kommando für den menschlichen Körper – von jetzt auf gleich drei Stunden zu schlafen – nur bedingt.

Der erste Pilot erhält seine Pause dann nämlich am späten Nachmittag. Der zweite kann zwar am frühen Abend schlafen, muss seinen Schlaf aber dann abbrechen, wenn er eigentlich in seine Tiefschlaf-Phase gekommen wäre. Der Dritte schläft dann von 23:30 bis 2:30. Zu dieser Zeit kann man zwar sicherlich gut einschlafen, doch wer nach einem 14 h Arbeitstag nur 3 h geschlafen hat, der ist sicher nicht auf dem Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit.

Soweit die körperlichen Rahmenbedingungen, nun sehen wir uns die Windbedingungen an.

Wind hat auf der Nordhalbkugel generell die Eigenschaft im Sinkflug zum Boden linksdrehend zu sein. Das heißt, je weiter man sich dem Boden nähert, umso mehr dreht die Windrichtung nach links. Die Gründe dafür liegen in der Corioliskraft und der Bodenreibung.

Seitenwind von rechts (Anflug auf 16R (160 Grad), Wind aus 220 Grad mit 26 Knoten in Böen 39 Knoten) kommt also zu Beginn des Anflugs noch weiter von rechts. Mit Annäherung an die Bahn dreht er dann auf die am Boden gemessene Richtung. Dadurch nimmt die Seitenwindkomponente stetig ab und die Gegenwindkomponente zu.

Gleichzeitig nimmt die Windgeschwindigkeit aufgrund der Bodenreibung generell ab.

Dies alles ist vorteilhaft – solange der Wind nicht böig ist. Denn eine Böe ist prinzipiell nichts anderes als ein zum Boden durchschlagender Höhenwind. Und der kommt nun ja mit höherer Geschwindigkeit von weiter rechts. So erfährt das Flugzeug, wenn es im Ausschweben über der Bahn von einer Böe erwischt wird, eine plötzliche Zunahme der Seitenwind- und eine plötzliche Abnahme der Gegenwindkomponente.

Der Seitenwind verlangt nach heftigen Korrekturen in Quer- und Seitenruder, während der Verlust an Gegenwind einen Auftriebsverlust bedeutet, der mit dem Höhenruder abgefangen werden muss, was aber nur gelingen kann, wenn das Flugzeug genügend Fahrtüberschuss hat.

Wir haben hier also eine der seltenen Situationen in der Geschäftsfliegerei, in der sehr präzisere und schnell reagiert werden muss. Da ist der Halbschlaf um 3:22 in der Früh nicht unbedingt von Vorteil!

Sieht man sich das Video zum Vorfalls an, erkennt man die zum Teil heftigen Ausschläge des Seitenruders und der Querruder. Es gelingt dem fliegenden Piloten (Kapitän oder Co) sehr gut, das Flugzeug trotz einer heftigen Böe korrekt ausgerichtet auf der Centerline zu halten.

Als das Flugzeug die Nase senkt (eventuell hervorgerufen durch den Verlust an Gegenwind) sieht man unmittelbar danach, dass das Höhenruder stark nach oben ausschlägt. Der Pilot versucht also sofort eine Zunahme der Sinkrate zu verhindern, indem er am Sidestick (Airbus-Steuerknüppelchen) zieht. Die Maßnahme wirkt aber zu spät und das Flugzeug setzt mit hoher Sinkrate auf dem rechten Hauptfahrwerk zuerst auf.

Das ist bei Seitenwind von rechts auch die korrekte Konfiguration: Die rechte Fläche „hängt“ (ist tiefer geneigt), um ein Abdriften nach links zu verhindern; das Seitenruder ist nach links ausgeschlagen, um den Rumpf zur Landebahn auszurichten).

Sieht man das Video zum ersten Mal, könnte der Eindruck entstehen, dass der Pilot die Nase nach unten steuert, doch nach mehrmaligem Ansehen in Zeitlupe, erkennt man, dass ein entsprechender Ausschlag der Höhenruder NICHT zu sehen ist. Die Nick-Bewegung muss also eine andere Ursache haben, etwa den Verlust an Gegenwind.

Nun zum Flugzeug:

Der A340-600 (kurz A346) ist die gestreckte Variante des A340. Diese ist schon aufgrund der Rumpflänge bei der Landung anspruchsvoll, da die Gefahr des „Tail-Strike“, also die Bodenberührung des hinteren Rumpfes droht, wenn das Flugzeug zu lange geflared wird („Ausschweben“).

Ferner neigt die sehr ausgereizte Fläche dazu, im unteren Geschwindigkeitsbereich plötzlich an Auftrieb zu verlieren, wenn die Anfluggeschwindigkeit nur um wenige Knoten unterschritten wird. Übrigens weist die gestreckte Variante des A320, der A321, ähnlich problematisches Verhalten auf. Plötzlicher Verlust von Gegenwind, der für die Fläche nichts anderes als ein Verlust von Fluggeschwindigkeit bedeutet, hat also beim A346 stärkere Konsequenzen, als bei A340 oder A330, die als gemeinsame Flotte bei diesem Operator geflogen werden.

Wäre eine komplett auto- matische Flugsteuerung, also ohne Piloten nicht schlußendlich besser? Selbst wenn das aktuelle Systeme nicht können sollten, das ist doch nur noch eine Frage der Zeit. („Kassenwart“)

Die von Airbus stark herausgestellte Gemeinsamkeit und das dadurch angeblich ähnliche Verhalten der Muster untereinander, die durch die Fly-By-Wire Steuerung gegeben sein soll, kommt hier sehr an ihre Grenzen.

Der Pilot bewegt mit seinem Sidestick die Steuerflächen nicht direkt, sondern gibt nur Kommandos an die Flight-Computer, die daraus den entsprechenden Steuerausschlag berechnen. Dies ist eine komplett andere Philosophie, als sie von Boeing in deren Fly-By-Wire Flugzeugen (B777, B787) verfolgt wird. Dort, bei Boeing, werden die Steuersignale eins zu eins an die Steuerflächen übertragen (was auch der eigentlichen Definition von Fly-By-Wire entspricht). Die Airbus-Umsetzung sollte eigentlich besser als Fly-By-Computer beschrieben werden.

Es geht hier nicht darum, einen Flugzeug-Hersteller anzuprangern. Die Idee dieser Art der Flugzeugsteuerung ist prinzipiell gut. In der Praxis allerdings erreicht sie genau dann ihre Grenzen, wenn die Bedingungen erschwert sind. Denn dann sind erst recht die fundierten Kenntnisse und Fähigkeiten eines erfahrenen, menschlichen Piloten gefragt. Und die werden nun durch den Automatismus der „mitdenkenden“ Steuerung behindert:

Ich stelle mir gerade die Frage: Wieviele Abstürze wurden durch Piloten ver- hindert? („Duchamp“)

Zunächst interpretiert ein Airbus alles, was der Pilot steuern möchte. Das Flugzeug nimmt dem Piloten dabei auch das Trimmen des Flugzeugs ab.

(Trimmen ist das Einstellen und Fixieren der Fluglage, damit diese ohne weitere Steuerimpulse gehalten wird.)

Störungen von außen, beispielsweise durch Böen, gleicht der Airbus selbst durch eigene Steuerimpulse aus. Das klingt zunächst gut und hilfreich: Solange die Luft einigermaßen ruhig ist, funktioniert das auch halbwegs gut. Sobald jedoch die Luft stark turbulent wird, nerven den Piloten die zu spät und damit kontraproduktiv einsetzenden eigenmächtigen Steuerimpulse der Flugcomputer mächtig.

Der Mensch kämpft nun mehr mit der Maschine als mit der Natur. PIO (Pilot Induced Oscillation) nennt Airbus das. Man könnte es aber auch AIO (Airbus Induced Oscillation) nennen. So führen die Flight-Control-Computer nach jedem Steuerinput, sei es vom Piloten oder vom Computer selbst angeordnet, die Trimmung nach. Das bedeutet, dass bei einem Anflug in böigem Wetter die Trimmung ständig in Bewegung ist, was bedeutet, dass das Flugzeug nie aerodynamisch auf seine Anfluggeschwindigkeit ausgetrimmt ist und somit nie aerodynamisch stabil fliegt.

In 100 Fuß (30 Meter) Höhe wechselt dann die Flugsteuerung in den Flare-Modus. Das bedeutet, dass die Trimmung auf dem letzten Wert (der, wie oben beschrieben, für die aktuelle Anfluggeschwindigkeit falsch sein kann) eingefroren wird und die Steuerinputs für das Höhenruder nun eins zu eins übertragen werden. Dadurch, dass die Trimmlage jedesmal anders sein kann, sind auch die nötigen Steuerinputs für einen vernünftigen Flare mit anschließender sanften Landung bei jeder Landung unterschiedlich. Dass der Sidestick dabei nicht einmal Feedback an den menschlichen Piloten liefert, erschwert das Ganze weiter.

Um die Frage und Antwort gleich vorweg zunehmen: Ein solcher Anflug kann nur von Hand geflogen werden, da das Limit für eine automatische Landung bei 20 Knoten Seitenwind liegt.

Ja, die Lösung scheint so nah. Lasst uns alles auto- matisch machen, dann kann der fehlerhafte Mensch nichts mehr falsch machen. Das Dumme ist nur: auch die Automatik wird von Menschen erfun- den und gebaut – Fehler inbegriffen. („Flugkapitän“)

Nur der Auto-Thrust (automatische Schubregelung) kann bei diesen Bedingungen eingesetzt werden. Airbus empfiehlt dies. Doch der Auto-Thrust ist mit Vorsicht zu genießen. Der Schub wird dabei automatisch so geregelt, dass die eingegebene Anfluggeschwindigkeit beibehalten wird. Auch das klingt zunächst gut und hilfreich, ist es in böigem Wetter allerdings nicht. In unruhiger Luft führt der Auto-Thrust dazu, das sich der Schub ständig ändert. Ein erfahrener Pilot würde gleich den Zielwert setzen, trotz Fluggeschwindigkeitsschwankungen ruhig bleiben und den Schubwert nur langsam anpassen, falls wirklich nötig.

Bei unter der Fläche montierten Triebwerken bewirkt jede Schubänderung aber auch eine Lastigkeitsänderung um die Querachse, die durch Trimm- oder Höhenruder-Ausschläge ausgeglichen werden muss.

Solche Vorfälle wie im Video und auch schlimm- eres wird es auch in Zukunft geben. Es ist nicht vermeidbar, weder durch bessere Piloten noch durch bessere Elektronik. Es ist der Preis, den wir für den Fortschritt zahlen, und wir müssen bei jeder neuen Maschine entschei- den, ob wir dazu bereit sind. („Schlappohr“)

Mit dem Auto-Thrust wird also ein ohnehin schon unruhiger Anflug noch unruhiger. Ferner zieht der Auto-Thrust, in Bodennähe nur über den Radarhöhenmesser gesteuert, die Leistung plötzlich auf Leerlauf zurück, damit man landen kann, ohne dabei die Gesamtenergie-Situation des Flugzeugs zu berücksichtigen.

Diese Lastigkeitsänderung führt dazu, dass die Nase sich senkt, wenn man nicht direkt gegensteuert. Verliert man gerade an Geschwindigkeit aufgrund einer durchschlagenden Böe, kann das der total falsche Zeitpunkt sein, und die harte Landung wird unvermeidlich.

Vielleicht war dies hier der Fall.

Eine große deutsche Airline ignoriert deshalb auch die Empfehlung von Airbus und sagt:
Manual Flight = Manual Thrust.
Vielleicht war die Ursache der harten Landung aber auch eine manuelle Schubverringerung zum falschen Zeitpunkt (nach 18 Stunden um 3 Uhr morgens mit einem in diesen Bedingungen schwer zu handhabenden Flugzeug, das sich anders verhält, als die in den Flügen davor gelandeten A340/A330).
Der Flight-Recorder wird es wissen.

 

Die Ursache der harten Landung scheint also (wie bei jedem Luftfahrt-Incident) die Verkettung von vielen unglücklichen Umständen zu sein:

  • Böiger Seitenwind
  • Ein Flugzeug, das für diese Bedingungen nicht geschaffen (aber zugelassen) ist
  • Müdigkeit der Crew
  • zu viele Derivate eines Flugzeugtyps, die mit dem gleichen Rating geflogen werden können und müssen; die aber unterschiedliches Handling (in Ausnahmesituationen schnell abrufbar und umsetzbar) voraussetzen.

 

Naturgesetze kann man nicht ändern, aber folgende Maßnahmen können helfen:

  • Verbesserung der Flugsteuerung. Dies kann allerdings nur von Airbus und nicht von der Airline erfolgen.
  • Die Ankunftszeit im Tages-Rhythmus-Tief kann nur bedingt verändert werden.
  • Die Müdigkeit von Besatzungen sollte durch entspanntere Umlaufpläne, die zu mehr Regeneration im Einklang mit dem Biorhythmus führen, signifikant verbessert werden. Ein Ausreizen der gesetzlichen Möglichkeiten ist vielleicht für den schnellen Profit einer Firma hilfreich – Berufspiloten dazu zu zwingen, diesen stressigen Lebenswandel bis zu einem Alter von 65 Jahren durchziehen zu müssen, aber ist kurzsichtig. (Wird in einer Neid-Republik jedoch stets gern genommen.)
  • Mit Zunahme der technischen Varianten (Triebwerke, Winglets…) auch nur eines Flugzeugtyps Flotten in mehrere Teilflotten zu unterteilen. Auch wenn es zunächst vielleicht höhere Kosten verursacht. Der Komplettverlust eines A340 ist auch weit entfernt von kostenfrei.

Bleibt nur noch zu erwähnen, dass bei diesem Landeunfall nur das Flugzeug (und das Ego des Piloten) beschädigt wurde. Man möchte nicht wissen, wie weniger qualifizierte Piloten diese Landung gemeistert hätten.


Kommentare

8 Antworten zu „Airbus A346 – Harte Landung in Narita“

  1. Kassenwart

    @Helga Kleisny

    wäre eine komplett automatische Flugsteuerung, also ohne Piloten nicht schlußendlich besser? Selbst wenn das aktuelle Systeme nicht können sollten, das ist doch nur noch eine Frage der Zeit.
    Oder wie schätzen sie das ein?

    1. Ja. Und nein.
      Gute Frage.
      Etwas ausführlicher:
      Wenn eine komplett automatische Steuerung in allen Fällen technisch machbar wäre (heute oder in absehbarer Zukunft), wären die Fluglinien die ersten, die das von den Herstellern fordern würden, und diese die ersten, die das umsetzen. Kaum eine Airline schätzt heute den Einsatz und die täglichen Anstrengungen ihrer Piloten. Diese werden vielmehr als lästiges, kostenverursachendes Übel gesehen (und nicht als Basis der Firma).
      Tatsache aber ist, dass die Technik, wenn es an komplexe, in einander verschachtelte Anforderungen geht (= Gegebenheiten, die sich gegenseitig verstärken oder sonst wie beinflussen), schnell an ihre Grenzen gerät. Da ist eben der gut ausgebildete Mensch, der erfahrene Pilot gefragt.
      Die Lösung komplexer Probleme hier könnte man mit automatischen Sprachübersetzungen vergleichen: Computer können heute übersetzen, in Grenzen. Aber vielfach ist es einfach Kauderwelsch, weil dem Rechner die Übersicht, der Einbau in den Zusammenhang fehlt.
      Und: „Kauderwelsch“ kommt in der Luftfahrt gar nicht gut.
      Die Problematik des Vertrauens des Passagiers – wenn vorne keiner mehr sitzt – möchte ich hier nur erwähnen. Viele würden nicht in einem Flugzeug fliegen wollen, das nur von einem Rechner gesteuert ist.

  2. Flugkapitän

    @ Helga
    Vielen Dank für den anschaulichen Artikel.
    Bin den A346 selber geflogen und kann mich noch gut an die „Zickigkeit“ erinnern.
    Die Arbeitsbedingungen auf der Langstrecke haben mich dazu bewogen, als Kapitän da nicht mehr hin zu wechseln. Doch die ausgequetschten Pläne auf der Kurzstrecke sind auch nicht mehr viel besser. Es kommt zu massiven Ballungen an Flügen und dann wieder lange Zeit frei, anstatt die Arbeit gleichmäßig zu verteilen.

    @ Kassenwart
    Ja, die Lösung scheint so nah. Lasst uns alles automatisch machen, dann kann der fehlerhafte Mensch nichts mehr falsch machen. Das Dumme ist nur: auch die Automatik wird von Menschen erfunden und gebaut – Fehler inbegriffen. Es wird immer wieder Situationen geben, in denen die Automatik nicht weiter weiß. Dann fährt sie halt einfach rechts ran, bleibt stehen und setzt die Parkbremse. Soll heißen: das klappt bei Schienenfahrzeugen vermutlich gut, bei Autos wird es schon schwieriger und in der dritten Dimension muss man dann halt den Totalverlust in Kauf nehmen. So wie das bei den militärischen Drohnen ja auch gemacht wird. Dies ist auch der Grund, weshalb sie nicht so ohne weiteres über Deutschland fliegen dürfen.
    Außerdem fällt mir hier ein Umlauf aus dem Januar ein: Von den insgesamt acht Flügen bekam der Co 4, ich 3 und der Automat eine Landung ab. Wegen fast keiner Sicht waren wir eben einmal gezwungen eine automatische Landung durchzuführen. Es waren eigentlich sehr einfache Bedingungen: nur 2 Knoten Wind und eine topfebene Bahn.
    Doch dieser „Einschlag“ war mit Abstand die schlechteste Landung dieses Umlaufs, wie die Kabinenbesatzung einhellig beurteilte.
    Also auch bei einem nagelneuen A320 sind wir noch sehr weit davon entfernt, komplett automatisch zu fliegen.

  3. Kassenwart

    @Flugkapitän

    Es ist nunmal der beherrschende Techniktrend alles automatisch zu machen, SOFERN es sich automatisieren läßt. Das geht von Brotbackmaschinen bis zu Flugzeugen. Deswegen habe ich keiner der möglichen Lösungen das Wort geredet. Das Technik Fehler haben kann ist ebenso gegeben (daher ja zB redundante Systeme) wie es immer wieder Situationen geben wird, in welcher Menschen Fehler machen. Oder wieviele Abstürze gehen auf Pilotenfehler zurück und sie werden schon aus Kostengründen die Automatiken eines Kraftfahrzeuges nicht mit denen eines Flugzeuges vergleichen können. Die Rede war ja nicht von den Jetzt-Systemen, sondern von den zukünftigen. Dann werden wir sehen.

  4. @Kassenwart:
    Ich stelle mir gerade die m.M. interessantere Frage: Wieviele Abstürze wurden durch Piloten verhindert?
    Während pilotenbedingte Abstürze zwangsläufig gut dokumentiert werden, dürfte das im umgekehrten Fall nicht so sein (vermute ich mal), da es eben selbstverständlich ist einzugreifen, sollte die Automatik unschöne Dinge tun.

  5. schlappohr

    Eine Automatik wie z.B. ein Autopilot ist systemtechnisch nichts anderes als ein ziemlich komplexer modellbasierter Regelalgorithmus. Modellbasiert bedeutet, die Automatik hat ein Modell ihrer Umgebung (in diesem Fall aerodynmaisches Verhalten des Flugzeugs) gespeichert, das sie ständig mit den Messwerten aus der Realität vergleicht, die Situation in der nahen Zukunft extrapoliert und daraus einen Eingriff in das System (Steuerimpulse) erzeugt.

    Nehmen wir einmal an, das Modell ist korrekt und möglichst vollständig. Dann hat die Automatik dasselbe „Wissen“ wie ein erfahrener Pilot. D.h. wenn sie in eine unbekannte Stuation gerät oder irreführende Messwerte erhält, trifft sie ebenso falsche Entscheidungen wie der Pilot. Wenn sie jedoch die richtige Entscheidung trifft, dann tut sie es sehr viel schneller und präziser als der Pilot. Das ist es, was eine Automatik kann: Schneller reagieren, und richtig reagieren, wenn eine richtige Reaktion aufgrund des Modells möglich ist.
    Und das gilt nur, wenn das Modell gut und möglichst vollständig ist, davon sind wir jedoch weit entfernt, nicht nur bei Autopiloten. Die Steuerung eines modernen Dieselmotors in einem Mittelklasseauto ist derart komplex, dass man hier nur stark vereinfachte Modelle verwenden kann. Ein vollständiges Modell (wenn es überhaupt eines gäbe) würde einen Computer erfordern, der teurer und größer wäre als das Auto, und ein beträchtlicher Teil der Motorleistung würde benötigt, um diesen Computer
    mit Energie zu versorgen.
    Beim Autopiloten ist das Modell nochmal um einige Größenordnungen komplexer, und hinzu kommen die Sicherheitsanforderungen (also Redundanz etc.) Die Fluggesellschaften möchten aber lieber Passagiere transportieren als ein Rechenzentrum durch die Gegend zu fliegen.

    Dann haben wir noch das Problem, dass solche komplexen Systeme fast nicht mehr fehlerfrei entwickelt werden können, dass sie sich allein aufgrund ihrer Komplexität ansatzweise dynamisch verhalten können (also chaotisch,
    in bestimmten Situationen unvorhersehbar), und dass es kaum möglich sein wird, vollständige Modelle überhaupt zu entwickeln, weil viele physikalische Vorgänge, gerade in
    der Strömungsdynamik, noch vollkommen unverstanden und damit aktuell nicht modellierbar sind.

    Was ich sagen will: Solche Vorfälle wie im Video und auch schlimmeres wird es auch in Zukunft geben. Es nicht vermeidbar, weder durch bessere Piloten noch durch bessere Elektronik. Jeder, der in ein {Flugzeug, Auto, Zug, Schiff} steigt oder auch nur Strom aus einem Atomkraftwerk verbraucht, muss sich dessen bewusst sein. Es ist der Preis, den wir für den Fortschritt zahlen, und wir müssen bei jeder neuen Maschine entscheiden, ob wir dazu bereit sind.

  6. Sehr geehrte Frau Kleisny,

    erlauben Sie mir einige Kommentare aus Sicht eines Ingenieurs:

    1.) die Aussage, Boeing FBW Systeme würden die Ruder proportional zum „input“ stellen, ist nicht richtig. (siehe: http://www.davi.ws/avionics/TheAvionicsHandbook_Cap_11.pdf) Auch Boeing verwendet control laws, die verschiedene Zustands- und Steuergrößen miteinander verrechnen. Die Annahme eines direkt proportionalen Steuerausschlages war allerdings schon bei der Boeing 707 nicht mehr vollständig richtig, da schon dieser Typ mit stability augmentation Systemen ausgestattet war, die einen direkten Durchgriff auf die Ruder hatten. Der Hauptunterschied zwischen Boeing- und Airbus-Philosophie liegt in der Frage, ob die envelope-protection vom Piloten außer Kraft gesetzt werden soll. In der Unfallhistorie der Firma Boeing finden sich hier einige sehr deutliche Hinweise darauf, daß die Airbus Philosophie besser ist, ebenso wie sich Unfälle mit Airbus Flugzeugen so deuten lassen, daß vielleicht Boeing Recht haben könnte.

    2.) Aus Punkt 1 ergibt sich auch, daß Ihre Interpretation des Videos möglichweise nicht von korrekten Prämissen ausgeht. Sie schreiben, der PF habe kurz vor dem Aufsetzen versucht, die Zunahme der Sinkrate zu vermindern. War es der Pilot? Oder das FBW? Wie Sie an anderer Stelle schreiben: Der FDR wird es wissen. Eine sehr spannende Frage (aus Sicht des Ingenieurs) ist, ob FBW-Systeme tatsächlich so ausgelegt werden sollen, daß Störungen (z.B. durch Böen) schnell oder langsam ausgeregelt werden sollen. Welche Abweichung von Centerline und Gleitpfad, welche Abweichung von der Sollgeschwindigkeit ist verträglich und nach welcher Zeit muß das Lfz wieder „on the dot“ fliegen?

    3.) PIO ist eben nicht „Airbus induced oscillation“. Schon Flugschüler im Segelflugzeug bekommen dieses Phänomen erläutert. Sorry, aber ihr sonst sehr ausgewogener Artikel ist an dieser Stelle einfach nicht hilfreich für die Diskussion.

    Noch eine Anmerkung zum Kommentar von Leser „schlappohr“: nein, vereinfachte Systemmodelle sind kein Problem. Nicht jeder Einfluss von Modellparametern auf die Systemzustände hat die gleiche Auswirkung. Die Kunst der Modellbildung besteht darin, die Effekte zu berücksichtigen die einen wesentlichen Einfluss haben, und die zu vernachlässigen, die keinen oder nur einen geringen Einfluss haben. Da die Flugphysik sich mit dieser Problemstellung schon seit Jahrzehnten beschäftigt, kann ich Ihre Sorgen um die Modellkomplexität nicht teilen. Schon deshalb nicht, weil die Robustheit der verwendeten Regelalgorithmen sicherzustellen, einen erheblichen Anteil der Synthese von Flugregelungssysteme ausmacht.

    1. Erstmal herzlich willkommen im FlugundZeit-Blog.
      „Nur“-Ingenieure (und das meine ich hier positiv) bringen eine andere Sichtweise, eine weitere zu den Piloten, die ebenfalls vorher ein Ingenieursstudium absolviert haben. Bei denen dann aber meist die Fliegersicht dominiert. 😉
      ad 1
      Den Beitrag hat ein Pilot mit Boeing Ratings vor dem Hochstellen gegengelesen und nix gemeckert. Aber wird schon so seine Richtigkeit haben. Zur möglichen Unfallursache des Airbus tut es nichts zur Sache.
      ad 2

      Der FDR wird es wissen.

      Genau. Und vorher ist alles Spekulation. Denn analog zur Frage (an den Erstspringer): What colour is your parachute wage ich zu bezweifeln, dass selbst die Piloten an Bord im Nachhinein auf die Sekunde genau sagen können, wann wer die Kontrolle hatte (Maschine oder Mensch).
      Belassen wir es also zurzeit dabei.
      Und zur Komplexität von Systemen:
      Sorry, aber da bin ich vollkommen mit Schlappohr einer Meinung und vermutlich noch viele andere auch. Wenn ich nur denke, wie mir übel wird in einem Fullflight Simulator beim Rollen (Fliegen ist einfacher – [Scherz]), weil mein Gehirn und meine Erfahrung schneller sind in der Erwartung als der Rechner, der einfach nicht nachkommt mit dem Simulieren der Realität. Und wenn das schon zu komplex ist…
      Nicht alles was vernachlässigt wird beim Modellieren/Simulieren bleibt effektlos.
      Ich glaube auch nicht, dass ein Modell – wie komplex auch immer – alle später, vielleicht nur einmal oder viel später, in der Praxis auftretenden Fälle abdecken kann und tut.

Über die Autorin

Die Journalistin Helga Kleisny ist diplomierte Physikerin (TU Wien), Fallschirmspringerin und Pilotin. Nach Arbeitsorten weltweit (Wien, Taipeh, Boca Raton (FL), München, Frankfurt…) sind ihre Haupt-Lebens- und Arbeitsorte nun in Deutschland und in den USA. Sie schreibt als freie Luft- und Raumfahrtjournalistin. Ihre Begeisterung für alles Technische und die Natur, am besten in Kombination, zeigt sich in ihren Büchern und in Seminaren und Vorträgen.

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