Warum es nicht sinnvoll ist, sich hinter einer Crew anzustellen…

Da wartet morgens um halb sechs eine Airline Crew am Gate, weil das Gate gerade noch nicht mit Mitarbeitern der lokalen Station (im Ausland) besetzt ist. Und schwupps – formiert sich eine Menschenschlange von Passagieren hinter den Piloten und Flugbegleitern.

Das gibt zu denken. Mir zumindest. Denn wenn die Crew noch nicht an Bord ist, heißt das real, dass es mindestens noch eine halbe Stunde dauert, bis die Passagiere an Bord dürfen. Wenn also selbst die Crew noch nicht an Bord darf, wäre das für mich ein Zeichen, etwa in Ruhe einen Kaffee zu trinken, noch eine Runde im Terminal zu laufen oder jedenfalls ausgiebig zu relaxen.

So stellt sich manch ein Passagier also vor, dass die Piloten an Bord gehen, den „Schlüssel“ umdrehen und den Flieger starten. (Und sie sich, als Passagiere, somit bereits beeilen müssen.)

Eine sinnvolle Turnaround-Zeit – das ist die Zeit, von der Ankunft des Flugzeugs am Gate bis zum Zurückstoßen vom Gate für den neuen Flug  – war einmal bei der Kurzstrecke eine Stunde (so etwa bis 4 Stunden Flugzeit) und zwei Stunden auf der Langstrecke (Flug zu anderen Kontinenten). Mittlerweile ist das schon offiziell bei der Kurzstrecke auf eine gute halbe Stunde, und von zwei Stunden auf oftmals nur etwas mehr als eine bei der Langstrecke geschrumpft.

Was alles in der Zeit an Bord abläuft, sehen wir uns nun näher an.

Zunächst steigen die Passagiere aus. So etwas dauert bei einem voll besetzten A321 schon mal zehn Minuten. Der Purser am vorderen Ausgang sagt in dieser Zeit etwa 200 Mal „Auf Wiedersehen“ in den verschiedensten Sprachen.

Danach kommt die „Cleaning“-Truppe an Bord: Man glaubt nicht, wie unordentlich und dreckig ein gerade angekommenes, nunmehr leeres Flugzeug aussieht. Auf der Langstrecke ist das noch schlimmer. Dass da weder ein Erdbeben noch eine sonstige Katastrophe stattgefunden hat, sondern Menschen nur einfach stundenlang hier verharrt haben, ist kaum vorstellbar. Zum Aufräumen, Saugen und Müll wegräumen kommt natürlich auch ein Neubestücken mit den erforderlichen Sicherheitshinweisen und anderen Papiere in den Taschen des Vordersitzes. Und ein von den Passagieren durchaus gern gesehenes Reinigen der Toiletten. Die Cleaner gehören zum lokalen Flughafen und sind nicht Teil der Flight Crew. Cleaner gehen nach ihrer Arbeit von Bord und flott zum nächsten unaufgeräumten Flieger.

Oftmals zeitgleich oder unmittelbar danach wird das neue Catering für den nächsten Flug geliefert.

Aufgabe der Cabin Crew ist es dabei, die Ausweise von allen an Bord kommenden Cleanern und Caterern zu überprüfen und sicher zu stellen, dass diese keine unerlaubten Gegenstände an Bord bringen oder Teile der Notausrüstung manipulieren.

Erst, wenn alles Fremdpersonal wieder von Bord ist, dann geht es weiter:

Mit den Flugbegleitern (FBs), die – entgegen der allgemeinen Meinung nicht primär dazu da sind, um Saft zu verteilen* – führt der Chef oder die Chefin der Kabine („Purser“) ein Briefing durch, wie die einzelnen Abläufe auf diesem Flug erfolgen sollen. Das hängt von der Streckenlänge, dem Ziel, und vor allen auch den speziellen Bedingungen auf diesem Flug ab. Danach übernehmen die einzelnen Flugbegleiter ihre Aufgaben und checken, ob alle notwendigen Sicherheitsausrüstungen an Bord sind und funktionsfähig. Das betrifft etwa den Defibrillator, das Doctors Kit und den Verbandskasten, aber auch die Funktionsfähigkeit von Megaphone und elektrischen Geräten und die Ausrüstung in der Galley (Bordküche). Nun folgen die Vorbereitungen für den Service. Der Gast erwartet schließlich, dass später, sobald die Anschnallzeichen oben ausgeschaltet sind, sofort die Trolleys mit Nahrung und Getränken flott durch die Kabine flitzen. Was aber nicht an Bord ist, kann in der Luft auch nicht nachgecatert werden.

*Flugbegleiter sind für die Sicherheit in der Kabine und der Passagiere verantwortlich. Ihre Anzahl an Bord ist je nach Bestuhlung des Flugzeugs vom Gesetzgeber (Luftfahrtbundesamt) vorgegeben und hat nichts mit der Anzahl der Mahlzeiten an Bord zu tun.
Last but not least – die Cockpitcrew: Die besteht bei Airlineflügen aus zwei Piloten auf der Kurzstrecke und meist drei (mit einem Relieve Piloten*) Piloten auf der Langstrecke. Auch hier gibt es zunächst ein Briefing, also ein von Kapitän gehaltene gemeinsame Absprache, in der etwa auch festgelegt wird, wie viel Sprit für diesen Flug unter den vorhandenen Wetter- und sonstigen Bedingungen („Stau“) getankt wird. Hierzu wird das Briefingpaket, welches die Flugplanungsunterlagen (Flugdurchführungsplan, Wetterdaten, NOTAMs und Informationen der Airline beinhaltet und rund 40 Din A4 Seiten dick ist, durchgearbeitet. Weiters sind hier natürlich auch alle elektronischen Systeme im Cockpit auf ihre Funktionsfähigkeit zu testen. Zudem, wie auch in der Kabine, Notfallausrüstungen wie Sauerstoffmasken, Feuerlöscher und Stablampen.
*Relieve-Pilot ist der Senior First Officer, der im Flug sowohl die Funktion des Co-Piloten (First Officers) als auch vorübergehend des Kapitäns übernimmt, wenn diese in ihren jeweiligen Ruhezeiten sind.
Die auf Papier oder zunehmend elektronisch erhaltenen Flugunterlagen müssen in den Bordcomputer eingegeben werden. Das sind etwa die Flugstrecke mit ihren Kontrollpunkten bis zum Zielflughafen, der Wind, Gewicht des beladenen Flugzeugs, Startgeschwindigkeiten.

Einer der beiden Piloten macht einen Aussencheck (bei jedem Wetter) um das Flugzeug.
Die Cockpit Crew koordiniert ferner mit der Bodencrew das Abziehen von Bodenstrom und Bodenklimagerät (falls vorhanden).

Die Koordination und Absprache von Cockpit und der Kabine umfasst die Flugzeit; muss ein „Schwimmwesten“-Briefing der Gäste erfolgen oder nicht (An- und Abflug über Wasser, oder weiter Strecke unterwegs über Wasser); muss der Gebrauch der Sauerstoffmasken vorgeführt werden oder nicht (Reiseflug über oder unter 25.000 Fuß).

Erst wenn es dann auf dem Flieger heißt: „Die Passagiere kommen“ – dann wird es Zeit, sich draussen am Gate in die Warteschlange einzureihen. 🙂

Wenn also beim nächsten Flug die Crew am Gate auftaucht, dann als Passagier erst einmal relaxen. Es wird schon losgehen mit dem Boarding, aber sicher noch nicht gleich. Auch der obige Flug von Madrid nach Frankfurt gestern ging übrigens pünktlich raus und landete sogar kurz vor der geplanten Zeit in Frankfurt.


Kommentare

7 Antworten zu „Warum es nicht sinnvoll ist, sich hinter einer Crew anzustellen…“

  1. Ja nach Flughafen kann das Anstehen hinter einer Crew auch nach hinten losgehen – Wenn der Eingang nämlich nur für Crews reserviert ist 😉

  2. Ich finde die Hektik allgemein spannend egal ob beim Boarding oder nach der Landung… als gäbe es Preise für den ersten im Flugzeug bzw. der aussteigt…

  3. Oder die Leute haben einfach gehofft, dass damit das allgemeine Boarding losgeht, weil sie lieber im Flugzeug sitzen und warten möchten, als in der Wartezone?

    Oder sie stellten sich schon an, weil sie einfach nicht durchgerechnet haben, was noch alles gemacht werden muss mit wieviel Zeitaufwand, weil sie an den bevorstehenden Urlaub/ das Wiedersehen mit ihren Liebsten/ ihre Flugangst / den zuhause vergessenen Sohn denken? 😉

    1. Du meinst, sie denken nicht bevor sie handeln?
      Da könntest Du bei vielen Menschen recht haben. 🙂

  4. Ooooch, wenn es der erste Flug an dem Tag ist, erwartet man halt, dass die in ein frisch geputztes Flugzeug einsteigen und einen Teil schon gefälligst am Vorabend erledigt haben…Oppa macht das ja auch immer so bevor er mit’m Camper losfährt 😉 …

  5. Hallo Helga,
    Bei Germanwings oder Ryanair dürfen die FBs sogar den Flieger cleanen im Transit. Und bei den Billiganbietern (Entschuldigung, Günstig- 😉 ) ist die Transitzeit sogar noch kürzer.
    Liebe Grüße,
    Jay 🙂

    1. 🙂 Welcome!

Über die Autorin

Die Journalistin Helga Kleisny ist diplomierte Physikerin (TU Wien), Fallschirmspringerin und Pilotin. Nach Arbeitsorten weltweit (Wien, Taipeh, Boca Raton (FL), München, Frankfurt…) sind ihre Haupt-Lebens- und Arbeitsorte nun in Deutschland und in den USA. Sie schreibt als freie Luft- und Raumfahrtjournalistin. Ihre Begeisterung für alles Technische und die Natur, am besten in Kombination, zeigt sich in ihren Büchern und in Seminaren und Vorträgen.

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