Buchmesse 3: Storydrive

Der Mensch denkt in Geschichten. Ein gute Geschichte sollte universell funktionieren: egal in welcher Sprache und in welchem Medium. Man lernt leichter, das gilt auch für auch technische Anleitungen, wenn sie anschaulich in eine Geschichte verpackt sind. Die Schwierigkeit ist nur: Was macht eine gute Geschichte aus? Und wie sieht die Zukunft aus von Handbüchern, Lernmaterialien und Vergnügungsliteratur?

Dazu trafen sich nun bereits zum fünften Mal auf der Buchmesse Menschen, die meinen, darauf die Antwort gefunden zu haben. Die Organisatorin der internationalen All-Media-Konferenz: Frankfurt StoryDrive, Britta Friedrich, hatte auch in diesem Jahr erstklassige Referenten gewinnen können.

Mit einem Rebell ging es schon morgens los: Cyber Philosoph Alexander Bard meint ketzerisch, dass der singuläre Held sich überlebt hat und von der Crowd abgelöst wurde. Die Prinzipien der Wüsten-veranstaltung Burning Man seien ein Vorbild, wie unsere Zukunft sich abspielen könnte.

Werbung habe sich überholt, die Zukunft ist online und dort hat Werbung den Wert von Spam.

Ich denke, also bin ich ist nach Bard etwas für Angejahrte, die Generation Y möchte nicht mehr einzigartig sein, sondern sich je nach Community anders darstellen, in andere Rollen schlüpfen. Ein Teil sein von etwas größerem als das Individuum allein.

Peter Gornstein, Cinematic Director von Crytek, meint, dass eine gute Geschichte Leidenschaft des Erzählers voraussetzt. Dann funktioniert sie, egal in welchem Medium. Ein Entwickler von Game Stories braucht einen Anfang und ein Ende; dazwischen spielt sich alles ab, was er erfindet. Wie das behind the scenes funktioniert, kann man hier im Video sehen.

Lars Lindström ist Drehbuchautor der Serie (bei uns auf ARTE zu sehen) Real Humans. Für Lindström muss eine funktionierende Geschichte sein Gehirn ansprechen, sein Herz berühren, und ein Unbehagen im Magen auslösen. Das hat er bei Real Humans bei den Zusehern recht gut erreicht. Lindström: Eine gute Geschichte ist nachvollziehbar, glaubhaft. Spannend auch, was er über die Hintergründe und die Überlegungen zur Serie erzählt.

Reif Larsen ist Autor des interaktiven Buches: The selected works of T. S. Spivit (Die Karte meiner Träume). Er beschrieb sehr humorvoll den schmerzvollen Prozess für einen Autor, wenn Hollywood ruft, aber deren Verständnis des Buchinhaltes bei der Verfilmung nicht dem seinem entspricht.

Patrick Müller (im Bild) und Robin Burgauer wollen Geschichten als Film erzählen, aber mit der Kombination von Text zum Nachlesen von Details. Also als Videobuch: eine Geschichte, erzählt in mehreren Ebenen. Und da es so etwas noch nicht gab, schufen sie auch eine eigene Plattform für Videobücher: Rund ein Dutzend Bücher gibt es bereits auf videobuch.de

Sven Ehmann will mit k.lab das Lernen in Schulen revolutionieren. Man müsste doch einfach nur mit seinem Tablet in ein Klassenzimmer gehen können, ohne Bücher, dafür mit Lernen, das Spaß macht. Mit HTML5, Javascript, CSS und einer Mongo Database entwickelt k.lab Apps, die das leisten sollen. Ehmann: „wie Spotify für Lehrer“.

Der italienische Drehbuchautor Stefano Bises kann auch aus dem Vollen schöpfen bei seinem Beitrag: Er schreibt bereits für die zweite Staffel der Serie Gomorrha, die an den Bestseller von Roberto Saviano angelehnt ist und bereits in über siebzig Länder, einschließlich den USA, verkauft wurde. Und er erzählt, wie man unter extremen Umständen – die Mafia und viele der dargestellten Personen existieren real – für eine Serie recherchiert.

Man kann einen Mafioso nicht zum Helden stilisieren. Der Zuseher muss immer noch Grauen und Abscheu empfinden. Andererseits muss ein Zuseher sich mit den Hauptfiguren irgendwie identifizieren können. Eine Gratwanderung für den Autor.

Grant Faulkner machte Werbung für den NaNoWriMo: Ein Buch im November zu schreiben mit einer Online Community zur mentalen Unterstützung.
Irina Ignatiew stellte eine Serie vor, die nächstes Jahr zu sehen sein soll. Ungewöhnlich ist der Produzent: Amazon. Die Dreharbeiten für die erste Staffel mit dem Polizistenhelden Harry Bosch (Autor: Michael Connelly) sind zur Hälfte absolviert. Kann das ein weiteres Standbein des auf dem Verkaufsmarkt des bereits beherrschenden Firma werden?

Ken Beard (im Bild) und Komponist Norman Ritter haben sich als Ziel gesetzt, die Kultserie Knight Rider aus den 1980ern wieder aufleben zu lassen. In einem Videospiel als APP und kostenfrei zum Download. Noch rund ein Jahr soll es dauern, bis das Spiel fertig ist.

Linda Aronson ist international gefragt für ihr Wissen und ihre Gedanken zum modernen Storytelling. Aronson will keine linear erzählten Geschichten mehr, der alt bewährte und noch aus der Antike stammende 3-Akt-Aufbau ist ihr nicht mehr zeitgemäß. Sie will paralleles Erzählen, beginnen schon mal mit dem Mittelteil und einem sehr viel früheren Wendepunkt der Geschichte.

Odile Limpach war Managing Director eines traditionsreichen, deutschen Games Studios, das unter anderem für Episoden von Games wie Die Siedler und ANNO schuf. Sie zeigt, was Games Entwickler von der Filmindustrie abgeguckt haben: Auch Computerspiele brauchen eine Geschichte.

Michael Bhaskar sieht ebenso die Zukunft der narrativen Games. Der britische Verleger will Geschichten über eine Kombination aus Buch und Video erzählen. Nach der App-Adaption von Mary Shelleys „Frankenstein“ ist das 80 Days Project die nächste Adaption eines Abenteuerromans zu einem interaktiven Multiplayer-Spiel. Bhaskar will zeigen, dass auch Klassiker der Weltliteratur zukunftsfähig sind und setzt dabei auf crossmediale Zusammenarbeit bei Game, Buch, Literatur und Interaktion.

Ewan Morrison versuchte zu beweisen, dass die Menschheit in Einheiten der Zahl sieben lebt und denkt. Und, dass man das daher in einer guten Geschichte nutzen sollte: 7 Basic Plots für Geschichten von Christopher Booker (2004), sieben Basisemotionen (traurig, zufrieden, ängstlich…), sieben Todsünden, sieben Götter der Griechen (die Auswahl erschließt sich mir nicht), sieben Genres für Geschichten, sieben Bedürfnisse in der Maslow’schen Pyramide und so weiter.

Nun ja, wenn es hilft, eine gute Geschichte zu erzählen…

Als Highlight und zum Abschluss der diesjährigen Veranstaltung erzählte Lynda Obst, Produzentin aus Hollywood, wie die Sachlage in der (Noch-)Filmhauptstadt ist. Nicht ganz so rosig, wie sie einmal war.

Die amerikanische Filmindustrie krankt an den drei Anforderungen an einen Film, damit er überhaupt in Erwägung gezogen wird zur Produktion:

  • Pre-awareness („pre-Bewusstsein“): Die Idee, dass der Zuseher mit dem Konzept des Films bereits vertraut ist – damit die Studios Marketing-Ressourcen sparen
  • der Film muss sich auch außerhalb der USA verkaufen
  • der Film muss für Fortsetzungen geeignet sein

alle Bilder (c) hkl


Kommentare

4 Antworten zu „Buchmesse 3: Storydrive“

  1. Die eigentliche Antwort gibt der Artikel in seiner Gesamtheit. Den Königsweg ,gibt es nicht , gute Geschichten entstehen aus der Vielfalt der Versuche.

    Hochinteressant ist , was „Cyber-Philisoph“ Alexander Bard sagt – die Erhebung der Crowd über das Individuum.
    Da zeigt sich etwas , was es schon seit den 90ern gibt , der alte Kollektivismus hat sich ein neues Feld gesucht (Teile des Internets) und glaubt heute ein weiteres Mal , im Namen des Guten zu sprechen , wie schon seinerzeit in Faschismus und Kommunismus .
    Sehr passend dazu die unaufgeforderte Mitlieferung der Aussage , selber zu den coolen Angesagten zu gehören , die „jung“ denken , im Gegensatz zu den „alten“ Idioten.

    Das ist ein Standard , der immer aufgerufen wird von Leuten , die Progressivität mit Herdenverhalten verwechseln und in Wahrheit selber zu den mentalen Greisen gehören , leider repräsentiert Bard hier eine regelrechte Volkskrankheit.

    1. Alexander Bard ist eine schillernde Gestalt. Bin auch nicht unbedingt seiner Meinung – die wenigsten wohl in der Zuhörerschaft waren es. Aber immerhin hat er einen Standpunkt, zu dem er steht und ihn verteidigt.
      Was ich gar nicht abkann, ist das Hinterherlaufen einer Masse/Bewegung ohne selbst zu denken und zu urteilen.
      Das meiste Geraune gab es, als er auf die mangelnde Praktikabilität seiner Ansichten* angesprochen wurde und er meinte dazu, er sei Philosoph, der das Leben beschreibe, aber keine Anleitungen zur Umsetzung gebe…

      *wer bezahlt den Künstler, wenn alles Allgemeingut ist.

      Die eigentliche Antwort gibt der Artikel in seiner Gesamtheit.

      Ja. Und sicher gibt es dazu noch mehr, als die Anwesenden dozierten.

      Den Königsweg ,gibt es nicht , gute Geschichten entstehen aus der Vielfalt der Versuche.

      Na ja, nur Herumprobieren bringt es sicher auch nicht. Einen Ansatz und ein wenig Hintergrundwissen, wie Geschichten funktionieren, sollte man schon haben, sonst geht es nie über Schulaufsatz oder die Küchenlyrik hinaus.

  2. @Helga Kleisny

    Nicht jeder Standpunkt ist respektabel , diesen hier kann man aber noch unter der Kategorie „Denkanstoß“ abheften , stimme zu.
    Wobei es aber schon interessant ist , wie er dann bei „Geraune“ ausweicht , gute Provokateure tun das nicht , das ist eher ein Hinweis auf das typische Modeverhalten , „sind die Leute etwa anderer Meinung , als ich dachte ? Dann aber schnell relativieren“
    Der Mann will auf der Welle oben schwimmen , mehr nicht , leider ist er aber zu doof , zu erkennen , wo selbige hinschwappt.

    „Na ja, nur Herumprobieren bringt es sicher auch nicht. “

    Ohne Zweifel.
    Je mehr es versuchen , desto höher ist die Chance , daß brauchbare Versuche darunter sind , es ging mir nicht darum , alle Versuche zu integrieren in die tatsächliche Umsetzung.
    Wie im Spitzensport , je breiter die Talentsuche , desto mehr echte Spitzentalente darunter, aber dann wird natürlich ausgesiebt .
    Der große Rest verliert ja deshalb nicht seine Würde , hat es versucht und hat dann eben andere Talente.

  3. @Helga Kleisny

    Hatte schon eine Antwort abgeschickt , hat aber wohl nicht geklappt , daher noch einmal der Versuch.

    Bei Bard bleibe ich mißtrauisch , der Mann will oben auf der Welle schwimmen , mehr nicht.
    Erkennbar an seiner einknickenden Reaktion bei „Geraune“ , ein guter Provokateur tut so etwas nicht.

    „Herumprobieren“

    Ohne Zweifel richtig , mir ging es eher um die Verschiedenartigkeit der Versuche , aus denen dann im Idealfall die besten herausgefiltert werden .
    Gut ist , was gut ist , auf Formate oder Herangehensweisen sollte man sich nicht von vorneherein einengen .
    Neuere amerikanische Serien scheinen zum Beispiel in genau diese Richtung zu tendieren .
    Dort gibt es in der Regel so zwischen 10 bis 15 Drehbuchautoren , was zur Folge hat , daß das Niveau selten unter ein gewisses Minimum fällt , aber eben auch dazu führt , daß die Ausreißer nach oben fehlen.

Über die Autorin

Die Journalistin Helga Kleisny ist diplomierte Physikerin (TU Wien), Fallschirmspringerin und Pilotin. Nach Arbeitsorten weltweit (Wien, Taipeh, Boca Raton (FL), München, Frankfurt…) sind ihre Haupt-Lebens- und Arbeitsorte nun in Deutschland und in den USA. Sie schreibt als freie Luft- und Raumfahrtjournalistin. Ihre Begeisterung für alles Technische und die Natur, am besten in Kombination, zeigt sich in ihren Büchern und in Seminaren und Vorträgen.

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