wolkenSonntag war der perfekte Tag. Mit 24 Grad und Sonnenschein für einen Oktobersonntag in Deutschland der vermutlich letzte Wettermäßig gute Sprungtag für jeden, der einen Fallschirm in Griffweite hat.

Die Bilder sind von einem Flug von Egelsbach (Hessen) nach Freiburg (Breisgau) und zurück. Nach Steve Jobs’ Motto mit der besten Kamera gemacht – also mit der, die man dabei hat, dem iPhone. Für online verkleinert, aber im Original in Druckqualität.

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Hockenheimring mal anders – aus der Luft.

Auf dem Funk-Flugweg lagen die Flugplätze: Main-Bullau, Walldorf, Bruchsal und Freiburg. An allen wurde fleißig gesprungen. Und deshalb sehen wir uns das mal aus der Sicht eines Nicht-Absetz-Piloten an. Was heißt das, wenn der Lotse einem mitteilt: Auf Springer aufpassen, die Absetzmaschine ist am Platz X gerade gestartet. Oder: Springer in zwei Minuten.

Absetzhöhen sind für Springer üblicherweise über Grund angegeben. (Die Erde und das Geröll zwischen Meereshöhe und der tatsächlichen Landeplatzhöhe sind für den Springer nicht wirklich nützlich.) Gesprungen wird bei größeren Absetzmaschinen (Caravan, Pilatus Porter, Twin-Otter) meist aus 13000 oder im Bereich um 10000 Fuß.

kurveBei einer viersitzigen Cessna 182 oder der sechs-sitzigen Cessna 206 ist die Sprunghöhe eher 10000 oder auch viel weniger – bis zu 5000 Fuß. Bei den kleinen Flugzeugen, (meist ohne Turboprop) dauert der Steigflug auf die Absetzhöhe auch dahin schon lang genug, um die 30 Minuten, im Sommer auch gerne mehr. Nun kreist eine Maschine selten über dem Platz beim Steigen. Die Beschleunigung in engen Steilkurven wäre einerseits für die Mägen der springerisch ungeübten Tandempassagiere nicht so günstig und andererseits braucht das Steigen in Kurven mehr Energie als der Steigflug in der Geraden. Darüber hinaus versucht man, die meist eh schon lärmgenervten Nachbargemeinden nah am Platz im Steigflug so weit wie möglich zu meiden.

facDie Absetzmaschine kehrt also erst auf Absetzhöhe wieder zum Platz zurück. Aber aus welcher Richtung? Weder der freifallende Körper noch Fallschirme haben einen Antrieb, mit dem sie gegen den Wind steuern können. Daher liegt der Absetzpunkt immer (hoffentlich) Up-Wind. Also etwa bei Westwind in westlicher Richtung von der Landezone am Flugplatz.

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Freiburg. Die Springer warten gerade in einer rechtlich aufgezwungenen Mittagspause.

Einschub: Das war der Soll-Fall. Das hoffentlich bezog sich darauf, dass, auch wenn sich das Aussteigen einzelner Springergruppen verzögert, das Flugzeug nicht in der Luft stehenbleibt und so auch einige Springer schon mal hinter dem günstigen Ausstiegspunkt den Flieger verlassen. Je nach Anflugrichtung zum Platz.

Im Freifall (rund drei Kilometer Höhenverlust aus 13000 Fuß/4000 Meter) driften sie dabei natürlich weiter ab. Moderne Fallschirme haben aber eine Vorwärtsgeschwindigkeit von rund 30 Stundenkilometern* und so kann man auch bei einem Gegenwind von 10 oder 20 Stundenkilometern noch ein wenig Strecke gutmachen und wieder zurück zum Platz fliegen.

flaeche1 Egal aus welcher Höhe der Springer das Flugzeug verlässt, bei rund 3000 Fuß (1000 m) über Grund ist Schluss mit dem Spaß am Freien Fall. Ist es eine Gruppe aus mehreren Springern, so trennen sich die Springer hier spätestens von einander und aktivieren möglichst weit weg von einander ihre Hauptschirme. Und hängen dann erst am Fallschirm.

flaeche Unter 800 Meter über Grund sollte man als Pilot also nur mehr Springer am Fallschirm antreffen. Dass man die besser sieht als die Freifaller, und ihnen rechtzeitig ausweichen kann, ist ein Märchen. Zur Erinnerung: der Schwächere hat immer Vorfahrt und das ist auch bei einem Segelflieger der Fallschirmspringer.

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Es gilt also an Tagen mit Sprungbetrieb (meist an sonnigen – noch oder im Frühjahr schon – einigermaßen warmen Wochenenden) im Zweifelsfall lieber den in der Karte markierten Sprungkreis zu umfliegen. Ist für alle: das eigene Flugzeug, die Springer und die eigene Seele besser. Anstatt im Minutentakt auf die neue Info-Frequenz des nächsten Platzes zu wechseln, um den aktuellen Stand des Absetzens zu erfragen, macht es für den Überland-Flieger Sinn auf der betreffenden FIS-Frequenz* zu sein.

Hier kann man zwar den Funkverkehr zwischen Absetzmaschine und Fluglotsen nicht hören – die Absetzfreigabe wird vom IFR-Lotsen des jeweiligen Kontrollsektors erteilt und die „Springer in 2 Minuten“-Meldung erfolgt auf der Platzfrequenz – doch der FIS-Lotse sieht den Absetzflieger auf seinem Radarschirm, steht mit dem IFR-Kollegen in Verbindung und kennt den aktuellen Status der Drop-Zone. Er kann also Auskunft und Ausweichempfehlungen geben. Wenn viel los ist, dann sollte man dennoch beim FIS-ler aktiv nachfragen, bevor man quer über einen Sprungplatz fliegt. Egal in welcher Höhe.
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Abrollen nach Landung auf der Grasbahn in Egelsbach.

 

Der Luftraum ist für alle da und wenn wir ihn alle sinnvoll und mit Verständnis nutzen, dann sind alle Unternehmungen auch sicher.

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Mumins gibt es nicht nur in Finnland. Auch auf Abrissbauwerken in Freiburg.

*FIS = Fluginformationsdienst. Die jeweils örtlich korrekte Frequenz ist auf der Luftfahrtkarte ersichtlich.

*30 Stundenkilometer: Das ist eine hier zur Veranschaulichung aufgeführte Zahl. Es gibt wesentlich schnellere Schirme und auch langsamere. Generell hängt die Geschwindigkeit eines Flächenfallschirms von sehr vielen Faktoren ab: Bauart, Größe, Gewicht des Springers, Material, Luftfeuchte und anderen meteorologischen Fakten. Und zur Ergänzung: Zusätzlich zur Vorwärtsgeschwindigkeit haben wir beim Fallschirm in jedem Fall auch eine Sinkrate. Der Bereich, den ich noch erreichen kann, verringert sich also mit Annäherung an die Erde (auf den Kopf gestellter Kegel).

Alle Fotos (c) H. Kleisny


Kommentare

5 Antworten zu „Fallschirm-Wissen für Piloten“

  1. auf den Kopf gestellter Zylinder

    Ist ein Kegel(-stumpf) gemeint? Bei einem Zylinder ändert sich doch nichts, wenn man ihn auf den Kopf stellt (also umdreht).

    1. Der Lande“punkt“ ist die Kegelspitze.
      @ Usul:
      Tage später:
      Ach herrje sehe ich erst jetzt. Ich hatte tasächlich ursprünglich im Beitrag Zylinder statt Kegel geschrieben. Mea Culpa. Auf meinen Vortragsfolien für die Fluglotsen ist aber eindeutig ein Kegel dargestellt und das meinte ich auch hier! Kein Kegelstumpf.
      (Das sind so die Zeiten, wenn ich arbeitslose Blogger beneide, die 24h ganz in ihrem Geschreibsel aufgehen und darin den Sinn ihres Lebens sehen.)

  2. Bin hier zufällig reingestolpert, deswegen so spät…
    Ich bin eine Zeitlang in Grenoble mit Segelflugzeugen unterwegs gewesen. Dort gibt es in der Nähe des Flugplatzes eine perfekte Startstelle für Gleitschirme, etwa auf halber Höhe der Kante des Chartreuse-Massivs. Bei guter Thermik schaffen viele dann auch den „Sprung“ ganz nach oben und sind dann genau dort, wo die Segelflieger ihre Rennstrecke haben. Dann hilft nichts, man muß eben Slalom fliegen!

    Das Problem dabei: man ist ja etwa dreimal so schnell, kann nur zur Talseite ausweichen und muß auch noch auf andere Flugzeuge achten. Und bei dem Geschwindigkeitsunterschied ist es tatsächlich schwer, die Flugrichtung der Schirme schnell und zuverlässig zu erkennen.

    Resümee wie oben im Artikel: im Zweifelsfall noch weiter außen herum fliegen, auch wenn es schmerzt, weil man aus dem Aufwind raus muß (laut fluchen ist dabei immerhin erlaubt…).

    1. 🙂 Danke für den Beitrag. Willkommen im Flugundzeit-Blog!

      Hatte mal als Springer die Erfahrung an einem gemischten Platz in Deutschland (Motor-, Segelflieger und Fallschirmspringer), dass ein Segelflieger wohl einen Spaß darin sah, uns Springer beim Anpeilen unserer Platzrunde und Landezone direkt anzufliegen und dann kurz vorher abzudrehen.
      Das ist ungefähr so, wie wenn man im Rollstuhl sitzt, über eine Strasse geschoben wird und dann ein Auto mit Full Speed auf einen zukommt.
      Dieses ohnmächtige Gefühl, nichts tun zu können, falls der andere doch nicht rechtzeitig ausweicht.
      (Vorher nicht geplante Steilkurven in dieser Höhe resultieren gerne in ein In-den-Boden-Schrauben, was im Gut-Fall den besagten Rollstuhl zur Folge hat.)
      Kommt nicht so gut.

  3. Das ist nun wirklich krank! Und wäre eigentlich mindestens ein Fall für den Flugleiter.
    Diverse, sagen wir mal, seltsame Gestalten habe ich auch erlebt, aber die haben sich normalerweise nur selbst gefährdet. Natürlich haben sich in Grenoble auf dem Platz alle gewünscht, daß die Thermik für die Gleitschirme knapp nicht reicht ;-), aber solche Attacken waren selbstverständlich außer Diskussion. Auch bei den Jugendlichen der Nachwuchsförderung der Armee de l’Air, bei denen sonst schon gelegentlich etwas zu Bruch ging…

Über die Autorin

Die Journalistin Helga Kleisny ist diplomierte Physikerin (TU Wien), Fallschirmspringerin und Pilotin. Nach Arbeitsorten weltweit (Wien, Taipeh, Boca Raton (FL), München, Frankfurt…) sind ihre Haupt-Lebens- und Arbeitsorte nun in Deutschland und in den USA. Sie schreibt als freie Luft- und Raumfahrtjournalistin. Ihre Begeisterung für alles Technische und die Natur, am besten in Kombination, zeigt sich in ihren Büchern und in Seminaren und Vorträgen.

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