Weihnachten kommt. Bestimmt. (1) Ausstellung

Weil gerade eine Tornadowarnung durchläuft und das Wetter hier die Tage generell eher Autofahrer als Luftfahrer bevorzugt, gibt es vorausdenkend einige Tipps für Weihnachtsgeschenke. Denn jedes Jahr wieder sind viele überrascht, dass irgendwie nur noch ein Tag bleibt zum Geschenke überlegen (!) und besorgen. Hier steht mit Absicht nicht Einkäufe, weil der Tenor auf einem bionischen Geschenk liegen soll: eines, das sowohl den Schenker, als auch den oder die Empfänger glücklich machen soll – also eher ein Erlebnis als nur der Gegenwert zu einer schnell gezückten Kreditkarte.

Vorausdenkende Luftfahrer haben es leicht: Sie sehen sich bereits das Sommerhalbjahr um, auf den diversen Luftfahrtveranstaltungen, und finden da sicher etwas, das sie gerne an ihre Lieben weitergeben möchten. Für alle, denen trotzdem noch einige Anregungen fehlen, heute der erste Tipp.

Wie wäre es mit einem familiären außergewöhnlichen Tag: gemeinsam genießen, mit Anregung für den Geist, mit viel Spaß und Neuem zu entdecken?

Der konkrete Vorschlag ist eine Ausstellung in London. Da kann man hinfliegen, oder etwas länger mit dem Auto oder der Bahn fahren und schon auf der Strecke den Alltag vergessen.

Hier stehen jeweils 10 Vorschläge für sehenswerte Ausstellungen, die gerade London stattfinden. Im Blog stellen wir detaillierter daraus eine etwas ungewöhnliche vor, die bei näherem Ansehen für alle Altersgruppen etwas bietet: Suspense in der Britisch Library (mit Spannung nur sehr plump übersetzt). Und wenn die Stöckelschuhfraktion der holden Weiblichkeit gar nicht zu Neuem zu bewegen ist, findet sich die vielleicht eher in der Hochzeitskleiderausstellung des Britischen Museums wieder. Und dann wäre da noch die James Bond in Motion-Ausstellung im Britischen Filmmuseum…

The Gothic Imagination“ heißt die außergewöhnliche Ausstellung, die noch bis 20. Januar 2015 zu sehen ist. Schauplatz ist die Britisch Library, in der seit einigen Jahrzehnten viele Ausstellungsstücke vom Britisch Museum ausgelagert sind: (Musik-)Handschriften, Original Beatles Songtexte und viele Originalzeichnungen von da Vinci, Michelangelo und Dürer. Das mehrere Stockwerk hohe Gebäude ist innen offen mit bucherturm-kleinem riesigen, speziell klimatisierten Glasturm, der wohl die größeren Schätze enthält und nur von speziellem Personal betreten werden darf. Rundum sieht es in jedem Stock aus wie in einem überdimensionierten Starbucks: zahlreiche kleine Tische, an denen jeweils ein oder mehrere Personen mit Laptop und Kaffeebecher sitzen und eifrig tippen.

Zurück zu Horror und Suspense. Genauso wie man sich fürs perfekte Redenschreiben moderne Bücher zum Thema kaufen kann, aber besser einfach bei Aristoteles und anderen Griechen im Original nachliest, gibt es einen Mann, der die Basis aller spannungsgeladenen Filme, Bücher und Comics lieferte: Horrace Walpole.

Walpole war von der Gotik fasziniert. Nur war die, um 1764, als er sein Buch: The Castle of Otranto schrieb, bereits ziemlich aus der Mode gekommen. Also kaufte er sich ein altes Gemäuer (Strawberry Hill) und baute es sich mit Türmchen, Wandelgängen und anderem Schnickschnack zum Ur-Horror-Schloss um.

otrantoEgal, in welchem zeitgenössischen (Vampir-)Film, oder Comic ein Horrorschloss gezeigt wird, alle sehen aus wie Kopien von Walpot‘s Otranto. Sogar die subtile Komik in Roman Polanskis Tanz der Vampire lehnt sich optisch stark an Otranto an – der Wandelgang sieht aus wie 1:1 nachgebildet aus den Originalbeschreibungen.

Das Schloss von Otranto gilt als die Ur-Story für alle Horror-, Vampir-, Geister- und ähnlichen Geschichten. In der Ausstellung wird es in vielen Kurzfilmchen, Bildmaterial und Original Handschriften und Büchern, mit viel anschaulicher Information zur damaligen Zeitgeschichte lebendig. Das ist besser als ins Kino gehen und sich irgendwelche Produkte von Nachahmern anzusehen.

haunted
Leider ist in der gesamten Ausstellung fotografieren verboten. Dafür umfassen meine handschriftlichen Notizen 18 Seiten…

Man lernt in der Ausstellung, welchen Ursprung der Comic(film) „The Nightmare before Christmas“ hat, was Stanley Kubrick unter Spannung verstand und was er in seinem Film „Shining“ einsetzte, um brutale Spannung beim Zuseher zu erreichen. Für visuelle Menschen gibt es viele Bilder, die den Werdegang von Spannung und Horror über die Jahrhunderte illustrieren. Alle sind Originalhandschriften oder -Ausgaben. Das lässt einen, ebenso wie die Raumtemperatur und das dunkle Umfeld der Ausstellung weiter erschauern. „You will need your coat“ meinte der Mann, als ich die Jacke bei der Garderobe vor der Ausstellung abgebe. „Die meisten kommen nach der Hälfte der Ausstellung zurück und holen sich ihre Jacken wieder ab.“

(Der Mann hatte übrigens mehr als Recht. Habe mich aber durchgefroren, weil Bleiben viel spannender war, als wieder zurückzugehen.) Die gellenden Schreie von Frankensteins Braut an den zuneigungsfreudigen Boris Karloff hallen durch die gesamte Ausstellung. Der dreiminütige Filmclip dazu regt optisch allerdings eher zum Schmunzeln an. Viel Information gibt es auch zu sehen zur Autorin der Frankenstein-Romane, Mary Shelley.

Und wer Abby Sciuto in der US-Serie NCIS kennt, weiß, dass es Gothic-Elemente auch bis in unser Wohnzimmer geschafft haben. Jedes Jahr gibt es zudem in Großbritannien, in Whitby, das größte Gothic-Treffen weltweit.

Jack the Ripper brachte es zu zweifelhaftem Ruhm. Zwei seiner langen Briefe, die er mit blutroter Tinte an die Polizei schrieb, sind im Original zu sehen. Interessanterweise war die damals im Haushalt gelesene Zeitung „The Illustrated Police News“. Auch davon gibt es einige Blätter im Original, etwa mit den gezeichneten „The Ripper Murders“; dem gezeichneten Kopf des zweiten Opfers, Ann Chapman, jeweils vor und nach der Behandlung von Jack.

Drei Tage vor Ripper‘s erstem Mord (3.9.1888) fand in London die Premiere von „The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde“ statt. Der Hauptdarsteller spielte beide (Jekyll und Hyde) und deren Verwandlung wohl so gut, dass er inhaftiert wurde, weil man ihm zutraute, auch Jack the Ripper zu sein. Alles in der Ausstellung mit Originaldokumenten belegt.

Die Urfigur zu Bram Stoker‘s Dracula (The Dead Un-Dead) muss natürlich auch genau vorgestellt werden: Vlad der III. (1431 – 1476/77), Prinz der Walachei, trieb in Rumänien sein Unwesen. Dazu passend ist auch ein großer, reisefähiger Holzkasten zu sehen, der zeigt, womit man jemanden umbringen kann, der eigentlich schon tot ist.

Der Vampire Slaying Kit enthält:

  • wooden stakes
  • a mallet
  • a percussion pocket pistol
  • an iron bullet mould
  • metall and mahagony crucifix
  • a rosary
  • a book of cmmon prayers
  • bottles with holy earth
  • bottles with holy water
  • bottles with crushed garlic

 

Tja, und wenn London trotz allem zu weit und unerreichbar erscheint, lohnt es sich vielleicht, nach einer interessanten Ausstellung näher zum eigenen Wohnort zu googeln. Auch so ist sicher ein für alle Teilnehmer anregender Tagesausflug planbar. Viel Spaß beim Planen und Durchführen.

Über die Autorin

Die Journalistin Helga Kleisny ist diplomierte Physikerin (TU Wien), Fallschirmspringerin und Pilotin. Nach Arbeitsorten weltweit (Wien, Taipeh, Boca Raton (FL), München, Frankfurt…) sind ihre Haupt-Lebens- und Arbeitsorte nun in Deutschland und in den USA. Sie schreibt als freie Luft- und Raumfahrtjournalistin. Ihre Begeisterung für alles Technische und die Natur, am besten in Kombination, zeigt sich in ihren Büchern und in Seminaren und Vorträgen.

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