Rückschau zur Buchmesse 2015

Nun liegen die offiziellen Abschlusszahlen der Buchmessse vor und die Eigen-Lobpreisung des Veranstalters. Letztere ist peinlich – die Beurteilung sollte von Besuchern und Ausstellern erfolgen.

Mein Rückblick auf die Frankfurter Buchmesse 2015:

Der (aufgrund von vielen sonst leerstehenden Hallenplätzen) notwendige Umzug der ehemaligen Halle-8-Stände (US-Amerikaner; Briten, Israelis und einige mehr) in die zentralere Halle 6 ist von den betroffenen Ständen und auch von mir als Besucher als positiv anzusehen. Die Nähe zu den anderen Ausstellern, nicht mehr diese exponierte physische Extrastellung am anderen Ende des Veranstaltungsortes und der Wegfall der unsinnnigen Taschenkontrollen bei jedem Eintritt in diese einzige Halle verbinden.

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Zeruya Shalev im ARD-Interview am Freitag. Sie schafft es mit ihren langen Sätzen und ihrem sehr persönlichen Schreibstil den Leser so in den Bann zu ziehen, dass man ihre Bücher, einmal begonnen, vor dem Zu-Endelesen nicht mehr weglegen kann.
Sie wird am Samstag und Sonntag auf der Buchmesse noch auf weiteren Veranstaltungen (Der Spiegel, Lesezelt…) erzählen, wie ihr neues Buch entstand.

Von den zahlreichen Veranstaltungen mit einer der besten Literatinnen der Gegenwart, Zeruya Shalev, habe ich immerhin zwei Interviews gesehen. Das erste (siehe Bild) war eine mehr oder minder Befragung zu ihrem neuen Buch bei dem es (auch) um ein Attentat und seine Folgen geht. Shalev muss man selber lesen, am Podium erzählt, bringt das wenig. Davon abgehoben hat sich tatsächlich das Interview der Brigitte-Chefredakteurin Brigitte Huber, das sehr einfühlsam auf die persönlichen Erfahrungen der Autorin einging.

Shalev war trotz ihres politischen aktiven Einsatzes im letzen Sommer für den Frieden weder von Bodyguards begeitet, noch von deutschen Sicherheitsbeamten oder Polizei. Und alles verlief friedlich. Geht doch, auch ohne großen Bohei.

Das für Deutsche sicher schönste Zitat der außergewöhnlichen Autorin: „Zurzeit ist es in meiner Heimat Isreal wieder einmal sehr schlimm. Ich habe Angst, wenn ich einkaufen gehe oder die Kinder in die Schule bringe. Das für mich als Jüdin, als Israelin, wirklich Erstaunliche passierte nach der Landung am Frankfurter Flughafen. Ich fühlte mich endlich wieder sicher. Sicher in Deutschland.“

Noch immer stehen die Buchhändler und die Verlage im Vordergrund des Denkens der Buchmesse-Organisatoren und nicht die Autoren. Das Umdenken hier ist ein langsamer Prozess, der noch nicht bewusst erfolgt. Immerhin gibt es mittlerweile Räume für Blogger, das Food-Thema wurde aufgewertet, Poetry-Slam hatte seinen Platz und die Self-Publisher sind nun auch auf der Buchmesse recht präsent. Das soll eine Verjüngung der Buchmesse darstellen und die angestammten alten Herren in schwarzer Kleidung, die wichtig auf den Gängen stehen, verschwinden lassen.

Eine (gefühlte) Zunahme an Frauen in den verantwortlichen Positionen war erfreulich. Es fehlten noch die „Gamer“, als repräsentative Präsenz. Sowohl bei den Veranstaltern als auch bei den Kunden. Internetaffine Leser/Nutzer aka die Generation der Zehnerjahre sind die künftigen Kunden beim multifunktionalen Buch oder besser bei der multifunktionalen Umsetzung eines Inhaltes. Das Buch ist nur ein Medium – darauf hin wird es hinauslaufen. Es wird immer gedruckte Bücher geben. Alles andere ist nonsens. Die Bedeutung des gedruckten Buches als alleiniges Informations- und „Literatur“-Medium wird sich allerdings zunehmend weiter verringern. Diesem Trend versucht sich die Buchmesse durchaus, aber noch zu zaghaft, anzunähern.

Denn, die Konsequenz daraus ist, dass der Autor – besser der Content-Ersteller – und der Nutzer zur primären Zielgruppe der (ehemaligen) „Buch“-Messe mutieren, mit Serviceagenturen dazwischen. Wenige der großen Verlage (und viele der kleinen Start-Ups) haben dies bereits begriffen und sind dabei, ihre großen Verlagshäuser umzubauen in Hinblick auf eine Servicefirma für Autoren. Plattformen zum Veröffentlichen und Verkaufen von Inhalten bei denen der Content-Provider im Mittelpunkt steht; derjenige, der den Inhalt liefert für alle unterschiedlichen Medien in denen dieser dem Nutzer, dem Käufer, präsentiert wird. Er ist das Wichtige, derjenige, um den sich alles dreht.

Es hat lange gedauert, bis die Buchmesse auf den Trichter des Self-Publishing aufgesprungen ist. Als ich es vorschlug, kamen noch Kopfschütteln und Was will denn die? und das Abkanzeln meiner Vorschläge als uninteressant. Im Jahre darauf trotzdem erste, vereinzelte Stände zum Thema, zaghafte Versuche, und mittlerweile ist das Thema etabliert. So wird es auch mit meinem Abgesang auf die Vormachtstellung von Verlegern, Verlagshäuser und Buchhändlern gehen. Ist zurzeit für Buchmesse und Beteiligte komplett undenkbar (obwohl bereits im Gange und für den, der weiter denkt und sieht ) auch deutlich sichtbar.

Eneut und zusammengefasst: Das Buch ist nur eines der vielen Medien zum Konsumieren eines Inhaltes. Der Content-Provider und der Nutzer müssen die Zielgruppen der Buchmesse sein. Wie immer die dann konsequenterweise heißt. Nicht die Buchhändler, nicht die noch alt und angestammten großen übermächtigen Verlagshäuser. Und auch nicht mehr das Buch. Sondern alle Medien, die sich um den gleichen Content drehen: Film, Internet, Games, Youtube, You name it…

In diesem Sinne war es besonders schade, dass die Storydrive mit ihrem primären Bezug zum Film in diesem Jahr praktisch wegfiel.

9 Gedanken zu “Rückschau zur Buchmesse 2015

  1. „Eine (gefühlte) Zunahme an Frauen in den verantwortlichen Positionen war erfreulich.“
    Wieso? Weil Sie auch eine sind? Weil es gerade Mode ist? Nein. Natürlich nur, weil die alle ganz viel toller & besser sind in dem Job, aber ganz sicher.
    .
    „Die storydrive“ ?

    • …Gleichgewicht wäre schön oder zumindest ein Maß, das die Leserschaft repräsentiert.
      Warum sollte alles immer eine Männerdomäne sein?

      Tipp: Wenn man etwas nicht weiß oder nicht kennt, kann man auch selbständig googeln oder eine andere Suchmaschine in Gebrauch nehmen. Zumindest Frauen können das. 😉

  2. kdms Kritik ist nicht unberechtigt. Es geht nicht um Gleichmacherei, sondern um gleiche Chancen , Quotendenken führt zu Mittelmäßigkeit , vor allem dann , wenn es auf die Auswahl von Autor/innen übergreifen sollte.
    Gerade für einen Bereich wie die Lieteratur wäre das pures Gift , egal , ob im Namen von Frauen oder sonstwem .

    • Es geht nicht um Quotendenken, ich war und bin zeitlebens gegen eine Quote. Auch gegen Foren oder Vereine die speziell innerhalb einer einer Gemeinschaft wie Luftfahrt – Fliegerinnen, Pilotinnen geschaffen werden. Gute Frauen setzen sich auch gegen mittelmäßige Männer durch. Die brauchen so etwas nicht.

      Es geht darum, dass die Repräsentanz die Realität widerspiegeln soll, die Kundschaft, die Leserschaft. Und das tut sie zurzeit nicht.

  3. Ach kdm, was soll das Geschwurbel? Du weißt genau, dass, je höher die Führungsebene, umso männlicher der Schnitt ist. Selbst in „Frauenberufen“.

    Und genau das spiegelt eben nicht die Kompetenzen wider, sondern die „historisch gewachsenen“ Seilschaften.

  4. @Helga: „Gute Frauen setzen sich auch gegen mittelmäßige Männer durch. Die brauchen so etwas nicht.“

    Stimmt. Gleichberechtigung (natürlich gleiche Chancen, nicht die Killerphrase „Gleichmacherei“) ist erst dann da, wenn sich auch mittelmäßige Frauen gegen mittelmäßige Männer durchsetzen können.

    Jemand hat das mal überspitzt ausgedrückt: „Gleichberechtigung ist erst dann erreicht, wenn eine unfähige Frau einen ganz hohen Posten bekommt“.

    • wenn eine unfähige Frau einen ganz hohen Posten bekommt”.

      🙂 Das wird glücklicherweise nie der Fall sein, es bekommen ja meist nicht einmal die Fähigen die „ganz hohen Posten“.

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