Der offizielle Abschlussbericht zum Absturz von Air Asia Flug QZ8501 vor rund einem Jahr (28.12.14) liegt nun vor. Fehlerhafte Abhandlung eines unbedeutenden Computerproblems durch die Crew führte zum Absturz. Im Detail:

 

Der Ablauf laut Abschlussbericht

Während des Fluges kam es insgesamt viermal zum Ausfall beider Ruder-Travel-Limiter.
Dies ist eigentlich ein simpler Fehler, der keine größeren Probleme nach sich zieht (siehe unten).

Die ersten dreimal wurde gemäß des automatisch auf dem ECAM (Electronic Centralized Aircraft Monitor) erscheinenden Verfahrens gehandelt. Es wurden dazu nacheinander beide FACs (Flight Augmentation Computer) über ihre Einschaltknöpfe „resetted“. Dies führte jedesmal zum Erfolg und beide Ruder-Travel-Limiter waren jeweils wieder aktiv.

Beim vierten Auftreten des Fehlers wurden jedoch nicht nochmal beide FACs nacheinander per Schalter „resetted“, sondern es wurden die zugehörigen CBs (Sicherungen) gezogen. Dies ist vom Verfahren nicht vorgesehen und hat ganz andere Auswirkungen. Ein Reset per Aus- und Einschalten setzt im wesentlichen nur den Fehlerspeicher zurück. Ist der Fehler nach dem Zurücksetzen nicht mehr vorhanden, dann hat das System den Fehler „vergessen“ und alles ist gut.

Während des gesamten Vorgangs bleiben die Computer aber mit Strom versorgt und aktiv. Die Kommunikation mit der Peripherie steht sofort wieder zur Verfügung. Wenn allerdings die CBs gezogen werden, dann wird der Computer hart abgebrochen und damit ungeordnet heruntergefahren. Dabei verliert er seinen Fehlerspeicher aber eben auch noch viel mehr.

Wacht der Computer nach einem solchen Crash wieder auf, dann übernimmt er — solange das Flugzeug in der Luft ist — nicht einfach wieder seine Tätigkeit. Er muss zusätzlich über den Ein- Ausschalter zurück gesetzt werden. Dies war der Crew offensichtlich nicht klar, denn nachdem der CB für FAC1 wieder hinein gedrückt wurde, wurde der Push Button nicht betätigt. Der FAC lief zwar wieder war aber offline. Als dann der CB des FAC2 gezogen wurde, waren aus Sicht der Flight Control Logik beide FAC aus.

Da dadurch die Steuerung des Seitenruders nur noch manuell möglich ist, ist das „Normal Law“ mit all seinen Protections (fliegerischen Schutzzonen) nicht mehr möglich. Es erfolgt ein Wechsel in „Alternate Law“ und damit verbunden der Ausfall der Autopiloten und der automatischen Schubsteuerung (A/THR; Auto Thrust). Durch das abrupte unkontrollierte „Ausschalten“ des letzten FACs kam es zu einem kleinen ungewollten Ruderausschlags von 2 Grad nach links. Das Flugzeug war jetzt schlagartig im manuellen Flug und nicht mehr ausgetrimmt.

Dennoch erfolgte für 9 Sekunden kein Steuerimput. Erst als das Flugzeug 54 Grad Schräglage nach links eingenommen hatte gab es Inputs vom CM2 (Co-Pilot). Dieser rollte das Flugzeug aber nicht ausreichend nach rechts zu Wings Level zurück, sondern zog vor allem am Stick (Höhenänderung). Dadurch stieg das Flugzeug mit bis zu 11.000 Fuß pro Minute und verlor deutlich an Geschwindigkeit. Man hört während dessen den CM1 (Kapitän) rufen: „Pull down“ Eine Aussage, die in sich unstimmig ist. „Pull up“ oder „Push down“ wären stimmige Möglichkeiten. Er meinte wohl (Vermutung) „Push down“.

Frage als Einschub:
War Englisch die einzig gemeinsame Sprache zwischen dem indonesischen Kapitän und seinem französischen Copiloten? Konsequenzen?

Da zumindest einer der beiden Cicuit Breaker (CBs) nicht vom Sitz aus zu ziehen ist, war der Kapitän (Vermutung) zu diesem Zeitpunkt nicht im Sitz. Das würde erklären, warum er nur redet, aber nicht handelt. Kurze Zeit später, als sich das Flugzeug schon im Stall befindet, kommen von seiner Seite Stickinputs nach vorne (sinken). Diese bleiben jedoch ohne Wirkung, da der CM2 an seinem Stick immer noch zieht. Wenn keiner der beiden den Takeover Button am jeweiligen Stick drückt, ermittelt die Fly-By-Wire Logik das arithmetische Mittel der Inputs und gibt das an die Steuerung weiter. Da der Co mehr zog, als der Kapitän drückte, blieben die Versuche den Stall zu recovern ohne Erfolg. Das Flugzeug stürzte, ähnlich wie die Air France A330, voll gestalled mit hoher Sinkrate ins Wasser.

 

Ruder-Travel-Limiter

Um im Langsamflug mit eventuell ausgefallenem Triebwerk das Flugzeug gerade halten zu können, ist das Seitenruder sehr groß und kann weit ausgeschlagen werden. Da aber ein unabsichtlicher Vollausschlag dieses Seitenruders bei hohen Geschwindigkeiten zu problematischen Fluglagen und sogar zu strukturellen Problemen führen kann, wird der Ausschlag geschwindigkeitsabhängig vom Ruder-Travel-Limiter begrenzt. Fällt das System aus, dann ist diese Begrenzung nicht mehr vorhanden. Man muss also vorsichtig mit dem Seitenruder, welches über die Fußpedale bedient wird, umgehen. Da man das sowieso immer macht, hat der Ausfall also eigentlich keine Bedeutung.

Insgesamt war das Problem mit dem Ausfall beider Rudder-Travel-Limiter im letzten Jahr vor dem Absturz 23 mal bei diesem Flugzeug aufgetreten. Alleine 10 mal im letzten Monat mit immer kürzer werdenden Intervallen. Bei der Untersuchung wurde dann auch eine beschädigte Lötstelle gefunden, die jeweils zu einem kurzen Ausfall geführt haben kann.

Der Kapitän des Unglücksfluges hatte das Problem selbst einige Tage vorher mit diesem Flugzeug erlebt. Da der Flieger noch am Boden war, ließ er die Maintenance kommen. Diese hatte Schwierigkeiten, den Fehler durch Push Button Resets zu „beheben“. Es wurde sogar ein FAC getauscht, doch am FAC lag es ja nicht. Erst ein Ziehen und Drücken der FAC CBs brachte Abhilfe. Hier hatte der Kapitän das nachher gezeigte Verhalten wohl „gelernt“. Da sich der Flieger hier aber am Boden befand, war das Systemverhalten anders. Nach dem Drücken nahmen die FACs ihre Arbeit automatisch auf.

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Gleich eine Berichtigung einer falschen Onlinemeldung dazu:
Focus Online ( Dienstag, 01.12.2015, 14:21)

Ein Fehler in einem Bordcomputer habe die Piloten dazu veranlasst, trotz des stürmischen Wetters den Autopiloten abzuschalten.

Nein, die Autopiloten wurden nicht absichtlich ausgeschaltet. Sondern fehlerhafte Schaltungen der Crew führten unbeabsichtigt zum Ausfall von Teilen der Flugsteuerung und damit zum Ausfall der Autopiloten. Siehe oben.



Kommentare

12 Antworten zu „Air Asia Flug QZ8501: Abschlussbericht“

  1. Wie ist es möglich, dass ein Pilot mit IFR-Ausbildung nicht in der Lage ist, mit Hilfe der Instrumente einen drohenden überzogenen Flugzustand zu erkennen und zu vermeiden? Das hat er einmal gelernt! Anhand des AI und des Fahrtmessers hätte er sehen müssen, in welchem Zustand sich das Flugzeug befindet. Kann es sein, das Piloten in einer extremen Stressituation unwillkürlich und unkontrolliert am Stick ziehen? Wir wissen ja von anderen Unglücken, dass die Flugzeuge durch völlig unlogisches Hochziehen in den Stall gebracht wurden.

  2. Anna Peters

    Bin jetzt seit zwei Tagen auf der Suche nach genau diesen Infos und kann mich nur für eueren Beitrag bedanken.

  3. Drachenflieger

    @ nota.bene
    Ja, eigentlich ist das nicht zu verstehen. Ein kompetenter IFR-Pilot hätte das Flugzeug einfach weitergeflogen. Entweder bis zur Landung, oder bis der Kapitän die Computer wieder online gehabt hätte.

    Ein kompetenter IFR-Pilot muss dafür aber auch regelmäßig seine Fähigkeiten trainieren. D.h. er muss auch ab und zu mal von Hand fliegen. Auch in IMC (in den Wolken). Dafür muss die Airline die entsprechende Policy haben. Außerdem muss man sich trauen, auch in der dünnen Luft von 32.000 Fuß bei entsprechend hoher Machzahl von Hand zu fliegen.

    Die Aerodynamik ist da nämlich anders als in Bodennähe. Beim Airbus relativiert sich das allerdings, da die Flight-Control-Logik des Fly-By-Wire hier einiges glatt bügelt; auch in Alternate Law. Das muss man natürlich wissen. Ferner darf man vor dem ausgefallenen Rudder-Travel-Limiter keine Angst haben. Mit weichen Steuerinputs kann man nichts kaputt machen, wenn man sich denn traut. Zudem, wie Helga Kleisny schon geschrieben hat: Es kommt die Verwirrung dazu. Was meint der Kapitän denn nun mit „pull down“? Darf man sich bei dieser Airline dem Kommando „pull“ widersetzen, wenn es vom Kapitän kommt, auch wenn man weiß, dass es falsch ist?

    Ein gut ausgebildeter intelligenter Copilot mit den entsprechenden fachlichen, aber eben auch guten interpersonal Skills hätte das Flugzeug weiter geflogen und auch in diesem Zustand landen können. Er hätte vermutlich schon das sinnlose und nur gefährliche Ziehen der CBs verhindert bzw. zumindest in Frage gestellt. Ein gut ausgebildeter Kapitän hätte diese Situation nicht erst entstehen lassen.

  4. Das ganze riecht irgendwie ganz stark nach AF 447.

  5. Was ich nicht verstehe: Wieso muss ein Stall in so großer Höhe immer zu einer Katastrophe führen? Der Pilot hat über 10000 Hm „Zeit“, um die Maschine wieder hochzuziehen, nachdem sie über die Nase gegangen ist (sorry, so nennen wir das beim Drachenfliegen). Und: hat so ein Flugzeig überhaupt kein aufrichtendes Moment?
    Dank und Gruß

  6. Ein ganz erhebliches Problem sehe ich darin, dass das ECAM offensichtlich nicht klar angibt, in welchem Law Bereich es sich befindet. Das erscheint mir als gravierender Mangel. Man kann offenbar nur aus der vorangegangenen Bedienung des Systems schließen, welcher Law Bereich aktuell gilt. Bei dem AF Unglück im Südatlantik war es offensichtlich auch für einen erfahrenenen Piloten, der spät ins Cockpit kam, gar nicht möglich sogleich zu erkennen, welcher Law Bereich gilt. Eine deutliche und klare Anzeige wie z.B „Manual Flight Mode“ könnte Leben retten.

  7. Drachenflieger

    @ilona
    Ja, der Grund warum es zum Stall kommt ist anders, dann aber ist es das gleiche Trauerspiel…

    @oestrum
    Ein Airbus geht eben nicht über die Nase. Aufgrund seiner Flight-Control-Logic trimmt sich das Flugzeug sowohl in „Normal“ als auch in „Alternate Law“ immer selbst. Wenn man am Stick zieht, oder wenn man im Level Flug Schub heraus nimmt, dann trimmt der Flieger nach hinten. Dabei trimmt er nicht das Höhenruder, sondern, wie bei großen Flugzeugen üblich, er bewegt (verändert den Anstellwinkel) des ganzen Höhenleitwerks. Im Extremfall würde er sich sogar selbst in den Stall trimmen, wenn man einfach im Level Flug den Schub auf Leerlauf nimmt. Deshalb wurde er ja auch nur mit seiner so genannten Flight-Envelope-Protaction, die dann eingreifen soll, zugelassen. Nach Systemausfällen wie bei AF 447 oder hier durch unbedarftes CB ziehen, geht der Flieger in Alternate Law OHNE Protections.
    Wenn der Flieger dann von der Crew in den Stall geflogen wird, dann steht die Trimmung ganz hinten und hält den Flieger im Stall. Die Fahrt nimmt dabei rapide ab (54 Konten wurden hier wohl gemessen; bei einer Stalling Speed von über 150 Konten). Jetzt hat das Höhenruder kaum noch Wirkung. Nur ein Vollausschlag (Stick ganz nach vorne) und gleichzeitiges reduzieren des Schubs kann den Stall brechen.
    Ja, richtig gelesen, der Schub muss raus. In der Höhe ist ohnehin nicht genug vorhanden um den immensen induzierten Widerstand der gestallten Fläche zu überwinden. Schub ist jetzt gefährlich, da die Triebwerke unter der Fläche montiert sind und so jede Schuberhöhung die Nase nach oben drückt. Die Nase muss aber runter! Also: Schub raus! Und, wenn alles nicht hilft, dann muss man die zu hohe Nase eben durch Ruder Input nach rechts oder links durch den Horizont fallen lassen (Upset Recovery). Dafür muss man sich aber trauen, dass auch zu tun.
    Diese Art der Stall Recovery ist dann doch ganz anders als die, die man in der „Grundausbildung“ mit Cessna, Piper, Bonanza und Co gelernt hat. Muss alles gelernt, trainiert und sicher angewandt werden. Ob das in einem Null-Acht-Fünfzehn Type Rating dauerhaft rüberkommt. Scheinbar nicht!

  8. […] Der Absturz der Air Asia Maschine in Indonesien ist aufgeklärt und es lässt die Fluggesellschaft nicht gut dastehen. Zwar haben die Piloten auch Fehler gemacht, aber das Unglück begann mit einem Defekt, der wohl hätte vermieden werden können, wenn man besser gewartet hätte. Mehr bei FlugundZeit […]

  9. @Drachenflieger

    Danke für die Aufklärung!

  10. Schade, dass solche Berichte immer erst so spät kommen, wenn der Vorfalll schon lange nicht mehr im Gedächtnis ist.

    Klar geht das nicht anders. Wäre ja auch schlimm. Die Presse macht genug Schnellschüsse ins Blaue 🙄

    1. Genau. Dieser Fall zeigt wieder einmal recht gut, wie falsch alle voreiligen Verschwörungstheorien und Vermutungen von sogenannten „Experten“ waren. Vielleicht rede ich irgendwann einmal nicht mehr gegen eine Wand mit meinen Warnungen vor „Expertenmeinungen“ von Menschen, deren Expertise in der Luftfahrt sich darin erschöpft, dass sie beim Fliegen gerne einen Fensterplatz haben. Aber die der Öffentlichkeit fünf Minuten nach dem Aufprall ihre Meinung im TV, Netz oder Print kundgegeben müssen…

      Man muss halt immer die offizielle Unfall-Auswertung abwarten, bevor man Schlüsse zieht.

  11. Das erklär mal den Medien 🙄

    Aber Du bist ja taff… 🙂

Über die Autorin

Die Journalistin Helga Kleisny ist diplomierte Physikerin (TU Wien), Fallschirmspringerin und Pilotin. Nach Arbeitsorten weltweit (Wien, Taipeh, Boca Raton (FL), München, Frankfurt…) sind ihre Haupt-Lebens- und Arbeitsorte nun in Deutschland und in den USA. Sie schreibt als freie Luft- und Raumfahrtjournalistin. Ihre Begeisterung für alles Technische und die Natur, am besten in Kombination, zeigt sich in ihren Büchern und in Seminaren und Vorträgen.

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