Drogentests bei Berufspiloten

Genauso, wie viele Maßnahmen gegen den Terror schlicht und einfach als Maßnahmen, um Terror zu verhindern Unsinn sind, aber weiter damit standfest begründet werden, ist die Forderung, dass folgend aus dem Germanwings-Absturz nun Random-Drogentests für Verkehrspiloten notwendig sind, kompletter Blödsinn. Besagter Pilot hatte seine ihm verschriebenen Medikamente eben NICHT genommen.

Hätte dieser Pilot seine Medikamente eingenommen, wäre es (vielleicht) nicht oder zumindest weniger wahrscheinlich zu diesem fatalen Ausgang gekommen. Korrekt ist diese Vermutung auch nicht, laut einem Gespräch mit Fliegerarzt Dr. Karsten Kempf am Rande des Deutschen Verkehrspilotentages letzte Woche in Frankfurt. Laut Kempf dauert es im Schnitt sechs Monate, um einen Menschen bei einer depressiven Erkrankung mit Medikamenten „einzustellen“.

Alle Medikamente haben Nebenwirkungen, die gegen Depressionen sogar ganz gewaltige. Nach Versuch und Irrtum muss daher diejenige Kombination gefunden werden, die bei einem bestimmten Piloten die fürs Fliegen am wenigsten relevanten Nebenwirkungen ergibt. Halluzinationen, wie sie der Germanwings-Pilot hatte mit seinen Augenproblemen sind Teil der Nebenwirkungen der Medikation, wie sie ihm verschrieben wurden.

Ein halbes Jahr ist eine lange Bodenzeit für einen Berufspiloten, für ihn selbst und für die Firma. Aber wenn die Alternative, gar nicht mehr fliegen ist, wäre sie einen Versuch wert. Gibt es für einen bestimmten Menschen keine Lösung ohne Flugrelevante Nebenwirkungen, dann muss er eben bis auf weiteres am Boden bleiben. Aber während der Ausprobierphase fliegen zu gehen, ist für alle Beteiligten gefährlich.

pilotenrateZufalldrogentests helfen bei so etwas jedoch nicht. Es geht hier nicht darum, dass bei einem begründeten Verdacht auf Alkohol oder anderen Drogenkonsum einer Flightcrew, diese Person aus dem Umlauf herausgezogen wird – diese Häufigkeit allerdings liegt nach der Statistik weltweit deutlich unter dem Schnitt anderer Berufgruppen in der Industrie – sondern dass ein Tester sagen kann: Heute passt es mir, egal wer fliegt, ich lasse jetzt mal die Crew, den Kapitän oder Co oder beide, die heute nach London/ Madrid/ New York… fliegen sollten, zur Blutabnahme antreten.

Soll die Blutabnahme im Cockpit erfolgen? Geht weder rechtlich noch praktisch. Also im nächsten Krankenhaus. Wer fliegt dann die Maschine? Die Passagiere freuen sich sicher über Verspätungen und Flugausfälle und die Airlines über den weiteren Vorhalt und Einsatz von Standby-Crews.

Rein rechtlich ist eine Blutuntersuchung ohne Anlass eine Körperverletzung. Eine ganze Berufsgruppe unter Generalverdacht zu stellen, ohne wissenschaftliche Begründung, eine Berufsgruppe,die nie dadurch auffällig wurde, während der Einsatzzeit Drogen zu konsumieren, erhöht nur Kosten, den Unmut der Passagiere und bringt keinerlei Sicherheitsgewinn.

Ein weiterer willkürlicher Akt, der die Dummen, die nicht mitdenken, beruhigen soll.

 

—————————————

Dr. Kempf war als Fliegerarzt und Verkehrspilot (A320) Mitglied der nationalen Task Force zur Germanwings-Katastrophe.

 

5 Gedanken zu “Drogentests bei Berufspiloten

  1. „Eine ganze (Berufs)gruppe unter Generalverdacht zu stellen, ohne wissenschaftliche Begründung, eine Berufsgruppe,die nie dadurch auffällig wurde, …bringt keinerlei Sicherheitsgewinn.“
    Ich wünschte, daß würde mal jemand Schäuble und Co in Bezug auf die Überwachung der Bundesbürger sagen. Da werden ja auch mal eben 80 Mio als Terrorverdächtige behandelt.

  2. Eine ganze (Berufs)gruppe unter Generalverdacht zu stellen, ohne wissenschaftliche Begründung, eine Berufsgruppe,die nie dadurch auffällig wurde, …bringt keinerlei Sicherheitsgewinn.
    Willkommen bei meinem Berufsbild aus Sicht der Kranken Kassen und der Politiker. Denn wie jeder weiß, verdienen sich Apotheker eine goldene Nase, und dabei betrügen und lügen und besch…önen sie, was das Zeug hält und die Tageskasse hergibt.

    Huch, wo sind nur die Ironie-Tags?

    Schön wär doch da so eine Art Null-Retax für Airlines: Wenn der Fluggast bis zu ein Jahr nach dem Flug meint, er sei falsch behandelt worden oder einer/mehrere der Flugzeugcrew hätte(n) einen Fehler gemacht, darf er einfach die gesamten Flugkosten auf sein Konto zurückbuchen. Sollte sich die Airline zu unrecht bestraft fühlen, kann sie Einspruch erheben und sich bis zum Bundesverfassungsgericht durchklagen, welches dann erklärt, dieser Nullretax seitens des Kunden wäre eine „erzieherische Maßnahme“ und seitens der Airline einfach durch kundenzufriedenstellende(re) Leistung zu umgehen… Komisch, immer wenn ich das bei einer anderen Berufsgruppe als bei meiner eigenen vorschlage scheint das Ergebnis sehr absurd zu sein…

  3. @gedankenknick

    Wo und wie kann ich das zurückbuchen? Von dieser Möglichkeit habe ich noch nie gehört. Wenn es schon Probleme macht, bei einer Stornierung wenigstens die Flughafen- und Sicherheitsgebühren zurück zu erhalten, dann scheint das die ideale Lösung zu sein.
    Also, wie soll das funktionieren

  4. @Andreas:
    Bei deutschen Apotheken und den gesetzlichen Krankenversicherungen funktioniert das so, dass die Kasse (je nach Vertrag) 1 bis 1,5 Jahre Zeit hat, ein beliefertes Rezept auf „Korrektheit“ zu prüfen. Fällt der Kasse dann ein Fehler auf – und hier sind auch „Formfehler“ wie eine falsche Dosierungsanweisung oder der fehlende voll ausgeschriebene Vorname des ausstellenden Arztes für mache Kassen ausreichend – dann nimmt sich die Kasse das Recht, die Kosten für das Medikament KOMPLETT zurückzubuchen. Also Einkaufspreis, Apothekenverdienst UND bereits an den Staat angeführte MwSt. Das ganze nennt sich „Nullretax“. Normalerweise hat die Apotheke keine Chance, sich dagegen zu wehren, weil Klagen gegen diese Praxis von Sozialgerichten verhandelt werden, deren Richter – erstaunlicher Weise – vom „Spitzenverband der GKV“ (also der Lobbygemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherungen) handverlesen auf die Posten geetzt werden.

    Und ich als Apotheker frage mich immer, wie die Welt wohl wäre, wenn dieses Prinzip überall angewandt werden dürfte…

  5. …und das wo diese Piloten bis teilweise herunter zum „Segelfliegerterroristen“ doch sowieso schon alle auf Ihre Zuverlässigkeit hin „sicherheitsüberprüft“ wurden, damit sich ja keine Terroristen drunter schmuggeln.

    Jetzt muß man halt konsequenterweise auch noch alle überprüfen, ob sie nicht Drogen nehmen, psychlologisch nicht ganz dicht sind oder sonstwie seltsam.

    Hmm, warum ist eigentlich noch nie jemand auf die Idee gekommen, das alles bei POLITIKERN zu prüfen – die tragen doch noch viel mehr Verantwortung!!!

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.