Center Bremen (c) DFS

Aktives Zuhören ist schon für die meisten Menschen schwierig. Selbst Siri oder Alexa brauchen einen namentlichen Aufruf, um der Menschen Kommandos zu lauschen. Computer-Assistenzsysteme für Lotsen tun dies bisher gar nicht.

Praktisch wäre es allerdings, wenn am Lotsenbildschirm automatisch die Flugroute so geändert wird, wie sie der Lotse dem Piloten per Funk gewährt. Aus Wettergründen, durch Notfälle oder andere Widrigkeiten sind Abweichungen von der im Voraus geplanten Route für einen Flug an der Tagesordnung.

AcListant (Video) ist ein Forschungsprojekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), gemeinsam mit der Flugsicherung DFS und Linguisten der Universität des Saarlandes. Von den Entscheidungen der Lotsen hängen Menschenleben ab, die psychische Belastung ist wie die der Piloten enorm. Die Flugsicherung ist dafür verantwortlich, dass sich Flugzeuge weder in der Luft noch auf Rollwegen und Pisten zu nahe kommen. Dabei ist das wichtigste Hilfsmittel das Radar: Es ortet die Positionen der Flugzeuge und misst ihre Abstände zueinander. Das „Assistenzsystem zur Planung“ schlägt dem Fluglotsen eine optimale Reihenfolge der Flugzeuge für den jeweiligen Luftraum vor. Dieser Vorschlag basiert auf den Radardaten, über Sprechfunk setzt der Lotse dann die Staffelung mit den einzelnen Piloten um.

Planabweichungen wie Änderungen der Landereihenfolge werden zwischen Lotsen und Piloten über einen Sprachkanal ausgetauscht. Das elektronische System erfährt davon erst durch Änderung der Flugbahn der Flugzeuge aus den Radardaten (blaue Pfeile in Abbildung) mit bis zu 30 Sekunden Verzögerung. Dadurch kann die Planung des Assistenzsystems erst verspätet nachgefahren werden. Das AcListant-System soll diesen Nachteil beheben, indem es die Kommunikation zwischen Lotsen und Pilot analysiert und als zusätzliche Informationsquelle berücksichtigt (roter Pfeil in Abbildung). (c) DLR

Vom schnellen, abgehackten Dialog zwischen Lotsen und Pilot war ein Assistenzsystem wie etwa der Arrival Manager (AMAN) bisher ausgeschlossen. Das verminderte die Qualität der maschinellen Vorschläge, was sich besonders in Gefahrensituationen als brisant erwies. Eine für den Lotsen sinnvolle Assistenzfunktion sollte wie bei Menschen allein durch Erkennen der Absicht Lösungsvorschläge für weitere Aufgaben anbieten, und auch Warnungen hinsichtlich negativer Wirkungen geben.

3,5 bis 11,3 Sekunden dauert im Durchschnitt ein Funkkontakt, während Fluglotsen dem Piloten zuhören, den Radarschirm überprüfen und neue Anweisungen geben. Heutigen Assistenzsystemen fehlt die Fähigkeit, verbale Anweisungen zu verstehen und zu verarbeiten.

Manchmal ist es notwendig, dass ein Fluglotse Anweisungen erteilt, die von den Vorschlägen des Lotsenassistenzsystems abweichen. Nach einer solchen Anweisung benötigen heutige Assistenzsysteme ohne Spracherkenner etwa 30 Sekunden, bis sie die Absicht des Lotsen sicher registriert haben. In dieser Zeit bieten sie keine verlässliche Unterstützung. Um diese Situation zu verbessern, ist eine Spracherkennung mit hoher Zuverlässigkeit notwendig. „Wir wollen diese Zuverlässigkeit erreichen, indem wir unser Lotsenassistenzsystem nicht einfach nur um einen Spracherkenner ergänzen. Zusätzlich soll der Spracherkenner vom Assistenzsystem verbessert werden: Das weiß zwar nicht genau, wie der Lotse als nächstes reagieren wird, aber es kann dem Spracherkenner die in der aktuellen Verkehrssituation möglichen Anweisungen liefern. Das Besondere von AcListant ist somit, dass sich Assistenzsystem und Spracherkenner gegenseitig verbessern“, erklärt Prof. Hartmut Helmke vom DLR Institut für Flugführung in Braunschweig.

Die Forscher muten den Lotsen nicht zu, die gesprochenen Kommandos per Tastatur oder Computermaus nachzutragen, sondern setzen auf automatische Spracherkennung. Diese allein hilft jedoch auch nicht. Zusätzlich macht das System eine Art Realitätscheck, indem es auch die Radardaten miteinbezieht.

Wie geht es weiter?

AcListant hatte zum Ziel, die Leistung von Anflugmanagementsystemen (AMAN) durch den Einsatz von Assistant Based Speech Recognition (ABSR) zu verbessern. Von ABSR erhoffen sich die Beteiligten aber auch ein künftiges, zusätzliches Eingabegerät, das Maus- und Tastatureingaben bei Lotsen ersetzen könnte.

Im Mai 2015 wurde daher das Nachfolgeprojekt AcListant-Strips gestartet. Papierflugstreifen werden von Flugsicherungen auch in der Anflugkontrolle zunehmende durch elektronischen Lösungen ersetzt. Dies kann jedoch die Arbeitsbelastung des Lotsen erhöhen, wenn er die neuen elektronischen Flugstreifen und Radar-Labels per Maus und Tastatur nachführen muss. AcListant-Strips beschreibt ein Konzept, das mit ABSR den Eingabeaufwand des Lotsen bei elektronischen Flugstreifen minieren soll.


Der Prototyp von AcListant ist auf der Computermesse Cebit in Hannover (20. – 24. März) zu besichtigen (Halle 6, Stand E28).


Kommentare

3 Antworten zu „Von Fluglotsen und intelligenten Computern“

  1. Hartmut Helmke

    Sie sprechen in dem Artikel ja auch AcListant®-Strips an. AcListant® war ganz nett. Wir haben damit gezeigt, dass wir bzgl. Erkennungsraten sehr, sehr weit vorne sind, aber die richtigen Entscheider in der Flugsicherung hat das nicht wirklich „vom Hocker gerissen“.

    Mit dem Nachfolgeprojekt AcListant®-Strips konnten wir allerdings zeigen, dass wir für den Flughafen Düsseldorf während unserer Validierungskampagne durch Einsatz von Spracherkennung
    · die Anzahl der Flugbewegungen um 1-2 pro Stunde erhöhen konnten,
    · dass die Lotsenarbeitsbelastung zur Eingabe der Führungsanweisungen um den Faktor 3 sinkt,
    · dass pro Flugzeug (!) 50-65 Liter Kerosin eingespart werden und
    · dass damit 130 kg CO2 pro Flug eingespart werden.

    1. die richtigen Entscheider in der Flugsicherung hat das nicht wirklich „vom Hocker gerissen“.

      😉 Das hätte mich auch stark gewundert. Es gibt sehr viele Projekte in der Luftfahrt für künftige Technologien mit Vorteilen wie Einsparung von 1 Minute beim Anflug, oder andere Spritsparende Tendenzen für einige Liter pro Flug, die in der Realität des täglichen Luftverkehrs (mehrere Tonnen Sprit pro Flug) – und damit von den real Beteiligten – als wenig sinnvoll angesehen werden.
      Trotzdem begrüße ich zukunftsweisende Forschung* – Stillstand ist Rückschritt – und so habe ich den Beitrag aufgenommen. Entgegen meiner persönlichen Einschätzung dieses Projektes.
      *Ob wir es nun wollen oder nicht, die verbale Steuerung von Computerprogrammen und Objekten in unserem Alltag wird kommen. Und das leider eher früher als später.

  2. Es ist die alte Geschichte. Und die alte Frage – wer hat mehr zu sagen? Der Controller oder das System? Meine Meinung: Der Controller muss der entscheidende Fakor in dem System sein. Das heißt – er muss die Freiheit haben, von der Planung des Systems abweichen zu können. Wenn das nicht mehr möglich ist, dann entscheidet irgend ein Algorithmus, dessen Logik dem Controller nicht bekannt ist. Das System muss in der Lage sein, sich der geänderten Lage anpassen zu können. Wie es das macht, ist dem Controller eigentlich gleichgültig. Wichtig ist dabei, dass es zuverlässig arbeitet und sich für den Controller keine zusätzlichen Aufgaben enstehen. Denn sonst wird der Controller zum Erfüllingsgehilfen des Systems. Früher nannte man dies „the controller must stay in the loop“. Man kann es auch so sagen – aclistant ist ein Assistenzsystem und muss sich in der Praxis bewähren. Und es müssen sich für die Controller auch bestimmte Vorteile ergeben. Bis dahin ist das System eine nette Spielweise für die Entwicklungsingenieure (der Friedhof der Flugsicherungsinnovationen wid auch immer voller).

Über die Autorin

Die Journalistin Helga Kleisny ist diplomierte Physikerin (TU Wien), Fallschirmspringerin und Pilotin. Nach Arbeitsorten weltweit (Wien, Taipeh, Boca Raton (FL), München, Frankfurt…) sind ihre Haupt-Lebens- und Arbeitsorte nun in Deutschland und in den USA. Sie schreibt als freie Luft- und Raumfahrtjournalistin. Ihre Begeisterung für alles Technische und die Natur, am besten in Kombination, zeigt sich in ihren Büchern und in Seminaren und Vorträgen.

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