Luftfahrt, Psychologie und Kunst

Terminal in München, aufgenommen von einem startenden Flugzeug. Aus dem Fotozyklus „Sein ist wahrnehmen“. Dieser besteht aus originalen und bearbeiteten digitalen Fotografien. Hier als Acrylbild. (c) Kemmler

Kunstateliers haben so ihr eigenes Ambiente: Meist riecht es nach Farbe und unaufgeräumt stehen Bilder, eventuell Skulpturen und noch unfertige Werke aus Sicht des Besuchers planlos im Raum. Dieses Atelier ist anders: komplett aufgeräumt, alles hat seine Ordnung und seinen Platz und die Sitzecke am Fenster mit Topfpflanzen mutet eher wie eine psychologische Beratungsecke an. Ist sie auch, denn der Eigentümer Reiner Kemmler ist nicht „nur“ Künstler, sondern seit Jahrzehnten auch der Luftfahrtpsychologe des Landes.

Das dämonische Gesicht ist eine Farbumkehr eines Fahrwerkteils. (c) Kemmler

Spiegel, Stern und andere führende Magazine suchen nach größeren Flugunfällen gerne bei Reiner Kemmler nach einer Erklärung für die Umstände, die zum Unglück führten. Denn: Nicht die Technik alleine ist bei modernen Unfällen die Ursache, sondern meist die Kommunikation der verantwortlichen Menschen, oder das nicht perfekte Mensch-Maschine Verständnis, so Kemmler.

Wahrnehmung und Kommunikation sind die Hauptthemen im beruflichen Leben des Verhaltenspsychologen. Da hätte sicher jeder von uns noch das Potential an Verbesserung, bei manchen Berufsgruppen aber ist die Optimierung hier Teil des Erfolges oder sogar lebenswichtig.

Gleiche Technik der Farbumkehr: aus schwarz wird weiß und umgekehrt – hier ist das Fahrwerk noch präsenter (c) Kemmler

Dazu zählen Hochleistungssportler und (Berufs-)Piloten. Beide hat Kemmler über die Jahre intensiv mit seinem Fachwissen gefördert. Die Bandbreite ist beachtlich: Psychologisches Coaching von Hochleistungssportlern und Sportverbänden wie der Deutschen Ski-Nationalmannschaft 1970- 1972 (Teilnahme an Olympischen Spielen 1972 in Sapporo/ Japan ; BMW Motorsport GmbH (Rennfahrer-Team Formel 1 und 2, Tourenwagen und Rallyesport); Deutsche Segelflug-Nationalmannschaft, Deutsche Segel-Kunstflug – sowie Ballonflug-Nationalmannschaft, Angehörige diverser anderer Nationalmannschaften aus den Bereichen  Leichtathletik, Bobfahren, Speedway, Schiessen, Schwimmen, Eiskunstlauf, Wettkampfgymnastik, Kanufahren, Tennis-Profi-Tanzsport.

Sieht aus wie eine Schultafel. Ist aber eine Leinwand, gekonnt bemalt. Alle Zeichnungen und Skizzen behandeln Aspekte der Flugsicherheit. (c) Kemmler
Diese Skulptur besteht aus einem kleinen Fundstück geschmolzenen Aluminiums der verunglückten Concorde bei Paris, nachträglich vercromt. (c) Kemmler

In der Luftfahrt, um nur einiges zu nennen, hat Kemmlers Arbeitseinsatz ähnlich gravierende Wirkungen hinterlassen: Diagnostik, Training, Coaching und Therapie mit Flugschülern und Linienpiloten; Entwicklung von Human Factor Training;  mehrere Forschungsprojekte zur Flugsicherheit und Organisationsentwicklung (Sicherheitskultur), Mitbegründer von psychosozialen Einrichtungen wie Selbsthilfegruppen:  AntiSkid-Vertrauensteam; Critical Incident Stress Management Team/CISM; Special Assistance Team/SAT;  Krisenberater von Airlines, Mitglied der Joint Aviation Authority (JAA) Human Factor Steering und Dozent für Human Factors.

Mehr als nur Modelle sind der Alphajet und der Starfighter für den Psychologen-Künstler. Als Reserveoffizier der Luftwaffe flog er in einigen Trainern und Kampfflugzeugen mit, Überlebenstraining, Notausttiegsprozeduren und ähnliches war Voraussetzung dabei. Selber fliegerisch ist Kemmler mit Hängegleitern friedlicher unterwegs.

Seine Zeichnungen und Fotografien verbindet ein wesentliches Moment: Sie sind spontaner Ausdruck von Gefühlen und bedürfen nach Aussage des Künstlers keiner weiteren intellektuellen Erklärung.

In den letzten Jahren entwickelte er aus seinen Erfahrungen und Forschungen heraus das Mental Engineering. Fallschirmspringer können sich da sofort wiederfinden: unser Dirt Diving (das mentale Vorstellen des Ablaufes mit oder ohne Körperbeteiligung) ist somit nicht nur in der Praxis, sondern auch wissenschaftlich fundiert.

Das Trainieren der Mentalen Kompetenz nach Kemmler basiert auf einer nachhaltigen Belastungsreduktion sowie gezieltem Vorstellungstraining von komplexen operativen Handlungen. Es soll Menschen in Berufen helfen, in denen komplexe Anforderungen unter hoher Belastung und erhöhtem Sicherheitsrisiko bestehen.

Auf der Jahrestagung 2016 des Forschungsnetzwerkes für Verkehrspiloten stiftete Reiner Kemmler eines seiner Objekte als Preis.

 


Alle Kunstobjekte (c) R. Kemmler