Wenn Wetterfrösche aus der Praxis berichten…

Vom Hoch ins Tief gehts schief* als Eselsbrücke zum Umwelteinfluss auf die Sicherheit des Fliegens ist dem Piloten (hoffentlich) stets geläufig.

Eine andere, nicht ganz so Pilotenspezifische wäre: „Bei Frauen und Cirren, da kann man sich irren.“

Ähnlich locker ging es auch gestern Abend bei einer spannenden Gegenüberstellung von zwei sehr unterschiedlichen menschlichen Wetterfröschen im Frankfurter Presseclub zu: der unkomplizierten Doktorin (Katja Horneffer) versus dem ebenso überzeugenden Wetter-„Lesch“ (Thomas Ranft).

Katja Horneffer ist promovierte Meteorologin und weiht als solche den Zuseher in Wettersendungen des ZDF (von Mittagsmagazin, heute und heute-journal) in ihre Analysen für zukünftigen Sonnenschein, Schnee oder Regen ein.

Gewissenhaft studiert sie bereits am Morgen die Ergebnisse von unterschiedlichen rechnergestützten Vorhersagemodellen. Aus dem Zustand der Atmosphäre zu einem gegebenen Anfangszeitpunkt berechnen die Modelle dabei durch die numerische Lösung von komplexen Gleichungen (Navier-Stokes-Gleichungen, thermische Zustandsgleichung idealer Gase, Erster Hauptsatz der Thermodynamik, Kontinuitätsgleichung) die Wetterfaktoren (Temperatur, Wind…) zu späteren Zeiten.

Moderatorin Michaela Schmehl (ebenfalls ZDF) mit Katja Horneffer.

Horneffer wägt nun mit ihrer Erfahrung die Ergebnisse gegeneinander ab und versucht die für Laien recht unverständlichen Bilder in eine allgemeinverständliche Form zu bringen. Nur 1:10 (eine Minute und zehn Sekunden) bleibt nach dem heute-journal für die Präsentation und „nur 12 Zeichen stehen für ganz Deutschland zur Verfügung“, wie sie bedauert.

Die Sonnenscheindauer des gestrigen Tages zu ermitteln ist einfach; alle Statements, die über das gerade jetzt hinaus gehen, kann man nur vorhersagen und dazu braucht es umfangreiche Rechner mit noch umfangreicheren Programmen und Datenquellen. Letztere sind das Problem dabei: Es gibt einfach nicht genug und nicht genug genaue Datensensoren in allen Höhen und an allen Stellen, um den Ist-Zustand zu messen.

Schon die Ausgangssituation beinhaltet also einen relativ großen Fehler. Und erst recht die Schätzung für den dritten Tag danach.

Fraktal im Hintergrund: Kaleidoskopartig verändern sich die Farben und Formen auf dem Zifferblatt der iWatch.

Kleinere Ablösungen vom Boden können große Auswirkungen haben und zu einem komplett anderen Ergebnis führen, als das Datenmodell ausspuckt, weil es eben diese eine Anfangstatsache als unwesentlich eingestuft und so vernachlässigt hatte.

Das Wetter ist im physikalischen Sinn ein chaotisches System und kann als solches nicht deterministisch vorhergesagt werden. Auch Turbulenzen, Verkehrsstaus, neuronale Netze und damit menschliches Verhalten sind physikalisch gesehen chaotisch. Mathematisch gesehen zählen die sich optisch wandelnden Fraktale dazu.

Wetterfrosch Thomas Ranft (blaues Hemd) vom Hessischen Rundfunk bringt Unterstützung in seinen unterhaltsamen Erklär-Talk mit: bei ihm läuft keine Sendung ohne Fridolin (vorne, in grün).

Ranft ist Moderator der werktäglichen 15-minütigen Sendung „alle wetter!“ (hr-fernsehen), für die er 2008 mit dem Medienpreis Meteorologie für die beste Wettersendung im deutschsprachigen Fernsehen ausgezeichnet wurde. Seit 2006 moderiert er auch das wöchentliche Wissensmagazin Alles Wissen beim hr.

Ranft’s Stärke liegt darin, mit den Wissenschaftlern so zu kommunizieren, dass er von ihnen die richtigen und wichtigen Fakten erhält, diese aber dann – wie auch Horneffer  – möglichst publikumswirksam an den Zuseher bringt. Bei seiner 15-minütigen Wettersendung bleibt durchaus Zeit, den Einfluss auf die diesjährige Weinernte (weltweit) oder auf andere praktische Dinge aus dem täglichen Leben zu schildern.

Seine Sendung beginnt er stets auf dem Dach, also im Freien, bei Wind und Wetter, und manchmal auch erst nach einer siegreichen Diskussion mit dem Kameramann, der das bei strömendem Regen und peitschendem Wind nicht ganz so sinnvoll findet wie Ranft. Mit dabei ist stets Fridolin, der grüne Wetterfosch. Seit dem Umzug 2013 des hr vom Maintower (53. Stock mit traumhafter Aussicht) ins virtuelle Studio („Grüne Hölle“) in der Mainzer Straße muss Fridolin digitalisiert eingeblendet werden. Grün auf grün auf grün…

Hierzulande sehen Piloten das Fernseh-Wetter nicht als sinnvollen Teil ihres fliegerisch ambitionierten Lebens. Schade. Denn in den USA erwartet der persönliche Wetterberater am Telefon durchaus, dass man regelmässig den Weather Channel verfolgt und auch über die Großwetterlage im Bilde ist – obwohl es hier wie drüben gesetzlich vorgeschrieben ist, dass man sich vor dem Flug mit allen zur Verfügung stehenden „amtlichen“ Wetterprognosen vertraut gemacht hat.

Denn trotz allem Wetter-Chaos – wenn sich etwa eine mächtige Front seit Stunden kontinuierlich in Richtung Fluggebiet heranwälzt, sagt das mehr aus als ein statischer Metar oder Gafor.

Was mir gestern wieder so richtig bewusst wurde: Auch die kryptischen, komplett Anwender-unfreundlichen gesetzlich vorgeschriebenen Wettermeldungen sind nichts mehr als Prognosen.

Erechnet mit unterschiedlichen Ausgangsdaten und Datenmodellen.
Vorhersagen, Wünsche, Vorahnungen – wie auch immer.

 


* das spielt darauf an, dass die reale Höhe gegenüber der Anzeige am Instrument sinkt, wenn man aus einem Gebiet mit höherem Luftdruck Richtung Schlechtwetter fliegt. (Was generell beim Fliegen die Nackenhaare aufstellen lassen sollte). Glaubt man wesentlich höher zu sein/ zu fliegen als man tatsächlich ist, dann wachsen Hindernisse wie Berge oder Masten auf einmal ganz plötzlich aus dem Nichts und werden zu tödlichen Gegnern.

Und wer jetzt meint, dass sei für uns, für die „hochausgebildete Piloten-Klientel“ zu einfach dargestellt – es gab bereits zu viele Unfälle und Tote aus genau diesem Grund. Kann also nicht einfach genug sein.

 


Kommentare

3 Antworten zu „Wenn Wetterfrösche aus der Praxis berichten…“

  1. Cool. 👍 Bei diesen Reglementierungen durch die Fernsehsender ist es eigentlich nicht verwunderlich, dass der Wetterbericht eher „wechselhaft“ in der Qualität ist. Für uns Paragleiter fast unbrauchbar.

    1. Gilt für Fallschirmspringer und Sichtflugpiloten ähnlich. Man ist zumindest als letzterer rechtlich gezwungen, sich die amtlichen Wettervorhersagen (alle verfügbaren!) vor dem Flug reinzuziehen, aber ein Wolkenuntergrenzenfehler von 1000 Fuß (300 Meter) kann den Unterschied machen zwischen der Entscheidung IFR- oder VFR-Flug. Mit allen Konsequenzen.

      Als Fallschirmspringer, so man nicht eh am Flugplatz (oder in der Nähe) übernachtet, ist es daher hilfreich, bei nebulösen Wetterprognosen am Turm oder den Sprungleiter direkt anzurufen. Bevor man sich auf die 200 Kilometerfahrt begibt.
      Das, sehe ich ein, ist bei Paragleitern, die von einsamen Bergkuppen starten, noch schwieriger. 🙂

      Aber was man in dieser Kategorie der Luftfahrer (die nicht die relevanten Unterlagen von einer Abteilung der Firma bequem ins Cockpit gebracht bekommt) lernt, ist, tatsächlich alle verfügbaren Wetterbeobachtungen miteinzubeziehen für die letztendlich eigene Diagnose. Und dazu zählen auch PIREPS (Pilot Reports) von anderen Piloten per Funk oder von Piloten, die gerade gelandet sind und vielleicht glücklicherweise aus der Richtung kommen, in die man selbst unterwegs ist.

      Und, aus meiner jahrelangen Erfahrung: Wetter ist zwar chaotisch (Physiker), aber wenn man Fronten und Systeme Länderübergreifend kontinuierlich beobachtet, dann bekommt man nicht nur Erfahrung in der Beurteilung von Wetterlagen (mehr als sie jeder Großrechner jemals zur Verfügung hat), sondern kann auch die Wettercharts selber auswerten und kommt so zumeist zu einer realeren Einschätzung als die Großrechner der amtlichen Wetterdienste. Die man, um legal zu bleiben, natürlich trotzdem hinzuziehen muss…

      Guten und sicheren Flug! Für alle Unternehmungen in 2018!

      1. Danke.

        Die rechtlichen Rahmenbedingungen der VFR gelten für Gleitschirmflieger gleichermaßen. Und die Meteorologie und Wetterkenntnis zusammen mit Beobachtungen aus der Natur machen einen Großteil des Erfolgs für’s Streckenfliegen mit dem Gleitschirm aus. Wir beobachten sehr viel. Kreisende Vögel, Schneegrenzen im Gelände, oder sogar kuriosere Sachen wie plötzlichen Duft von Heu oder Gülle, oder Blütenstaub in der aufsteigenden Luft.

        PIREPS ist für mich ein neuer Begriff. Diese Idee sollten wir übernehmen. Finde sehr interessant.

        Dir auch einen guten Rutsch! Und alles Gute in 2018!

Über die Autorin

Die Journalistin Helga Kleisny ist diplomierte Physikerin (TU Wien), Fallschirmspringerin und Pilotin. Nach Arbeitsorten weltweit (Wien, Taipeh, Boca Raton (FL), München, Frankfurt…) sind ihre Haupt-Lebens- und Arbeitsorte nun in Deutschland und in den USA. Sie schreibt als freie Luft- und Raumfahrtjournalistin. Ihre Begeisterung für alles Technische und die Natur, am besten in Kombination, zeigt sich in ihren Büchern und in Seminaren und Vorträgen.

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