Fliegen und das Glück

Glücksklee
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Als ich mich mit 18 dazu entschied, Technische Physik zu studieren, dachte ich, nun müsse ich nur mehr Dinge lernen, die mich interessieren. Also: kein Latein mehr, keine Fremdsprachenvokabel pauken.

Letzteres war zwar richtig, dann aber kam die Theoretische Physik um die Ecke (für einen Experimentaler nicht so das Wahre), die Festkörperphysik und noch so einige Gebiete, auf die ich nach meiner Meinung durchaus verzichten hätte können.

Das uneingeschränkte Glück ließ vorerst auf sich warten.

Die Kunst des guten Lebens

Geht es nach Glücksforscher Rolf Dobelli, dann ist das ganz normal: Die Abweichung vom Ist- zum Sollzustand bedarf ständiger Korrekturen, im Leben und beim Fliegen:

Die meisten Menschen glauben, dass ein Flugzeug vom Start bis zur Landung auf die einmal eingestellten Koordinaten zielgenau hinfliegt – bis zur Landung. Tatsächlich nimmt der (menschliche oder der Auto-)Pilot während des Fluges ständig Korrekturen vor, um auf Kurs zu bleiben.

Diese Feststellung stammt aus Dobellis jüngstem Buch: Die Kunst des guten Lebens. Der Autor schreibt nicht nur Bestseller, sondern ist auch Privatpilot. Und als solcher verbindet er seine Lebensweisheiten gerne mit dem Fliegen: Wie ein Flugzeug oder ein Auto funktioniert auch unser Leben. Zwar hätten wir es lieber, es verliefe anders – planbar, vorhersehbar, ungestörtWir überschätzen die Rolle des Set-up und unterschätzen systematisch die Rolle des Korrigierens.

Manche seiner Ansätze, wie wir mehr „Glück“ in unseren Alltag bringen, sind ungewöhnlich. Aber gut. Ständiges Korrigieren und Anpassen ist nur eine der Empfehlungen aus den 52 kompakten Vorschlägen zum Glücklichsein.

Jede Anregung ist in einem eigenen, wenige Seiten kurzen Kapitel anschaulich erläutert und kann so in beliebiger Reihenfolge gelesen werden. Praktisch, wenn der Leser Wartezeiten überbrücken muss, oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist – das kleine Büchlein mit Anregungen zum Tag für unterwegs.

Denn der Schlüssel zum Glück liegt nach Dobelli bei jedem woanders. Weder ist es hilfreich, sich ständig Sorgen zu machen, grün vor Neid auf alles und jeden zu sein; Geldgier oder Selbstmitleid – das alles sind Hinderungsgründe auf dem Weg zum Glück. Dobelli bringt Anregungen, die (eigene) Welt aus einem anderen, neuen Blickwinkel zu sehen und dadurch mehr zu schätzen – also erfüllter, glücklicher zu sein.

Jedes Kapitel beginnt mit einem ganzseitigen Farbbild. Die aufwändig schöne Gestaltung des Bändchens passt gut zu seinem anspruchsvollen Inhalt und so kann Die Kunst des guten Lebens durchaus zu einem täglichen Begleiter werden…

Die Kunst des klaren Denkens

Sein Pilotsein hat Dobelli auch im vorhergehenden Buch: „Die Kunst des klaren Denkens“ mit hinein verwoben:

Der beste Weg, sich vor bösen Überraschungen zu schützen, ist, sie zu erwarten (Anticipation).

Besser kann man pilotieren nicht beschreiben: Be ahead of your aircraft. Denke mit und besser noch: voraus.

Glücksklee (c) H. KleisnyInhaltlich ist Die Kunst des klaren Denkens für Flieger und Flugbegeisterte vermutlich sogar interessanter als das Glücksbuch. Denn die verantwortliche Führung und Steuerung eines Fluggerätes (vom Fallschirm bis zum Jet) klappt nun einmal nur mit klarem Verstand und Denken. Human Factors – der Mensch und seine Limitationen sind Thema des Buches.

Allerdings ist dieses Buch mehr eine griffig geschriebene Kurzfassung von Daniel Kahnemanns: Schnelles Denken, langsames Denken. Der ausführliche Unterschied zwischen logischem und intuitivem Denken zieht sich bei beiden durchs Buch. Und wie so oft, ist mir das Original lieber als eine noch so gute Nachahmung. Aber für alle, denen Schnelles Denken, langsames Denken ein zu umfangreicher Wälzer ist, liefert Dobellis Buch vielleicht die geeignete Manager-Kurzfassung.

Das Glück wohnt neben dem Großhirn

Wenn wir schon beim Thema Glück sind – das kann man auch noch mit einem komplett anderen Ansatz beleuchten: Das Glück wohnt neben dem Großhirn.

Jeanne Rubner und Peter Falkai sehen sich das Geheimnis des Glücks in Zusammenhang mit der Hirnforschung an. Also: Wo sitzt was, wo empfinden wir welche Gefühle und was geschieht organisch, wenn wir denken oder entspannen.

Es ist leicht zu lesen (diesmal besser chronologisch von vorne nach hinten), birgt allerdings für Menschen, die sich generell für Hirnforschung interessieren, nicht wirklich Neues. Es ist eine schöne Zusammenfassung der State of the Art des Themas, die es sich zu lesen lohnt. Die Biophysikerin und der Psychiater haben ihre Sache gut recherchiert.

Interessant ist der Vergleich mit Walter Moers: Prinzessin Insomnia-Buch. Auch dort geht es um eine Reise ins Gehirn. Allerdings wesentlich verspielter und vermutlich nicht mit jedermanns Geschmack als Beschreibung der Bestandteile des Gehirns und seiner Funktionen. Moers Ansatz ist komplett anders, verträumter und kreativer als dieses eher informative, populärwissenschaftliche, aber auch gut verständlich geschriebene Sachbuch.

So unterschiedlich unsere Gehirne sind, so unterschiedlich sind auch unsere Gefühlsmuster.

Eines der beschriebenen Konzepte zum Glücklichsein nennt sich PERMA.

Es stammt ursprünglich von Martin Seligman und beschreibt fünf Faktoren, die zum psychologischen Wohlergehen und zum Glück führen sollen: Vergnügen, Engagement, soziale Beziehungen, der Sinn des Lebens und das Erreichen von Zielen.

Ein anderes vorgestelltes Konzept, das sich mit der Verarbeitung von Gefühlen im Gehirn beschäftigt, sind die Big Five des US-Forschers Richard Davidson. Es beruht auf neuronalen Aktivitätsmustern und beschreibt fünf Dinge, die zu einem längeren, gesünderen Leben führen sollen: Resilenz (die Fähigkeit sich von belastenden Erlebnissen zu erholen), die eigene (positive) Grundeinstellung, soziale Intuition (Emotionen der anderen zu interpretieren), Selbstwahrnehmung, Kontextsensibilität (das eigene Verhalten an den sozialen Zusammenhang anzupassen) und die Aufmerksamkeit.

Wer nicht mit (dem alltäglichen) Stress umgehen kann oder sich ständig von negativen Gefühlen überrollen lässt, hat nach den Autoren schlechte Aussichten, sich wohlzufühlen oder glücklich zu sein:

Es sind nicht die Dinge selbst, die uns beunruhigen, sondern die Vorstellungen und Meinungen von den Dingen. (Epikur)

…Aber immer ist es am Ende das Gehirn, das entscheidet, was jeder einzelne braucht, um glücklich und zufrieden zu sein.


alle Buchcover: (c) Piper.
Alle Illustrationen, inklusive der locker leichten Glücksklees: (c) hkl