Flugzeug fliegen und Radio moderieren

Die Eingabe und Kontrolle der aktuellen Überflugzeit der Piloten erfolgt heute nicht mehr per Papier (siehe unten bei den Erklärungen), sondern bei den meisten Fluglinien an einem Eingabegerät (Pad).

„Wenn ich einmal groß bin, werde ich Pilot, denn da brauche ich keine Mathe mehr.“ Dass der Kinderwunsch nicht so ganz der Realität entspricht – vielmehr Linienpiloten praktisch ständig nebenbei Kopfrechnen während des Fliegens – wird dem kleinen Racker später auch noch klar werden.

Denn jeder (Linien-)Flugweg erfolgt anhand von Wegpunkten und vorgegebenen Streckenabschnitten. Die Zeiten der Überflugpunkte berechnet die Flugplanungsabteilung (Dispatch) zwar vor dem Flug bereits theoretisch. Dann aber aktualisiert der Pilot diesen Plan während der Flugdurchführung mit den realen Zeiten. Der Pilot (oder die Pilotin) aktualisiert nicht nur, sondern überlegt dabei auch, wie, wo und wodurch sich der Zeitrückstand aufholen lässt, ohne dass die Sicherheit der Passagiere und der Crew darunter leidet.

Aus einem berechneten Flugplan für einen Flug von Frankfurt (EDDF) nach Göteborg (ESGG):

Der frische, unbeschriebene Plan

Break. Break.

Erik (wir nennen in hier mal so, denn er wollte nicht, dass sein Auftraggeber direkt zuzuordnen ist) ist Radiomoderator; ein sehr guter und bekannter obendrein. In einer Seminarreihe, in der es sonst üblich ist, mindestens um das akademische Viertel später zu beginnen, steht er mit dem Glockenschlag zur vollen Stunde am White Board und beginnt zu erzählen. Fast schon überflüssig zu erwähnen, dass das Ende der Veranstaltung – etliche Stunden später – genauso auf die Sekunde genau zur vollen Stunde erfolgt.

Erstaunlich. Die lockeren, fröhlichen Menschen, die uns tagtäglich vom Aufwachen bis zum Einschlafen akustisch begleiten, sind Erbsenzähler, wenn es auf die Sekunden ankommt? Aber es geht noch krasser für den normalen Radiohörer, der sich üblicherweise keine Gedanken zur Sendeplanung macht, mit folgender Grafik:

Die schlechte Auflösung dieser Illustration ist Programm, oder besser ausgedrückt: hier gewollt. Jeder Sender hat für seine Sendungen seine eigene Einteilung und die wird, wie das Rezept der Original Sachertorte, nicht so gern öffentlich publiziert.

Erik erzählt, dass jede Stunde nach ihrem Inhalt genau getaktet ist: Wie oft und wie lange muss Werbung sein (dieser ungeliebte Sendeteil hat aus nachvollziehbaren Gründen recht große Priorität), wann kommt das Wetter und wieviel Zeit bleibt dann noch für Sprachbeiträge und Musik?

Klar ist auch, dass Verzögerungen, etwa durch zu viele und zu lange Staumeldungen, langatmig erzählende Interviewpartner, die man nicht rechtzeitig abwürgen kann, oder andere Widrigkeiten sich die genaue Zeiteinteilung nicht immer punktgenau einhalten lässt. Und auch, dass ein Nachhinken hinter dem Zeitplan möglichst schnell aufgefangen werden muss, damit die Werbekunden, aber auch die Hörer nichts merken und zufrieden weiter lauschen.

Der Moderator checkt also mehr oder minder kontinuierlich, wie er oder sie im Zeitplan liegt und versucht, seine folgenden Entscheidungen so zu treffen, dass es zumindest am Ende der Stunde wieder genau passt.

So sind also die lockeren, netten und freundlichen ModeratorInnen eigentlich in einem ziemlich engen Zeitkorsett und ständig daran, dieses mit Leben zu füllen.

Aber auch, wenn man schneller fliegt als vorher berechnet, der Gegenwind stärker ist oder die Flugsicherung mal einen kurzen Umweg möchte – dann nimmt der Spritverbrauch zu und so ist der reale Flug eine ständige Abwägung aller Optimierungen. Sicherheit ist dabei ein Basisfaktor und muss ständig unterschwellig mit bei allen Entscheidungen dabei sein.

Obiges Foto eines Papierausdruckes des gerechneten Flugplanes haben wir hier ein wenig mit Leben gefüllt. Weil plus oder minus bei den abweichenden Minuten nicht eindeutig ist, schreibt man statt „plus“ ein „G“ (Gain, also Zeitgewinn) und statt „minus“ ein „L“ für Loss (Verlust).

Beim Spritverbrauch ist das eindeutig. In der Luft kann kein Treibstoff dazu kommen, er wird nur verbraucht, also ist hier „+1“ eindeutig – es ist noch mehr Treibstoff an Bord als vorher als Minimum berechnet.

Der Plan während des Fluges, ergänzt und angepasst an die reale Situation vom Piloten.

Auch wenn vermutlich keiner der Teilnehmer der beiden Berufsgruppen auf diese Idee gekommen wäre: So sind einige der Anforderungen an Linienpiloten und Radiomoderatoren durchaus gleich: Pünktlichkeit und Zeitbewusstsein; Kostenbewusstes Denken: Werbung ist notwendiger als in voller Länger ausgespielte Lieblingssongs und schneller fliegen kostet.