
Manches „fachliche“ Geschreibsel im Netz ist so unterirdisch, dass jede Sekunde Beschäftigung damit zu viel wäre. Der hier zitierte Kommentar, der einen gehörigen Shitstorm auf den Schreiber auslöste, gehört zwar in diese Kategorie, zeigt aber auch das fachliche Unwissen auf. Und keiner der Folgekommentare, der die Worte als Blödsinn und ähnliches kritisierte, klärte den Schreiber auf.
Kommentar zu einem Bericht über das Schwarze Loch:
Das Foto des Schwarzen Loches kann ich mit einer 100 Euro Kamera besser und schärfer erzeugen… …oder mit Photoshop in kurzer Zeit faken…
Tja. Das Problem an der Sache ist nur, dass es eben kein Foto ist – wie allerdings viele meiner Journalistenkollegen verbreitet haben. Sogar die Wortwahl Bild sollte man besser durch Abbildung oder Visualisierung ersetzen.

Die Unwissenheit der Bevölkerung kommt also erneut daher, dass etliche sogenannte Wissenschaftsjournalisten, oder Leute, die über solche Themen schreiben (müssen), eben keine sind. Ihnen fehlt nicht nur der fachliche Hintergrund, sondern schon die Fähigkeit zum logischen Denken. Zum Nachfragen der Dinge, der Tatsachen. Bevor man veröffentlicht.
In den zitierten, korrekten Vergleichen, etwa aus dem Spiegel:
…Jedes der beteiligten Geräte [Radiotelesekope] starrte an diesen vier Tagen auf einen Fleck, der am Himmel etwa so groß wie eine Orange auf dem Mond erschiene.…
müßte der gesunde Menschenverstand schon sehen, dass das keine Optik fotografieren kann, also auch kein Fotoapparat klicken kann.


Es gibt nicht nur die sichtbaren optischen Wellen, Licht genannt, sondern eben auch für das menschliche Auge unsichtbare, wie Röntgen- oder Radiowellen. Sie haben einfach eine andere Wellenlänge. Ihr Interagieren mit Materie kann man aber auch sichtbar machen. Nur eben nicht mit einer Fotokamera, egal wie teuer.
Das Netzwerk der einzelnen Teleskope, deren Daten zur Abbildung des Schwarzen Loches führte, ist über die Erde verteilt (Event Horizon Telescope) und bildet in der Zusammenschaltung ein einziges, gigantisch großes Teleskop so groß wie die Erde, das Strahlung aus dem Weltall auffangen kann. Die gesammelte auftreffende Strahlung, also die Datenwerte aller beteiligten Teleskope wird mit einander abgeglichen.

Eine singuläre (100 Euro-)Kamera ist also allein schon deshalb leicht daneben, abgesehen davon, dass es eben nicht ums sichtbare Spektrum geht.
Erst nach dem Abgleich der Daten – und das dauerte Jahre, bevor die Wissenschaftler sich sicher genug waren und an die Öffentlichkeit gingen – entsteht daraus eine Falschfarben-Abbildung. Umso schärfer und genauer, je mehr Daten hinzugezogen werden können.
Falschfarben heißt, dass den nicht sichtbaren Wellenlängen jeweils eine bestimmte Farbe des optischen Spektrums zugewiesen wird, damit wir Menschen ein Abbild der Daten sehen können.
Klar, man könnte die herumgereichte Visualisierung des Schwarzen Loches auch faken mit einem Grafikprogramm. Geht alles. Die Wissenschaftler haben aber die Daten zum Beweis, dass ihre Abbildung auf Tatsachen beruht.
Vielleicht hat ja auch einfach der Verstand des Schreibers vor der Komplexität kapituliert? Auch mit seiner 100 Euro Kamera macht sich das Bild nicht alleine (vom Benutzer mal abgesehen).
Grob gesagt ist es dort etwa so: von jedem Punkt des Objektes gehen Lichtstrahlen aus, die sich geradlinig ausbreiten. Sie vermitteln Informationen über die Position des Punktes, seine Helligkeit und seine Farbe. Ein Teil davon trifft auf das Objektiv der Kamera und wird auf ein Pixel des Chips gelenkt. So hat man dann dort Informationen über die projizierte Position, die Helligkeit – aber noch nicht die Farbe. Dafür braucht man mehrere Pixel, die durch Filter je nur für Rot, Grün und Blau empfindlich sind. Die Farbinformation wird daraus vom Kamerarechner rekonstruiert (und daher braucht man an dieser Stelle auch den Weißabgleich). Erst jetzt hat man das fertige Bild.
Das Besondere an der überall gezeigten Abbildung (die für sich genommen eigentlich ja nicht so wirklich spektakulär aussieht) ist nun, dass sie genau so aussieht, wie man es erwartet, wenn man die angenommene Geometrie eines Schwarzen Loches und seine Auswirkung auf seine Umgebung kombiniert. Im Rahmen der bekannten Physik (insbesondere der Allgemeinen Relativitätstheorie) passt es nur so zusammen und das ist wesentlich komplexer als ein Foto mit einer Kamera.
Ein Schwarzes Loch hat eigentlich eine recht einfache Geometrie: es gibt eine Grenze zwischen „innen“ und „außen“, außerdem kann es rotieren oder nicht – das war es aber dann auch schon. Außerhalb der Grenze bildet sich oft eine Scheibe aus Gas und Staub, in der sich die Bestandteile gegenseitig bremsen und in Richtung auf das Schwarze Loch fallen. Da die Gravitation dort sehr stark ist, wird dadurch so viel Strahlungsenergie frei, dass man es „bis ans andere Ende des Universums“ beobachten kann.
Die Strahlung von einem Punkt der Scheibe breitet sich nun aber erst einmal nicht geradlinig aus wie beim Bild oben, sondern es wird stattdessen sehr kompliziert durch die Anziehung des Schwarzen Lochs abgelenkt, was man durch die Allgemeine Relativitätstheorie beschreiben kann. Vergleichbar ist es etwa mit einem Bild, das man durch eine Goldfischkugel hindurch aufnimmt.
Was die Aufnahme selbst betrifft, das funktioniert etwas anders als bei einer Kamera. Nehmen wir an, wir wollten die Orange auf dem Mond fotografieren. Das geht nicht mit einer 100 Euro- nicht mit einer 1000 Euro- und auch nicht mit einer 10000 Euro-Kamera.
Ein schlauer Optiker, nennen wir ihn Joseph F., hat aber herausgefunden, dass man eine Abbildung der Orange erhalten kann, wenn man mehrere 10k-Kameras nimmt und möglichst weit voneinander entfernt gleichzeitig eine Aufnahme des Mondes macht. Ein Fotograf ist dabei vielleicht in Spanien, ein anderer in Mexiko, der eine schaut also etwas mehr von Osten auf die Orange, der andere von Westen. Der Unterschied ist natürlich winzig, aber die Bilder sind dennoch etwas verschieden. Je mehr Aufnahmen man nun macht und je mehr verschiedene Standorte man hat, desto besser wird das fertige Bild. Große Abstände zwischen den Fotografen zeigen mehr die Details, Fotografen nahe beieinander eher das Gesamtbild.
Auf einer einzelnen Aufnahme sieht man aber gar nichts, man muss erst alle kombinieren. Das geht nicht mit Photoshop, dafür braucht man spezielle Rechner, die eigens dafür gebaut sind. Insbesondere müssen die Aufnahmen auch zeitlich auf die Nanosekunde genau zusammenpassen, sonst wird es keine Abbildung.
Die gezeigte Abbildung ist ähnlich wie das grobe Beispiel entstanden, allerdings ist das Objekt viel weiter entfernt als der Mond (das Licht braucht etwa 55 Millionen Jahre bis zu uns), jede „Kamera“ hat nur ein einziges Pixel und die beobachtete Strahlung ist nicht mit dem Auge sichtbar, sondern ähnlich wie die, die z.B. für den Abstandsradar von manchen Autos verwendet werden. Es hat also schon seinen Grund, warum man nicht sofort nach dem Druck auf den Knopf etwas auf dem Display sieht, sondern zwei Jahre für die Verarbeitung gebraucht hat.
(PS: Die Beschreibung ist außerordentlich stark vereinfacht, für die Einzelheiten gibt es eigene Lehrbücher. Ich habe mit einfacheren Varianten dieser Technik selbst etliche Abbildungen erstellt – man kann damit nämlich nicht nur Schwarze Löcher beobachten, sondern auch weniger spektakuläre Dinge wie z.B. Magnetfelder oder Gas in anderen Galaxien. Eine kompakte Version eines solchen Teleskops ist z.B. das VLA, das im Film „Contact“ gezeigt wird.)
Ein sehr schönes Gesamtbild gab es am 27.4. beim „Astronomical Picture of the Day“:
Dort sieht man die gesamte Galaxie, daraus den Ausschnitt mit dem seit einiger Zeit bekannten Jet, der seine Energie aus dem Schwarzen Loch bezieht und die aktuelle Abbildung des Schwarzen Lochs.
Einen größeren Bereich sieht man in einer Abbildungskombination, die schon vor 20 Jahren mit Radioteleskopen gemacht wurde, mit dem VLA und mit einer Vorläuferversion des EHT (VLBI).
Der zentrale orangefarbene Fleck des Bildes „VLA 90cm“ ist etwa so groß wie die Galaxie auf dem APOD-Bild. Die Wirkungen des Jets sind offensichtlich noch sehr weit außerhalb dieser Galaxie zu bemerken. Im Uhrzeigersinn zoomt man dann immer weiter hinein – und im Zentrum der innersten Abbildung links unten ist das Schwarze Loch. (Die Abbildung rechts oben „VLA 2cm“ entspricht in ihrer Größe übrigens etwa dem APOD-Bild rechts oben.)
Die Angaben in Zentimetern beziehen sich dabei auf die Wellenlänge der beobachteten Strahlung (90cm ist etwas oberhalb von UKW und Flugfunk, 2 cm ist etwa bei den Fernsehsatelliten). Das ist auch der wesentliche Unterschied zwischen diesen VLBI-Abbildungen und dem EHT, das ansonsten zum Teil dieselben Teleslkope benützt: je kürzer die Wellenlänge, desto höher die Detailauflösung. Das EHT beobachtet bei 1,3 mm, man hat also zehnmal mehr Auflösung als das damals beste VLBI-Bild.