Mallorca-Absturz: Sehen und gesehen werden

Unser Mitgefühl gehört den Angehörigen der Toten des Zusammenstoßes eines deutschen Hubschraubers und eines zweisitzigen Ultraleichtflugzeuges. Alle 5 Insassen des Hubschrauber-Rundfluges und die beiden im UL haben den Absturz nicht überlebt.

Eigentlich bedarf der tragische Vorfall keines Beitrages auf flugundzeit. Denn der Absturzgrund ist der Zusammenstoß beider Fluggeräte und damit die Ursache das gegenseitige Nichtsehen, obwohl beide Flüge unter Sichtflugbedingungen durchgeführt wurden. Die rechtliche Frage: Warum wer wen nicht gesehen hat und wer Vorflug hatte (wie im Autoverkehr der Rechtskommende, der Tiefere), wer also Schuld war, ist nicht Thema hier. Das ist Sache der untersuchenden Behörden.

Aber wir wollen dies zum Anlass nehmen und erläutern, was dahinter stecken kann und welche technischen Möglichkeiten es gibt, solche Unfälle zu vermeiden. Im folgenden geht es hier also nicht primär um den oben genannten Zusammenstoß.

Warum sehen Piloten andere Fluggeräte nicht?

Die tief stehende Sonne besonders im Herbst ist immer wieder ein Problem und führte auch schon zu Abstürzen zuvor. In einem Fall etwa kollidierten zwei Flugzeuge der allgemeinen Luftfahrt im spitzen Winkel. In einem Cockpit saßen eine Fluglotsin mit Privatpilotenberechtigung und ein LH Kapitän. Auch im anderen Cockpit saß neben dem Pilot ein weiterer Pilot in Ausbildung (es war kein Trainingsflug).

Das von rechts kommende Flugzeug, welches hier Vorrang gehabt hätte, war für die Besatzung des anderen Fliegers dabei kaum zu erkennen, da sie nur einen weißen Rumpf vor dem schneebedeckten weißen Hintergrund der Erhebungen des Taunus (Höhenzug in Hessen) gesehen haben können. Aus der gleichen Richtung blendete die untergehende Sonne.

Ablenkung, gerade wenn man als Pilot Rundflüge durchführt, ist ebenso gefährlich. Da erklärt man pflichtbewusst (der eigenen Firma gegenüber) den Passagieren, was gerade zu sehen ist in der Landschaft, oder beantwortet andere Fragen zum fliegerischen Geschehen. Und während man da kurzzeitig nicht den Luftraum beobachtet, schwupps ist ein anderes Flugzeug so nahe gekommen, dass ein Ausweichen unmöglich ist.

Geschwindigkeiten und Annäherung

Schwupps? Wie geht das denn in der kurzen Zeit?

Eine typische Geschwindigkeit von kleinen Flugzeugen ist 120 Knoten (rund 220 Stundenkilometer). Das entspricht etwa 60 Metern pro Sekunde.
Nähern sich nun zwei Flugzeuge frontal an, dann liegt die Annäherungsgeschwindigkeit schon bei etwa 120 Meter pro Sekunde. Oder anders ausgedrückt: 1 Kilometer auf einander zu je 8,33 Sekunden.

Geht man davon aus, dass ein etwa 12 Meter großes Objekt auf 4 bis 5 Kilometer Entfernung gesehen werden kann, dann hat man also 30 bis 40 Sekunden Zeit ein Objekt zu erkennen und, wenn nötig, auszuweichen.

Erschwerend kommt hinzu, dass man nur mit den Objekten auch kollidiert, die eine „stehende Peilung“ haben. Das heißt, das Objekt bewegt sich relativ zum Hintergrund nicht. Würde es sich relativ zum Hintergrund bewegen, dann würde man davor, dahinter, darüber oder darunter kreuzen.

Das Objekt wird im Falle der „stehenden Peilung“ mit der Zeit einfach nur größer. Dafür aber ist unsere Wahrnehmung nicht optimiert. Denn den wippenden Fuß des Stuhlnachbarn erkennt man im Augenwinkel sofort. Wenn der Fuß aber an gleicher Stelle einfach nur größer werden würde, dann würde es sehr lange dauern, bis der Betrachter das bemerkt.

Welche technischen Hilfsmittel gibt es?

Verkehrsflugzeuge, alles größere, das längere Strecken und damit bevorzugt IFR (nach Instrumentenflugregeln) oder ausschließlich IFR fliegt, haben TCAS an Bord. Das System zeigt den eigenen Flieger an und alle anderen, die in einem Umkreis von 40 nautischen Meilen ebenfalls mit TCAS ausgerüstet sind oder einen Transponder an Bord haben.

TCAS ist ein aufwendiges System. Es fragt eigenständig alle in der Nähe befindlichen Transponder ab. Es führt eine eigenständige Entfernungsmessung über die Signal-Laufzeiten durch und bestimmt im Ernstfall ein Ausweichmanöver, das – vorausgesetzt beide Flugzeuge sind mit TCAS ausgerüstet – von beiden Systemen gegenseitig koordiniert (abgesprochen) wird.

Die kleineren Fluggeräte aber haben kein TCAS an Bord – die enormen Kosten für ein TCAS übersteigen den Zeitwert der meisten kleineren Flugzeuge deutlich. Sie werden aber von den TCAS-ausgerüsteten Flugzeugen gesehen, wenn sie wenigstens einen Transponder haben.

Ein Transponder ist in Deutschland für alle motorgetriebenen Flugzeuge vorgeschrieben, wenn sie über 5000 Fuß hoch fliegen, oder unterhalb von 5000 Fuß in den Lufträumen C und D. Also in besonders geschützten Lufträumen um kontrollierte Flugplätze (Luftraum D) oder in besonders geschützten Lufträumen oberhalb der kontrollierten Flugplätze (Luftraum C oder D). Darüber hinaus noch in so genannten „Transponder Mandatory Zones“.

Segelflugzeuge, also Flugzeuge ohne primären Motorantrieb, dürfen in Deutschand bis zu 10.000 Fuß hoch fliegen ohne Transponder, solange sie sich aus den vorgenannten geschützten Lufträumen heraus halten.

Transponder benötigen relativ viel Strom. Da dieser an Bord eines Segelflugzeuges Mangelware ist, hat sich in der Segelfliegerei in den letzten Jahren ein System namens Flarm etabliert.

Flarm bestimmt die eigene GPS Position und sendet diese mit geringer Feldstärke. Alle umliegenden Flarm empfangen diese Positionsdaten und stellen somit die Luftlage im Nahfeld dar.

Die TCAS Flieger sehen die Flarm Flieger allerdings nicht. Und Flarm sieht die TCAS Flieger nicht. Alle Kleinflugzeuge, die nur den gesetzlich geforderten Transponder an Bord haben, sehen weder Flarm noch TCAS Flugzeuge.

Allerdings gibt es auf dem Markt mittlerweile erschwingliche Traffic Systeme, die sowohl die Positionsmeldungen der Flarm Flieger als auch die ADS-B (Automatic Dependent Surveillance Broadcast) Positionsdaten der hochwertigen Transponder (Mode S Extended Squitter) anzeigen.

ADS-B funktioniert ähnlich wie Flarm. Nur mit viel mehr Reichweite und anderen Auflagen für die Positionsgenauigkeit. Die Position wird dabei nicht auf einer speziellen Frequenz für alle „hörbar“ abgestrahlt, sondern in das Transpondersignal integriert. Nahezu alle TCAS Flieger haben einen ADS-B fähigen Transponder. Bei den kleineren Fliegern überwiegt aber noch immer der Mode S Transponder ohne ADS-B. Sodass also auch die Traffic Systeme, die sowohl Flarm als auch ADS-B der Transponder auswerten nicht alle Flieger im Luftraum erfassen.

Was oder wen sieht ein Fluglotse auf seinem Gerät?

Er (oder sie) sieht alle Flieger mit Transponder. Mit und ohne ADS-B.
Ein Fluglotse sieht kein Flarm. Bei den Fliegern ohne Transponder sieht er/sie, wenn er/sie Glück hat, ein Primär Radarziel ohne Höhenangabe. Das heißt für ihn/sie: Da ist irgendwas, das kann auch ein Fehlsignal sein oder ein LKW oder Zug oder was auch immer Bewegtes. Da die meisten Segelflugzeuge wenig Metall beinhalten, werden sie vom Primär Radar in der Regel nicht erfasst.

Aber: All das funktioniert nur, wenn Transponder und / oder Flarm auch eingeschaltet sind!

Die Moral von der Geschichte?

Es wäre wünschenswert, wenn es eine einheitliche (gesetzliche?) Regelung geben würde, die vorsieht, dass jeder (Pilot) jedes andere Fluggerät „sehen“ kann.