Drohnen hinterfragt

„Sie kriegen keinen Hunger. Sie fürchten sich nicht. Sie vergessen keine Befehle. Es ist ihnen egal, ob der Kerl neben ihnen erschossen ist. Erledigen sie die Sache besser als Menschen?“ (c) Das Bild ist Teil einer Installation von Martha Rosler, Foto: flugundzeit

Ob Drohnen die ideale Waffe sind, darüber haben die Militärs und der Rest der Bevölkerung sicher unterschiedliche Meinungen. Dass Drohnen aber das Mittel zum Zweck in heutigen und künftigen Kriegen sind, ist Realität. Und auch die zivile Gesellschaft scheint nicht mehr ohne sie auszukommen.

Eine kunterbunte Rundumschau mit Videoinstallationen zu und mit Drohnen ist noch bis zum 3. November 2019 im Zeppelin Museum Friedrichshafen als Sonderausstellung zu sehen und zu erleben.

Den Titel Game of Drones mag man anhand der vielen kriegerischen Ausstellungstücke als sarkastisch empfinden. Die Ausstellung an sich ist sehenswert.

Sie umfasst neben den zahlreichen kriegerischen Objekten wie einer israelischen Drohne oder dem ebenso prominent präsentierten Airbus Do_T25IR Aerial Target auch viele Beispiele für Drohnen und ihre künstlerische Betrachtung. Folgende KünstlerInnen nehmen an der Ausstellung teil: Ignacio Acosta, Korakrit Arunanondchai, Anohni, Frédérick A. Belzile, James Bridle, Gonçalo F. Cardoso & Ruben Pater, Omer Fast, Adam Harvey, Lawrence Lek, Martha Rosler und Raphaela Vogel.

Stealth Kleidung, also mit verwobenen Metallfäden versetzte Decken oder Kopfbedeckungen, die den Menschen vor Drohnen unsichtbar macht, ist ein Aspekt dazu.

Adam Harvey entwarf in Zusammenarbeit mit Modedesignerin Johanna Bloomfield die „Stealth Wear“: Kleidung, die verhindert, dass menschliche Körperwärme nach außen dringt. Damit ist die Erkennung durch die Infrarotkamera einer Drohne nicht mehr möglich. Harveys Intention war es, nicht nur kritisch die Überwachungsmechanismen von Drohnen zu reflektieren, sondern eigene emanzipatorische Handlungsoptionen zu entwickeln. (c) Adam Harvey: Stealth Wear (Anti Drone Fashion), 2013, C-Prints © the artist

 

Heute sind Drohnen überall verfügbar, betriebsbereit gekauft oder selbst gebaut: als Generationen-übergreifendes Spielzeug, als wissenschaftliches Forschungsinstrument oder als militärisches Kriegsgerät.

Ihre Dimensionen reichen von der Größe einer Biene bis zum Umfang eines Flugzeugs. Rund eine Million Drohnen sollen derzeit aktiv genutzt werden.

Drohnen verursachen Flugausfälle an Flughäfen, sorgen für eine neue Bildästhetik in Fotografie und Film und ändern das Berufsbild von SoldatInnen im Einsatz.

 

Besucher betreten den Ausstellungsraum, der farblich wie die Aufnahme einer Wärmebildkamera anmutet und eine unscharfe Aussage zu Dimension, Raum und Distanzen herstellen möchte. Die Pixel formen Sockel, Vitrinen, aber auch Hör-Nischen und Sitzpodeste und werden zu begehbaren Kabinen. Der gesamte Hintergrund ist abstrakt blau gehalten – das soll die Tiefe des unendlichen (Luft-)Raumes beschreiben. Im Kontrast dazu die roten, gelben und pinkfarbenen Pixel, die polare Felder darstellen, die es zu erkunden gilt und die erst im Annähern deutbar werden. Choreografie: Berliner Szenografiebüro chezweitz

Die geschichtliche Entwicklung – wie entstanden Drohnen – ist in Game of Drones filmisch und in Objekten dargelegt, etwa im Stoffdrachen als Vorläufer der High-Tech-Drohne.

Roloplan mit 3 Tragflächen, 1909 © Margarete Steiff GmbH

Konstruiert wurde der zusammenlegbare Stoffdrache Roloplan 1908 von Richard Steiff, dem Neffen der Spielwarenfabrikantin Margarete Steiff. Auf dem Boden stehend war der größte Roloplan 3,60 Meter hoch und 2 Meter breit. Der Zug eines großen Roloplan war so stark, dass er mit einer Verankerung am Boden gehalten werden musste.

Zunächst nur als Spiel- und Sportgerät gedacht, gehörten bald nicht nur drachenbegeisterte Jugendliche, sondern auch Luftbildfotografen, wissenschaftliche Institute und das Militär zu den Abnehmern. Für die Luftbildfotografie entwickelte Steiff ein spezielles Stativ und einen Fernauslöser, der mittels eines Seilzuges funktionierte. Das Militär benutzte den Roloplan zur Zieldarstellung bei Schießübungen. Für die Wissenschaft sammelte der Stoffdrache Daten in höheren Luftschichten.

 

Links unten die Airbus Drohne und darüber in weiß das israelische Objekt. (c) flugundzeit

Das von der IAI (Israel Aerospace Industries) hergestellte unbemannte System Harop ist eine Kombination aus Aufklärungsdrohne und Rakete. Sie dient der abstandsfähigen Bekämpfung von Einzel- und Punktzielen. Zur Beobachtung, Zielsuche und -erkennung kann sie mehrere Stunden in der Luft sein, bevor ein Angriff eingeleitet wird. Die Drohne löst dabei keine Munition aus, sondern wird selbst als Geschoss ins Ziel gesteuert und ist dabei vom gegnerischen Radar nicht zu erkennen. Bei der Bundeswehr kam Harop unbewaffnet als fliegende Funkrelaisstelle für die Datenübertragung zum Einsatz.

Die Faszination, die von der Drohne ausgeht, liegt in der Möglichkeit, die Fähigkeiten eines Menschen zu optimieren und seinen Aktionsradius zu erweitern. Mit Kameras ausgestattet, vergrößern Drohnen unser Blickfeld und verändern unsere Wahrnehmungsgewohnheiten. Sie können uns ein drittes Auge sein, wir müssen nicht mehr selbst hinter dem Objektiv stehen.

Drohnen machen die Erforschung der unerreichbaren Tiefen des Ozeans ebenso möglich wie die unzugänglichen Höhen etwa von Vulkanen. Kaum sichtbar können sie zur Überwachung und Spionage eingesetzt werden. Sie erledigen Kamikazeflüge oder den gezielten Abwurf von Sprengkörpern und Bomben. Mit künstlicher Intelligenz ausgestattet werden sie zu Teamplayern des Menschen oder zu seinem Gegenspieler.

 

(c)  A Study into 21st Century Drone Acoustics, 2015 – Gonçalo F. Cardoso & Ruben Pater

„A Study into 21st Century Drone Acoustics“ entstand aus der Zusammenarbeit des Komponisten Gonçalo F. Cardoso und dem Designer Ruben Pater. Das Album verwendet Material von Videoplattformen wie YouTube oder Vimeo und archiviert die Sounds von 17 verschiedenen Drohnentypen. Die Bandbreite reicht von kleinen Drohnen zur zivilen Nutzung bis hin zu großen, militärisch genutzten Flugobjekten.

Unbemannte Flugobjekte gelten als die neuen Raubvögel der Lüfte, die ihre Beute ausspähen und schließlich angreifen. Diese Verbindung von Technologie und Natur findet sich in den Namen vieler Drohnen wieder, wie etwa Predator (Raubtier) oder ScanEagle (Scan-Adler). Cardoso und Pater schufen ein Drohnen-Soundarchiv, das die heute weltweit meistgenutzten Drohnen hörbar macht.

Gonçalo F. Cardoso & Ruben Pater: A Study into 21st Century Drone Acoustics, 2015, LP © the artists

 

James Bridle hingegen veröffentlichte 2013 ein „Drone Shadow“-Handbuch, das die räumlichen Dimensionen von Drohnen visualisiert. Maßstabsgetreu werden dafür im öffentlichen Raum die Umrisse von Drohnen gezeichnet.

Sein Ziel ist es, den häufig als unsichtbar wahrgenommenen Technologien eine Sichtbarkeit zu verleihen. Denn obwohl die Zahl der Drohnen und ihre Einsatzbereiche kontinuierlich steigen, bleiben viele von ihnen unsichtbar: aus politischen Gründen oder weil sie hoch in der Luft und somit jenseits der menschlichen Wahrnehmung fliegen. Anlässlich dieser Ausstellung wurde ein „Drone Shadow“ vor dem Museum realisiert.

Drone Shadow, 2012-2019 – (c) James Bridle

Heutige Drohnen sind Weiterentwicklungen von unbemannten Ballonen, Fernlenkwaffen und Modellflugzeugen für zivile und militärische Zwecke. Ausgehend von dieser historischen Verortung beschäftigt sich die Ausstellung mit dem Einsatz von Drohnen und ihrer hybriden Funktion als Spielzeug, Kriegstechnologie und Wirtschaftsfaktor. Als eine Technologie, die absolute Gegensätze vereint, zeigt die Ausstellung deren Widersprüchlichkeit in all ihren Facetten auf: vom Überwachungsapparat zum Instrument des Widerstands und Protests, vom animistisch beseelten Objekt bis hin zum Einsatz in der strategischen Kriegsführung.

Die Ausstellung Game of Drones zeigt eine Fülle von Objekten und Filmen. Sie versucht, der Widersprüchlichkeit von Drohnen in unserer Gesellschaft Herr zu werden. Trotzdem: Ein wenig mehr an Ordnung und Systematik würde dem Betrachter vielleicht helfen, die unterschiedlichen Aspekte besser einzuordnen. So hat man ein wenig das Gefühl, dass sich die Ausstellungsobjekte daran orientierten, welches Land/Militär/Firma mehr an Objekten zur Verfügung gestellt hat.

Designiert getrennte, erkenntliche Bereiche etwa für Kunst, Historie, Kriegsgeschehen, zivile Überwachung, Katastrophenschutz und Spielzeug würden dem Besuchers bei seiner Einordnung helfen.

Alles in allem: Wer sich für das Thema Drohne interessiert und das ist vermutlich jede(r), der sollte sich die Ausstellung ansehen. Sie gibt Anregungen zum Nach- und Weiterdenken…


Die obigen Zitate stammen aus Ausstellungsbegleittexten.