Antrieb zu den Sternen

Supernovae Fotos, aufgenommen vom Chandra X-ray Observatory der NASA.
(c) NASA

Was die Kreativität von Menschen befeuert ist unterschiedlich. Avi Loeb, ein theoretischer Astro-Physiker, hatte seine Eingebung unter der Dusche – als seine Familie im Dezember 2019 auf Urlaub war und er endlich in Ruhe alleine zuhause nachdenken konnte, so seine Aussage.

Trotz ihrer hohen Temperaturen kann unsere Sonne mit heutiger Technologie nicht einmal leichte Segel über Photonenantrieb ausreichend für längere interstellare Reisen während eines Menschenlebens beschleunigen.

Das stellt die Sonne in den Schatten

Also bräuchte man eine Lichtquelle, die noch um vieles mehr an Energie liefert. Die gibt es sogar ausreichend im Universum – alle Supernovae leuchten milliardenfach stärker. Während der Sonnenwind ein leichtes Segel nur bis zu einem Tausendstel der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen kann, könnte eine Supernova das Segel locker auf ein Zehntel der Lichtgeschwindigkeit pushen.

Die Energie und Helligkeit, die eine Supernova erzeugt, entspricht derjenigen von einer Milliarde Sonnen in einem durchschnittlichen Monat. Das reicht auch für heute existierende „Sonnen“-Segel aus. Man müsste die Segel nur, so Loeb, rechtzeitig strategisch um einen massiven Stern platzieren, kurz bevor dieser explodiert.

Avi Loeb und Manasvi Lingam, beide Harvard Professoren, begannen zu rechnen. Sie fanden heraus, dass eine Supernova ein leichtes Segel mit einem Gewicht von weniger als einem halben Gramm pro Quadratmeter auf relativistische* Geschwindigkeiten beschleunigen kann, und das noch in einer Entfernung von Millionen Meilen. Sie publizieren ihre Ergebnisse in einem Beitrag in Scientific American.

Funktioniert das auch mit schwarzen Löchern und Pulsaren?

Die wissenschaftliche Publikation ruft jede Menge an Reaktionen hervor: Die Hypothese muss bewiesen oder widerlegt werden. Und dabei überlegen Wissenschaftler, wie ein leichtes Segel durch die Explosion auch von anderen astrophysikalischen Objekten beschleunigt werden könnte. Massive Sterne, Mikroquasare, Supernovae, Pulsarwindnebel und aktive galaktische Kerne sind die Kandidaten dafür.

Die Realisation

Einige kleinere Schwierigkeiten liegen allerdings vor der Realisation der Eingebung aus der Dusche.

Dazu zählt, dass die Explosion einer Supernova genau zeitlich bestimmbar sein muss. Das klappt derzeit nur in einem Bereich von etwa einer Million Jahre. Auch müsste das Raumschiff gegen die Reibung durch das umgebende Gas geschützt sein. Und was mit Menschen passiert, deren Gefährt mit fast oder ganz Lichtgeschwindigkeit beschleunigt wird, dürfte aus heutige Sicht auch nicht so gesund fürs Weiterleben sein.

Roboter hätten da schon größere Chancen.

Aber das alles kann einen Theoretischen Physiker doch nicht abhalten, einen neuen futuristischen Antrieb zu erfinden…


*Relativistische Geschwindigkeit bezeichnet eine Geschwindigkeit, bei der relativistische Effekte die Genauigkeit der Messung des beobachteten Phänomens beeinflussen.


Kommentare

2 Antworten zu „Antrieb zu den Sternen“

  1. Nikolaus Neininger

    Es gibt passend dazu sogar einen Vela-Nebel (auch ein Supernova-Überrest – „Vela“ heißt „Segel“…)

    Allerdings ist so eine Supernova auch im Allgemeinen eine eher ungesunde Sache: neben den heftigen Winden wird man leider auch durch Strahlung mit hoher Energie „gegrillt“. Man kann abschätzen, daß z.B. die Atmosphäre der Erde noch in einem Abstand von 100 Lichtjahren zu einer Supernova (für Rechenkünstler: etwa 1000 Billionen km) nicht mehr viel wert sein würde.
    Man bräuchte also ein langes Seil an dem Segel, damit man selber nicht die ganze Energie abbekommt, aber trotzdem ein Ticket bekommt.
    Dennoch ist es so, daß uns ohne Supernovae etwas fehlen würde: alle Elemente schwerer als Eisen (z.B. Kupfer, Silber, Gold, Platin) sind nur dort entstanden!
    Aber, wie oben gesagt, das hindert einen Theoretiker nicht daran, einen gerade interessanten Aspekt mal durchzurechnen…

    1. Nikolaus Neininger

      Nachtrag, der Vollständigkeit halber:
      Edelmetalle sind natürlich eine nette Sache, aber individuell noch wichtiger sind eher banale Elemente wie Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Kalzium (die Liste ist lang, bis zum Eisen).
      Zu Anfang gab es nur Wasserstoff, Helium, ein bißchen Lithium – das reicht noch nicht mal einer Qualle.
      Dann entstanden die Sterne, und besonders die größeren haben dafür gesorgt, dass es heute im Universum genügend verschiedene Elemente gibt. Das Universum ist alt genug, sodass es für uns reicht (es braucht schon ein paar Generationen Sterne dafür).
      Wir sind alle Sternenstaub – und die Supernovae sorgen für den Glitzer dazu….

Über die Autorin

Die Journalistin Helga Kleisny ist diplomierte Physikerin (TU Wien), Fallschirmspringerin und Pilotin. Nach Arbeitsorten weltweit (Wien, Taipeh, Boca Raton (FL), München, Frankfurt…) sind ihre Haupt-Lebens- und Arbeitsorte nun in Deutschland und in den USA. Sie schreibt als freie Luft- und Raumfahrtjournalistin. Ihre Begeisterung für alles Technische und die Natur, am besten in Kombination, zeigt sich in ihren Büchern und in Seminaren und Vorträgen.

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