Für Nachtschwärmer

Wow! Schon von der Optik her ist das Titelblatt umwerfend, edel, betörend, verzaubernd. Der mitternachtsblaue Einband ist mit funkelnden smaragdgrünen Punkten, „Sternen“, übersät, das Buch liegt mit einem Leinencover satt und definiert in der Hand.

Innen ist jede Seite breit farbig umrandet. Der Rand beginnt vorne als „Sunset“ in Hellgrau, geht langsam über in der Mitte des Buches (der Nacht) in ein fast Mitternachtsblauschwarz, um wieder zum Morgengrauen, dem Ende des Buches, heller zu werden.

(c) KiWi, Galiani Berlin

Zugegeben – das ist eine ungewöhnliche Einführung als Buchbesprechung – es kommt doch auf den Inhalt an und nicht auf die Hülle! Ja, tut es und der Inhalt hält, was der Umschlag verspricht. Aber dazu später.

Denn ein (außergewöhnliches) Buch sollte auch ein haptisches Erlebnis sein, das Papier angenehm duften (und nicht nach Säure riechen) und einfach mehr Sensation sein als das Betrachten von Bits und Bytes – dieses Buch ist das beste Beispiel dafür, wie es sein soll.

Nun aber zum Inhalt:

(c) für alle Bilder und Zitate: KiWi, Galiani Berlin

In 35 kurzen Kapiteln führt Bernd Brunner auf einen Streifzug durch die nächtlichen Stunden, beginnend mit den ersten Anzeichen der Dämmerung und der „blauen Stunde“ bis die Morgenröte aufzieht und die Sonne wieder zum Vorschein kommt. Wir erfahren, wie sehr sich die Nacht im Laufe der Jahrhunderte gewandelt hat, insbesondere seit der Erfindung des künstlichen Beleuchtung, durch die der Nacht ihre Dunkelheit zunehmend abhanden gekommen ist. 

Der stets provokante Ovid etwa hielt seiner Leserschaft vor, durchschlafene Nächte seien Zeitvergeudung: „Unglücklich ist, wer es vermag, die ganze Nacht zu ruhen, und den Schlaf einen großen Segen nennt.“

Bernd Brunner erforscht das Grenzgebiet zwischen Geschichte, Mythologie, Biologie und Literatur und blickt auf das Phänomen Nacht über Jahrtausende und Kulturen hinweg, von den antiken Nächten über die Erfindung künstlicher Beleuchtung bis zu modernen Nächten. Dabei lässt sich der Autor auf seinem Streifzug durch die nächtlichen Stunden immer wieder von zentralen Fragen leiten: Was ist das Wesen der Nacht? Wie wurde die Nacht im Laufe der Zeit wahrgenommen und welche Ideen haben sich mit ihr verbunden? Welche Auswirkungen haben die Ausbreitung künstlichen Lichts in immer entlegenere Regionen der Erde und die damit einhergehende Lichtverschmutzung?

Glocken und und Rufe verkünden das „couvre-feu“, den „Curfew“ – der Begriff geht zurück auf die im Mittelalter verfügte Aufforderung, das Feuer im Kamin zu löschen, bevor man sich zur Nachtruhe begibt.

NIght-Curfew ist ein stehender Begriff in der Luftfahrt = Die Zeit, in der Flugzeuge, Piloten und Fluggäste aus Lärmschutzgründen auf einem Flugplatz nicht starten oder landen dürfen.

Aktivitäten der Nacht haftet stets etwas Subversives, Verbotenes, Aufregendes an. Im Buch begegnen wir mystischen Nachtgestalten, Mythen und Bräuchen und staunen, welche Geheimnisse die Nacht bis heute birgt. Dabei lernen wir nachtaktive Tiere und Pflanzen kennen, treffen auf freiwillig und unfreiwillig Schlaflose und Fabelwesen.

…Lebewesen wie Oktopusse, deren Schlaf sich, wie brasilianische Wissenschaftler herausgefunden haben, in eine ruhige und eine aktive Phase teilt. Das Erstaunliche ist nun, dass die Tiere bei der letzteren, die dem REM-Schlaf ähnelt, plötzlich ihre Hautfarbe ändern, die Augen bewegen oder ihre Saugnäpfe zusammenziehen.

Zauberhaft. Einfach magisch, wie der Leser in diesem Buch ganz nebenbei Interessantes und Neues erfährt und dabei kaum bemerkt, wie die Stunden der Nacht vergehen…

Empfehlenswert für

  • Nachtfreunde, Nachtschwärmer, Nachtgestalten
  • Bibliophile
  • Menschen, die Schönes schätzen
  • Menschen, die ein beeindruckendes, außergewöhnliches Geschenk suchen