Push back als Unwort 2021

Pushback einer Boeing B737-900-ER in Oshkosh*
(c) flugundzeit

Aus rund 1300 Einsendungen wählte die Jury der sprachkritischen Aktion das Unwort des Jahres 2021: Pushback. Echt jetzt? Leute, habt ihr mal geguckt, dass ihr damit einen ganzen seriösen, sicheren Berufsstand diskreditiert?

Kleiner Anschubser für die Recherche:

Pushback (englisch für „zurückschieben“) ist ein Anglizismus für das Zurücksetzen eines Flugzeuges, das mit der Flugzeugnase an einem Flugplatzgebäude (Flugsteig) steht (sogenannte „Nose-in-position“).

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Dazu wäre zu sagen, dass es auch hierzulande Pushback in der fliegerischen Arbeitswelt heißt; es ist keine deutsche Übersetzung in Verwendung: Request Pushback und Cleared to Push(back) sind die korrekten Arbeitsanweisungen dafür aus dem Cockpit.

Pushbacks erfolgen vor jedem Flug eines Verkehrsfliegers, der an einem Gebäude steht. Nur an den bei Passagieren ungeliebten Außenpositionen entfällt er. Pushbacks gibt es also rund um den Globus täglich viele 1000 Mal. Auf Flughäfen und Flugplätzen weltweit.

Das Zurückschieben ist notwendig, weil die meisten Strahlflugzeuge keine Möglichkeit besitzen, aus eigener Kraft rückwärts zu rollen bzw. nicht rückwärts rollen dürfen.

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Das „nicht dürfen“ hat dabei Lärm-, Platz- und sonstige Gründe an manchen großen Flughäfen. *Im Bild oben erfolgt es mit Rücksicht auf die Oshkosh-Event-Teilnehmer (= Fußgänger auf der Großen Plaza).

Das „nicht können“ resultiert unter anderem aus dem mangelnden Rückspiegel bei Flugzeugen, der diese Aktion (mit Reverse Thrust durchführbar) ziemlich gefährlich machen würde. Zudem ist ein Pushback energetisch günstiger für die Umwelt. Pushbacks machen also im angestammten Zusammenhang der Luftfahrt durchaus großen Sinn!

Unwort Bestimmung 2021 als Bruchlandung

Das ist noch die höflichste Umschreibung, die ich für diese Wahl habe.

Die Bezeichnung Pushback wird missbraucht durch Menschen, die es bei ihrer Berichterstattung über Flüchtende zweckentfremden.

Wenn jemand das Wort zweckentfremdet abwertend einsetzt und andere Medien nachfolgen beim Abschreiben, ist es schon schlimm genug. Dass man mit einer solchen medial kolportierten Wertung aber andere Menschen diskreditiert, die mit diesem Wortgebrauch nichts zu tun haben, geht gar nicht.

Gerügt werden Begriffe, die gegen die Prinzipien der Menschenwürde oder Demokratie verstoßen, die gesellschaftliche Gruppen diskriminieren oder die euphemistisch, verschleiernd oder irreführend sind.

aus SPiegel Online, auch diese Kolleg:Innen hinterfragen in ihrer veröffentlichung den Pressetext nicht.

Vielleicht sollte sich die Jury mal selbst beim Schopf nehmen
und sehen, welche „gesellschaftliche Gruppen“ sie mit
ihren Urteilen diskriminiert.

Das Basishandwerkszeug eines Journalisten ist die Recherche (und nicht das Schreiben).

Darauf sollte man sich Rückbesinnen, bevor man so eine Respektlosigkeit veröffentlicht. Das gilt auch für alle Medien, die die Pressemeldung ohne weitere Recherche oder Basis-Luftfahrtwissen veröffentlichen.

Über die Autorin

Die Journalistin Helga Kleisny ist diplomierte Physikerin (TU Wien), Fallschirmspringerin und Pilotin. Nach Arbeitsorten weltweit (Wien, Taipeh, Boca Raton (FL), München, Frankfurt…) sind ihre Haupt-Lebens- und Arbeitsorte nun in Deutschland und in den USA. Sie schreibt als freie Luft- und Raumfahrtjournalistin. Ihre Begeisterung für alles Technische und die Natur, am besten in Kombination, zeigt sich in ihren Büchern und in Seminaren und Vorträgen.

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