BSF22-5 Selbstfahrend und der Mensch

Als selbstfahrendes Kraftfahrzeug bezeichnet man ein Auto oder anderes Kraftfahrzeug, das ohne Einfluss eines menschlichen Fahrers fahren, steuern und einparken kann.

Quelle: Wikipedia

Ok, wir sind noch nicht soweit. „Driverless cars“ sind noch immer Zukunftsmusik im aktuellen Verkehrsgeschehen. Level 5 nennt sich das, wenn der Mensch nicht mehr eingreifen (können) müsste und das Gefährt alle Hindernisse und Unwegsamkeiten selbständig und richtig erkennt.

Einteilung der Selbstfahrstufen (Levels) nach SAE*:

Level 0 – keine Automatisierung;
Level 1 – nur Fahrassitenzsysteme
Stufe 2 – teilautomatisiertes Fahren (Hands off)
Stufe 3 – hochautomatisiertes Fahren für viele Situationen (eyes off)
Stufe 4 – vollautomatisiertes Fahren (mind off)
Stufe 5 – Fahrerlos unterwegs, Lenkrad optional

Honda war 2021 der erste Hersteller, der ein gesetzlich zugelassenes Fahrzeug der Stufe 3 zum Kauf anbot. Mittlerweile sind zumindest Hersteller hochpreisiger Fahrzeuge auf dem Weg zu Level 4 – und mehr oder minder erfolgreich. Seit Mai 2021 gilt in der Bundesrepublik ein Gesetz, das den Einsatz von autonomen Fahrzeugen bis inklusive Level 4 bundesweit regelt. Ankündigungen von Automobilherstellern, wann sie ihre Robocars liefern werden, gibt es genug neben den großspurigen, meist zeitlich nicht erfüllten Vorhersagen von Elon Musk.

Probleme machen weiterhin die unerwarteten Situationen, die ein Mensch locker bewältigt, die aber für eine Maschine, wie klug auch immer sie sein mag, unerwartet und daher nicht vorgesehen sind. Das wäre etwa, wenn ein Mensch einen Fußgängerübergang nutzt und das autonome Fahrzeug ordnungsgemäß stehengeblieben ist. Dann aber, nach dem Vorbeigehen am Fahrzeug dreht sich der Mensch ganz plötzlich um und rennt wieder zurück. Weil ihm etwas einfällt oder ein Bekannter ihn gesehen hat und vom Straßenrand seinen Namen ruft.

Herausforderung für eine künstliche Intelligenz ist auch dieses wunderschöne Bild, das auf einem (anderen) Vortrag des BSF22 gezeigt wurde. (Es kursiert zahlreich im Netz, aber für mich ist nicht herausfindbar, wer der Urheber ist. Bitte melden!)

Foto aus dem Internet.

Jeder Mensch weiß, dass das Tier (in diesem Fall eine Kuh) nicht 5 Meter lang ist. Es also mindestens zwei Tiere sein müssen, die sich unabhängig von einander bewegen können und werden.

Das sind so die Probleme, mit denen sich Dr. Yee Mun Lee von der University of Leeds befasst. Situationen, die für den Menschen klar ersichtlich sind, obwohl sie nicht der Norm entsprechen. Die aber für eine Rechenmaschine eine Herausforderung bei der Erkennung darstellt. Für Yee Mun ist nur Level 5, das komplett autonome Fahren, Untersuchungsziel. Die Forscherin und ihr Team untersuchen, wie menschliche Faktoren bei der Entwicklung von fahrerlosen Fahrzeugen berücksichtigt werden müssen, insbesondere das Verhalten und die Kommunikation.

Das Team arbeitet an verschiedenen Projekten, darunter: Hi-Drive (das Vorzeigeprojekt der Europäischen Kommission zum automatisierten Fahren); SHAPE-IT (Supporting the interaction of Humans and Automated vehicles: Preparing for the Environment of Tomorrow) und interACT, das die Interaktion zwischen autonomen Fahrzeugen und anderen Verkehrsteilnehmern untersucht.

Hi-Drive

Ziel von Hi-Drive ist es, die Automatisierung robust und zuverlässig zu machen, indem intelligente Fahrzeugtechnologien unter Bedingungen und in Szenarien eingesetzt werden, die bisher im weltweiten Verkehr weder ausgiebig getestet noch demonstriert wurden. Daran arbeitet ein Konsortium von 40 europäischen Partnern, das die wichtigsten Einflussbereiche abdeckt, die sich auf die Nutzenden und das Verkehrssystem auswirken und den allgemeinen gesellschaftlichen Nutzen erhöhen sollen. 

SHAPE-IT

ist ein vierjähriges Ausbildungsnetzwerk, in dem 15 Doktoranden Forschungsarbeitendurchführen zur schnellen und zuverlässigen Entwicklung von sicheren und nutzerzentrierten automatisierten Fahrzeugen für städtische Umgebungen. Die Rekrutierung ist abgeschlossen und die SHAPE-IT-Doktoranden arbeiten hart daran, das Ziel des Projekts zu erreichen.
 

interACT

Die Projektkoordination von interACT hat das DLR (Institut für Verkehrssystemtechnik) inne. Untersucht wird das Zusammentreffen und -wirken der Verkehrsteilnehmer sowohl über ausgewählte Manöver als auch über eine explizite Interaktionsgestaltung. interACT fokussiert dabei mit eingeblendeten Lichtsignalen oder Akustik auf Verkehrsumgebungen, in denen die Teilnehmer gezwungen sind miteinander zu kooperieren, wie Zebrastreifen, Rechts-vor-links-Kreuzungen oder Parkplätze. Dabei wird auch erforscht, wie Menschen momentan im Verkehr miteinander kommunizieren.

Im Detail soll interACT mit sozial-psychologischen Studien einen Katalog von Kommunikations-Anforderungen anfertigen, denen sich die heutigen und zukünftigen Verkehrsteilnehmer stellen müssen. Außerdem werden die Projektbeteiligten Software-Algorithmen und Sensor-Lösungen erforschen, um Verhalten vorauszusagen und Intentionen im Verkehr zu erkennen. Die Erkenntnisse fließen in ein zentrales Softwaremodul zur zeitsynchronen Steuerung der Kommunikation und Kooperation des automatisierten Fahrzeugs ein. Im Projekt werden zwei Fahrzeugdemonstratoren entwickelt und mithilfe von Fußgängersimulatoren, Fahrsimulatoren und Test-Fahrzeugen hinsichtlich Sicherheit, Akzeptanz und Anwendbarkeit für alle Verkehrsteilnehmer erprobt und bewertet.


SAE = Society of Automotive Engineers


Link zur Übersicht von allen Beiträgen des British Science Festivals 2022


Kommentare

2 Antworten zu „BSF22-5 Selbstfahrend und der Mensch“

  1. Selbst wenn der technische Aspekt gelöst werden könnte: so lange nicht der Fahrzeughersteller die volle Haftung übernimmt, und zwar immer und unter allen Umständen, kann doch niemand, der bei klarem Verstand ist, sein Auto alleine fahren lassen.
    Technisch: es ist offensichtlich nicht möglich, eine handvoll Festnetzanschlüsse in einem Gebäude 100% sicher vor Hackerangriffen zu schützen (siehe Bundestag, Firmen, Krankenhäuser, …). Und da soll es möglich sein, ein Fahrzeug, das definitionsgemäß ausschließlich offene, drahtlose Eingänge (Verkehrszeichen- und Fußgängererkennung, Satellitensteuerung, …) haben muss, vor Manipulation von außen zu schützen? Wer soll das denn glauben?
    Außerdem müßte es ja mindestens eine Notabschaltung geben, wenn ein Eingang angegriffen wird oder unplausible Signale gibt. Da sehe ich aber schon jede Menge Computer-Whizzkids, die sich einen Spaß draus machen, Autos zum Stehen zu bringen („wetten, daß der Mathelehrer heute zu spät kommt?“). Und da haben wir über kriminelle Ambitionen noch nicht einmal gesprochen.
    Falls dann eines (sehr fernen) Tages beides gelöst sein sollte, warum fängt man dann nicht beim Naheliegendsten an, nämlich schienengebundenen Fahrzeugen? Da steht doch immerhin wenigstens der Weg fest, den sie nehmen.
    Gäbe es zuverlässige, pünktliche, sichere und saubere öffentliche Verkehrsmittel, trüge das sicher sehr viel mehr zur Bewältigung unserer Verkehrs- und Umweltprobleme bei, als selbstfahrende Autos. Zumindest bei zuverlässig und pünktlich könnte der führerlose Zug eine deutliche Verbesserung bringen.

    1. Gäbe es zuverlässige, pünktliche, sichere und saubere öffentliche Verkehrsmittel, trüge das sicher sehr viel mehr zur Bewältigung unserer Verkehrs- und Umweltprobleme bei,

      🙂

Über die Autorin

Die Journalistin Helga Kleisny ist diplomierte Physikerin (TU Wien), Fallschirmspringerin und Pilotin. Nach Arbeitsorten weltweit (Wien, Taipeh, Boca Raton (FL), München, Frankfurt…) sind ihre Haupt-Lebens- und Arbeitsorte nun in Deutschland und in den USA. Sie schreibt als freie Luft- und Raumfahrtjournalistin. Ihre Begeisterung für alles Technische und die Natur, am besten in Kombination, zeigt sich in ihren Büchern und in Seminaren und Vorträgen.

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