Manche versuchen, im Weltall nach den Spuren der Menschheit zu suchen. Andere bleiben da eher erdgebunden und finden in Steinen und Zähnen bahnbrechende Hinweise über unsere Abstammung.




Mark Andrew Purnell ist ein britischer Paläontologe und Professor für Paläobiologie an der Universität von Leicester. Er forscht an der Entstehung der Säugetiere auf der Erde – seine Erkenntnisse erhält er von ziemlich alten Knochen, Steinen und Zähnen.
Der übliche Ansatz, wenn man herausfinden möchte, was ein totes Tier zu Lebzeiten gefressen hat, ist, seinen Mageninhalt zu analysieren. Aber erstens ist das bei Versteinerungen (Fossilien) schwierig und zweitens gibt es mehr Auskunft über die letzte Mahlzeit des Tieres als über seine generellen Fressgewohnheiten. Wenn ein Mensch nach dem Genuss von einem großen Eisbecher (aber aus ganz anderen Gründen) verstirbt, hat er sich vermutlich auch nicht primär von der süßen Schleckerei ernährt.
Zähne zeigen
Purnell untersucht daher Zähne. Erstens sind die auch bei den Urviechern oft noch zumindest einzeln vorhanden und zweitens nutzt er eine Methode, aus dem Abrieb an den Zähnen, den mikrokleinen, unterschiedlichen Spuren an einem Zahn zu bestimmen, ob sich der Besitzer von weicher oder harter Nahrung ernährt hat. Aus den genauen Spurrillen und dem Vergleich mit Zähnen aus heutiger Zeit kann man sogar genauer bestimmen, was die Nahrungsquellen waren.
So wurde etwa auch die Form der Mundwerkzeuge von Heuschrecken gemessen. Die Analyse – ähnlich wie die Topografie einer Landschaft – zeigte dabei deutliche Unterschiede in Bezug auf die Ernährung. Mandibeln von fleischfressenden Heuschrecken, die weiches Fleisch fressen, haben steilere Abhänge und schärfere „Felskanten“. Während diejenigen, die zähes Pflanzenmaterial wie Gras fressen, Mandibeln mit komplexen, gewellten „Landschaften“ aufweisen.
Die Kombination moderner Analysemethoden mit historischen Proben aus Museumssammlungen hilft beim Verständnis der biologischen Vielfalt unseres Planeten. Mit dem technologischen Fortschritt werden weitere Verwendungen von Museumssammlungen möglich. Dieser zerstörungsfreie Ansatz könnte Informationen über die Ernährung von Tausenden von Arten offenlegen, Jahrzehnte nachdem die Proben gesammelt wurden.
Die Untersuchungen erfolgen dabei unter anderem im 3D-Mikroskop und der Synchrotron-Röntgentomographie. Die Synchrotron-Röntgenmikrotomographie (SR-µCT) ist eine nicht-invasive Technik, mit der man virtuelle Serienschnitte durch millimetergroße Objekte untersuchen kann – ohne sie zu beschädigen.
Laufen, springen, fliegen und schwimmen
Nicht nur Körper und Körperteile von Lebewesen können zu Fossilien umgebildet werden, auch der Erhalt von Spuren liefert Hinweise auf ihre Lebensweise. Versteinerte Spuren ausgestorbener Lebewesen (Ichnofossilien) gehören zu den häufigsten Fossilien. Dazu zählen Grabspuren, Kriechspuren, Laufspuren, Fressspuren oder Kotspuren. Gelegentlich sind auch Spuren erhalten, die auf die Umstände des Todes hinweisen.
Wichtig bei der Analyse ist, dass das Licht in einem sehr flachen Winkel auf die Proben einfällt: bei senkrechter Bestrahlung sieht man manchmal gar nichts. (c) alle Fotos: FuZ
Der Erhalt von Laufspuren setzt voraus, dass das sie tragende Sediment und das sich auflagernde Sediment aus (mindestens leicht) verschiedenen Substraten bestehen, da sonst die beiden Schichten untrennbar miteinander verschmelzen und zu einer strukturlosen Schicht werden. Häufig sind feuchte Sandufer mit Spuren von Tieren, die zur Tränke kamen. Der Sand wurde kurz darauf langsam von Wasser überspült, wobei sich Flusssediment absetzte. Gelegentlich sind Spuren in saisonal wasserführenden Flüssen sehr lang, weil die Tiere die Flusstäler als Wildwechsel benutzen.
Lang lang ist’s her…
Die Entstehung und Ausbreitung der Säugetiere ist ein Schlüsselereignis in der Geschichte des Lebens. Fossilien belegen, dass der Ursprung der Säugetiere vor 220 Millionen Jahren liegt.
Die erste Phase der Aufspaltung der Säugetiere (Säugetierradiation) in eine Vielfalt an Arten war von den Veränderungen der Umwelt (ökomorphologischen Diversifizierung) unabhängig.
Die frühesten Säugetiere, in den die ersten 50 Millionen Jahre ihrer Entwicklung, werden weithin als Insektenfresser angesehen. Da sich die Säugetiere nach dem Massensterben der Reptilien sehr schnell vermehren konnten, stieg der Selektionsdruck innerhalb der Arten, so dass es zu einer Auffächerung der Arten, also zur adaptiven Radiation kam.
Funde außergewöhnlich vollständiger Exemplare späterer Säugetiere aus dem Mesozoikum zeigten eine größere ökomorphologische Vielfalt, als bisher vermutet, einschließlich Anpassungen an das Schwimmen, Wühlen, Graben und sogar Gleiten. Aber so gut erhaltene Fossilien früherer Säugetiere gibt es (noch) nicht. So fehlte auch eine solide Analyse ihrer ökomorphologischen Vielfalt.
Purnell und sein Team fanden signifikante Unterschiede in Funktion und Ernährungsökologie zwischen zwei der frühesten säugetierähnlichen Taxa: Morganucodon und Kuehneotherium-Taxa, die in der Debatte über die Evolution der Säugetiere eine zentrale Rolle spielen.

Morganucodon besaß vergleichsweise kräftigere und robustere Kiefer und verzehrte „härtere“ Beute, vergleichbar mit heutigen Kleinsäugern, die beträchtliche Mengen an Käfern (Insekten) verschlingen können.
Ist er oder sie nicht süß? Wie kann man so einem niedlichen Tierchen nur so eine sperrigen Namen verpassen…
Morganucodon ist einer der ältesten Vertreter der Säugetiere beziehungsweise säugerähnlichen Tiere (Mammaliaformes). Das kleine Tier lebte geschätzt vor rund 200 Millionen Jahren (Obertrias und Unterjura) und ist aus Westeuropa, China und Nordamerika bekannt.

Kuehneotherium ernährte sich ähnlich wie heutige Mischlinge und war auf „weiche“ Beute wie Falter, und Schmetterlinge spezialisiert.
Also den hätte ich am liebsten gleich geknuddelt oder mit nach Hause genommen…
Die bahnbrechenden Ergebnisse
Purnell und sein Team fanden eine bisher verborgene Spezialisierung in der Ernährung eines Organismus an der Basis der Säugetierradiation. Demnach begannen bereits die frühesten Säugetierformen, sich zu diversifizieren – morphologisch, funktionell und ökologisch.
Im Gegensatz zur vorherrschenden Meinung lässt dieses Muster darauf schließen, dass die Aufspaltung von Linien in den frühesten Stadien der Säugetierevolution mit einer ökomorphologischen Spezialisierung und Nischenaufteilung verbunden war.

Angepasster Stammbaum der Säugetiere nach Purnell.
(c) Grafik Purnell at al.
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