Der Nachteil von Navigationssystemen

Airliner Cockpit, A320. (c) Flugundzeit

Interessant wäre, wie viele Piloten (die „innen“ sind stets mit gemeint), die erst kürzlich ihre Lizenz erworben haben, noch mit einer Papierkarte und einem Taschenrechner ihre Streckenführung planen können. Es war früher mühsam, gebe ich zu, zumindest als Privatpilot seinen Flug sicher zu planen. Heute erledigen das Computerprogramme oder Navigationshilfen im Flugzeug fast von selbst, wenn man nur Anfang und Ende der Strecke und ein wenig mehr Details einfügt.

Nun gibt es eine Untersuchung, die zeigt, dass unser räumliches Vorstellungsvermögen leidet, wenn wir nur nach Navigationssystemen navigieren. Die Untersuchung war auf zweidimensionales Fahren am Boden gerichtet, sie trifft jedoch laut der Erfahrung von Pilotenausbildern genauso im dreidimensionalen Luftverkehr zu, wenn junge Piloten zwar die Streckenfreigabe perfekt herunterbeten können, aber wenn sie das im Geiste räumlich nachvollziehen sollen, scheitern.

Bei jungen Piloten stellten Ausbilder fest, dass die Streckenführung einer Abflugroute zwar perfekt im Flight Management System überprüft und mit der erhaltenen Freigabe verglichen wird, dass jedoch ohne die exakte „Turn by turn“ Anweisung desselben nach dem Abheben ein Abfliegen der Route nur anhand der Funknavigationsanlagen nicht oder nicht ausreichend gut erfolgt. Die Technik ist heutzutage zwar sehr zuverlässig, aber sie ist eben – wie der Mensch – nicht perfekt. Bei einer Fehlfunktion oder des Ausfalls des Computers kann derzeit noch der hoffentlich zweite (ältere) Pilot im Cockpit die Situation retten, aber diese Generation verschwindet zunehmend aus dem Beruf.

Die Fähigkeit ohne Flight Director oder grüner Linie des FMS der Route zu folgen war vor 10 bis 15 Jahren bei Piloten selbstverständlich vorhanden. Heute jedoch ist sie das nicht mehr, da die Orientierung im Raum nur anhand von Basisinformationen, die man in seiner Vorstellung zu einer Strecke zusammen fügen muss, nicht mehr vorhanden ist, da sie nicht mehr trainiert wird.

Quelle: Linienpilotenausbilder
Abflugstrecken-Karte (London). Der Abflug wird im Cockpit vor dem Flug gebrieft. Das heißt aber noch lange nicht, dass sich die Piloten dreidimensional vorstellen können, wie der Abflug nur nach Funkfeuern (VOR, NDB, DME) geflogen werden muss, sollten die automatischen Vorgaben des Flight Directors (= Bordcomputer) entfallen. (c) Jeppesen

Dass dreidimensionales räumliches Denken für alle in der Luftfahrt Beteiligten Grundvoraussetzung ist, dürfte wohl klar sein. Es betrifft genauso Fluglotsen in ihrer täglichen Arbeit, Fallschirmspringer und jeden anderen, der sich nicht nur am Boden (fort)bewegt oder sich mit dem Luftverkehr befasst.

Wir bewegen uns auf zwei Arten durch den Raum: Entweder navigieren wir – immer von unserer aktuellen Position ausgehend – auf ein nahegelegenes Ziel zu. Oder wir visualisieren einen Raum, indem wir Objekte auf einer mentalen Karte ganz unabhängig von unserer eigenen Position zueinander in Beziehung setzen. Inzwischen nutzen wir immer häufiger die erste Art zu navigieren, denn die entspricht der Turn-by-Turn-Navigation, die wir von Google Maps kennen. Doch darunter leidet unser räumliches Vorstellungsvermögen.

Quelle: ADA

Taxifahrer, die eines der schwarzen Cabs in London fahren wollen, müssen zuvor den anspruchsvollen Wissenstest „The Knowledge“ bestehen. Dabei müssen sich die Fahrer ohne Karte und GPS in allen 25.000 Londoner Straßen problemlos zurechtfinden können. Mit dieser Art der gedanklichen Navigation nimmt das räumliche Vorstellungsvermögen der Taxifahrer so stark zu, dass ein Forschungsteam Veränderungen in entsprechenden Hirnarealen nachweisen konnte.

2 Gedanken zu “Der Nachteil von Navigationssystemen

  1. Ich habe noch mit Lineal und „Drehmeier“ PPL erworben und nehme auch heute noch meine Flugvorbereitung auf Papier mit, obwohl alle Maschinen unseres Vereines mit Flymap Festeinbau ausgerüstet sind und ich den Kurs natürlich auf USB Stick habe und aufspiele.
    Während eines Fluges im Sommer, bei großer Hitze, ist mir einmal das Flymap ausgefallen und ließ sich erst nach etwa 15 Minuten wieder starten.
    Da war ich sehr froh über die Karte mit dem Strich und die Liste mit Wegepunkten, Kursen und Zeiten. Ohne das wäre diese Viertelstunde ganz schön lang geworden.

    Bei mir bleibts jedenfalls beim Papier als Backup, auch wenn das Navi alles so viel entspannter macht, vor allem wenn man sich durch komplexe Lufträume bewegt.

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