Der Spiegel: So nicht!

Bei vielen Beiträgen informiere ich auch persönlich die darin erwähnten Personen oder Firmen. Gehört sich, finde ich, genauso wie man nicht hintenrum über andere redet. Diese Konversationen finden üblicherweise außerhalb von flugundzeit statt.

Das Folgende aber geht so gar nicht.

Die erste Reaktion, die ich auf meine Email an Steffen Klusmann, Chefredakteur Der Spiegel, auf die Nachricht über den Beitrag Der Spiegel – das Märchenmagazin bekam (er antwortete selber, das rechne ich zumindest mal an), begann mit einer versuchten Herabsetzung von flugundzeit und meiner Person – da steh‘ ich drüber, ich weiß, was ich kann und leiste! – und dann dem Satz:

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Der Spiegel – das Märchenmagazin

Man sollte ja meinen, dass der Spiegel aus der Relotius-Affaire etwas gelernt hat. Nein, hat er nicht.

Auszug aus: Der Spiegel No. 6, vom 1.2.2020, Seite 22: Mia san hier

Legendär ist etwa die Moskauvisite von Söders Vorvorvorvorvorgänger Franz Josef Strauß, der 1987 eigenhändig mit einer Cessna die russische Radarüberwachung unterflog, direkt vor dem Kreml auf dem roten Platz landete und den verdutzten Michail Gorbatschow von der deutschen Wiedervereinigung überzeugte sowie zur Auflösung der Sowjetunion überredete.

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Der Spiegel – Steigflug ins Verderben

Der Spiegel 2/2015, Seite 116

Was wirklich an Bord geschah, wird sich erst rekonstruieren lassen, wenn die Flugschreiber gefunden und ausgewertet sind.

Welch‘ weise Erkenntnis. Das Dumme nur – es ist der letzte Satz eines einseitigen Spiegel-Artikels zu den Ursachen des AirAsia-Absturzes. Ein Vorfall, bei dem seriöse Autoren zurzeit noch auf die Auswertung der Blackboxes warten, bevor sie ihr (vermeintliches) Wissen in die Welt posaunen. Aber Der Spiegel kann das bereits, so a la in der letzten Zeile: Ällabätsch, dummer Leser, war alles nur Spekulation, keine seriöse Recherche, aber jetzt hast Du ja den Beitrag schon gelesen und kannst die Zeit dafür nicht mehr zurücknehmen. Irgendwann verliert dieses Magazin auch noch eine so langjährige Abonnentin wie mich.

Schon im zweiten Absatz schleudert der Autor mit Zahlen um sich, die so nichts, aber auch gar nichts bedeuten. Der Informationsgehalt des folgenden Satzes ist zu gering als Ursachenzuweisung für den Unfall:

Sie [Das Flugzeug] flog nur noch 654 Kilometer pro Stunde – über 200 Stundenkilometer weniger als zuvor.

Die Aussage einer Geschwindigkeit ohne nähere Definition ist bei einem (vor allem einem sehr schnell fliegenden) Flugkörper zu wenig.

Ein Flugkörper (Flugzeug, Mensch, was auch immer) hat einerseits eine Geschwindigkeit relativ zum Boden. Das ist relevant und wichtig, wenn man als Flugkörper irgendwohin möchte, von A nach B auf dem Boden gesehen.

Fürs Fliegen – im Gegensatz zum Nichtabstürzen – sagt dieser Geschwindigkeitwert aber gleich null aus. Dafür zählt einzig und allein der Anstellwinkel des Körpers gegenüber der ihn umgebenden Luft. Wird der zu gering, dann reisst die Strömung ab, man spricht von einem Strömungsabriß oder Stall. Und der Flugkörper fliegt nun nicht mehr, sondern fällt oder segelt (je nach Form) schnurstracks der Erde entgegen.

Wenn andererseits ein Kunstflieger für seine Figur mit Vollgas senkrecht nach oben fliegt, (um dann, wie auch immer, weiterzufliegen), dann ist die Geschwindigkeit über Grund weniger als gering, nämlich gleich null. Die Distanz und die Geschwindigkeit über dem Boden (ground speed) ist also im Idealfall (wenn der Pilot sehr gut ist) im Senkrechtflug nach oben gleich null. Der Flugweg geht nur in die Höhe. Die relative Geschwindigkeit aber, die Geschwindigkeit gegenüber der Luft, der Strömung, entspricht bei diesem absichtlichen Manöver Vollgas/Full Throttle und anfänglich Full Speed. Also alles, was der Motor hergibt. Selbst wenn das Flugzeug dann am oberen „Totpunkt“ umkippt (Immelmann) und der Erde entgegenstürzt, ist es nie gestallt, es entsteht kein Strömungsabriss.

Deshalb sind die Radartracks der Flugsicherung bei einem Flugunfall zwar sinnvoll, wenn man die Absturzstelle eines Flugzeugs finden oder eingrenzen möchte, aber nur sehr begrenzt (unter anderem in Zusammenhang mit einer engen Zeitkorrelation), wenn es um Vermutungen über die Fluglage und Fluggeschwindigkeit des Flugzeugs geht. Dafür gibt es zusätzlich die Blackbox.

So Kleinigkeiten wie Wind/Gegenwind, die sich auch noch auf Geschwindigkeitsangaben in der Luft auswirken und daher für eine sinnvolle Beurteilung von Zahlenwerten berücksichtigt werden müssen, sind noch gar nicht aufgeführt. Ändere ich etwa den Flugweg um 180 Grad, habe ich beispielsweise statt 60 Knoten Gegenwind (also Geschwindigkeit ist eigene Geschwindigkeit minus der des Windes) auf einmal plus 60 Knoten zur eigenen Fluggeschwindigkeit über Grund. Macht in der Differenz dann 120 Knoten Unterschied.

Die 654 Stundenkilometer waren mir auch recht bald bekannt, sogar, dass es sich dabei um den Track (Flugweg) über Grund handelte, aber ich kann auch mit 42 als Antwort auf den Sinn des Universums aufwarten, wenn wir auf diesem Fakten-Niveau berichten wollen.

Der nächste Punkt im Artikel, den ich als unseriös betrachte, ist die folgende Unterstellung:

Vor allem fürchten sich die Flugzeugführer vor der feuchten Luft…

Piloten, die sich fürchten, haben in der Luftfahrt nichts verloren. Piloten haben Respekt vor dem Wetter, vor der eigenen Fähigkeit oder deren Grenzen, Respekt vor der Technik und vor allem vor ihrem Fluggerät. (Deshalb wäre auch kein Pilot mental imstande, ein Flugzeug gegen einen festen Gegenstand wie ein Haus zu fliegen. Es mag Individuen geben, die das tun, aber das sind keine Piloten, die ihr Fluggerät als Partner ansehen, als Gegenstand, der es ihnen ermöglicht, die dritte Dimension zu erleben.)

Es stört mich schon genug, wenn man Politikern (im Spiegel) ständig unterstellt, dass sie sich vor irgend etwas fürchten. Aber Politik ist nicht meine Welt. Bei Piloten aber geht das gar nicht. Wer keinen Respekt, keine Achtung, vor der Luftfahrt und ihrer Umgebung, Umwelt, Technik hat, wird darin nicht lange überleben. Wer sich aber davor fürchtet, auch nicht. Angst ist ein lähmendes Gefühl und das ist in Situationen, in denen schnelles Begreifen und Lösung finden tägliches Brot sind, komplett fehl am Platz. Wer das nicht versteht, sollte sich bitte von der Luftfahrt fern halten. Sehr fern. Auch als Autor.

Und das dritte, was in diesem Beitrag dazugemischt ist, ist ein Beispiel zum Thema, dass die Automation bei schwierigen Fällen aussteigt und dann erst recht der Pilot, seine Kenntnis, sein Wissen und seine Übung im manuellen Fliegen gefragt ist. Das Thema könnte Der Spiegel durchaus gerne mal als eigenen Beitrag aufnehmen. Und mehr als einmal. Mit allen Vor- und Nachteilen, die es hat, wenn Piloten nur mehr als ausführende Kräfte geschult werden, die die Automation überwachen sollen; aber dann, wenn es wirklich spannend und anfordernd wird, steigt die Automation aus und der Pilot soll nun aus dem Nichts und ohne ausreichende Übung der Situation komplett übernehmen.

Das ist kein neues Thema für den FlugundZeit-Blog, hier ist es eher ein viel diskutiertes Dauerthema. Ob und was das aber mit Flug QZ-8501 zu tun hat, ist zurzeit reine Spekulation. Womit wir wieder am Anfang wären.

Jeppesen Minimum Vectoring Chart

MoPo und Spiegel Online: Hauptsache "Crossmedial"

Journalismus muss jede Sekunde neu definiert werden. Multimedial und jeder Schnickschnack muss enthalten sein; alles was die Technikpalette hergibt.

Inhalt?
Korrekte Recherche?
Verständnis vom Thema?

Nein.

Wenigstens Ahnung vom Thema?

Wozu?

Der Leser goutiert es eh nicht.

Gestern gingen gleich zwei Möchte-Gern-Zukunftsjournalismus-wegweisende-Projekte „crossmedial“ online:

Spiegel Online mit einer umfangreichen Mafia-Reportage (Recherchepool von Funke-Investigativ-Ressort und WDR), sowie die Berliner Morgenpost mit einer Daten-Visualisierung mit Ton unterlegt.

Beides haut mich nicht vom Hocker. Mafia ist nicht mein Thema und wird es auch nicht nach Text und Video, und Text und Video, und Text und Video usw. Ebenso ist die Innovation des MoPo-Beitrages mir nicht ersichtlich. Ähnlich animierte Grafiken über tatsächlich geflogene Flugrouten gibt es in der Flugsicherung schon seit Jahrzehnten (Stanly, Fanomos). Da ist nichts neu daran.

––– Bewegte Bilder mit Ton?
Ach herrje. Diese zukunftsweisende Neuigkeit …ist aus dem Beginn des letzten Jahrhunderts.

Schlimmer aber ist – und deshalb ist das Ganze hier einen Beitrag wert – der Inhalt des MoPo-Beitrages. Während sich die Journaille-Szene an der „wunderbaren Crossmedialiät“ der beiden genannten „Stories“ erfreut, hinterfragt keiner mehr den Wahrheitsgehalt des Betrages.

Wozu auch. Der Leser… siehe oben…

Nun zum Inhalt des MoPo-Beitrages und dessen Richtigstellung

Hier reicht es nicht, die mangelde Qualität von Journalisten zu bedauern – hier müßte man mit Klage und Strafandrohung bei Wiederholung tätig werden – oder mit einer Gegen- darstellung in einem tradi- tionellen Massenmedium – ich wüßte aber keines, das sich dafür engagieren würde. („Peter aus KW“)

Zu Beginn erzählt die Sprecherin, dass es prinzipiell erlaubt sei, ab einer Höhe von 1500 Meter (5000 Fuß) eine Flugroute (gemeint ist hier genauer gesagt, eine Abflugstrecke (SID, Standard Instrument Departure)) zu verlassen. Diese Aussage ist so noch korrekt.

Ab 5000 Fuß können die SIDs ohne besonderen Grund verlassen werden. Die Initiative dazu kann sowohl von der Cockpit Crew als auch vom Fluglotsen erfolgen. In der Regel vereinfacht ein so genannter Direct (Direktes Routing ohne Kreuz- und Querfliegen und damit ohne weiterem, unnötigem Überfliegen von Gebieten) die Arbeit auf beiden Seiten.

Im nächsten Satz erzählt die Sprecherin, dass ein Verlassen der Route unterhalb von 1500 Meter eigentlich verboten ist. Auch das ist prinzipiell korrekt, doch wird peinlichst vermieden, zu erklären, was hinter dem Ausdruck eigentlich steckt. Dies zu Erörtern ist aber wichtig, um etwaige Abweichungen zu verstehen und bewerten zu können. Dazu später mehr.

Was jetzt aber in der Grafik gemacht wird, schlägt dem Fass den Boden aus. Es werden plötzlich alle Flugwege, bei denen das Flugzeug irgendwann die SID verlässt, in Rot dargestellt, also auch diejenigen, die erst nach dem Passieren von 1500 Meter die Route verlassen. Somit wird hintenrum nun doch wieder allen Abweichungen unterstellt, dass sie nicht erlaubt seien.

Das ist simpel und einfach falsch!

Mit ein wenig Recherche und Wissen hätte man es korrekt darstellen können. Das ist ganz einfach. Deshalb hier korrekt:

Jede SID kann jederzeit verlassen werden. Dies bedarf der Freigabe durch den zuständigen Lotsen. Sollte die SID, unterhalb der minimalen Vector Höhe* verlassen werden, dann sind die Piloten für die Hindernisfreiheit verantwortlich. Die Freigabe durch den Lotsen ist deshalb nötig, damit es zu keiner Staffelunterschreitung (Near Miss) mit anderen Flugzeugen kommt.

*Die Minimale Vector Höhe ist die geringste Höhe, in der ein Fluglotse ein Flugzeug abseits einer Flugstrecke führen kann. Die minimale Vector Höhe liegt 300 Meter über allen Hindernissen. Also deutlich unter 1500 Metern.

Eine SID hat prinzipiell zwei Funktionen

  • Sie ist ein sicherer Flugweg, der frei von Hindernissen ist (und verhindert somit furchtbar laute Zusammenstöße und Abstürze)
  • Sie ist ein Flugweg, der den abfliegenden Verkehr vom anfliegenden Verkehr fern hält, also staffelt (und verhindert somit…)

Sollte es den Piloten nach dem Abheben nicht möglich sein, mit dem Abfluglotsen zu sprechen, so ist die SID einzuhalten, da man da frei von Hindernissen und frei von anderen Verkehr ist.

Dies ist die einzige Aufgabe einer SID weltweit.

Hier in Berlin kommt nun als dritte Forderung hinzu, dass der Flugweg der SID zusätzlich auch noch lärmempfindliche Gebiete meiden soll. Deshalb wird eine SID um Berlin (und viele andere Ballungszentren) nicht nur nach den Kriterien der Flugsicherung (Hindernisfreiheit und Staffelung) sondern auch nach den Wünschen einer jeweiligen Lärmkommission entworfen. Dabei wurde festgelegt, dass ab einer bestimmten Höhe (hier 1500 Meter) die Zuständigkeit der Lärmkommission aufhört. Deshalb ist ein Verlassen einer SID nach Passieren von 1500 Meter Höhe auch jederzeit möglich, wenn die Vorgaben der Flugsicherung erfüllt sind.

Unterhalb von 1500 Meter gilt aber immer, dass die sichere Flugdurchführung Vorrang vor Lärmschutz hat. Sollte aufgrund von Wetter (Gewitterzellen) oder aus irgend einem anderen Grund (etwa technisches Problem) ein Verlassen der SID sicherer sein als das sture Abfliegen, dann muss sowohl von Seiten der Piloten als auch von Seiten der Flugsicherung der Flugweg sofort koordiniert angepasst werden.

Korrekt hätte es also in der Darstellung der MoPo so aussehen müssen:

  • Alle Abweichungen oberhalb von 1500 Meter müssen auch grün dargestellt werden.
  • Jede Abweichungen unterhalb von 1500 Meter muss einzeln überprüft werden. Erst wenn dabei kein sicherheitsrelevanter Grund festzustellen ist, dann kann ein solcher Flug rot dargestellt werden.

Jeppesen Minimum Vectoring Chart, Werte sind Fuß und nicht in Metern

Wolfgang Büchner: neuer Spiegel-Chef

Wenn man öffentlich kritisiert (inklusive der Kommentare), dann muss man auch berichten, wenn es einen Neuanfang gibt. Wolfgang Büchner, ehemaliger Spiegel-Online-Co-Chef, und jetzt noch dpa-Chefredakteur, bringt die Voraussetzungen für einen gelungen Neuanfang mit. Auszug aus seinen internen dpa-Richtlinien und Standards zur Qualitätssicherung im Journalismus, die 2009 versehentlich online gingen (hier in Auszügen):

Eine Story, die zu gut ist, um wahr zu sein, ist vermutlich genau dies: nicht wahr. Je größer und unwahrscheinlicher eine Story ist, desto gründlicher müssen wir sie überprüfen.

Im Wettbewerb mit der Konkurrenz geht Richtigkeit immer vor Geschwindigkeit.

Organisation: bei exklusiven Informationen, die das Potenzial haben, zur Nachricht des Tages zu werden, werden künftig sofort vom CvD/Ressortleiter mindestens zwei Mitarbeiter zur Verifizierung von Informationen und Recherche freigestellt. Diese Taskforce widmet sich dann ausschließlich der Berichterstattung über dieses Thema. Das gilt auch in dem Fall, dass der dpa ein schwerer Fehler unterlaufen ist und dieser aufbereitet und gegenüber den Kunden dokumentiert werden muss.

Ortskompetenz: Der ortsansässige Korrespondent wird immer hinzugezogen — unabhängig von der Uhrzeit.

Recherche: Bei zweifelhafter Quellenlage ist die Berichterstattung über einen zusätzlichen „Ring der Überprüfung“ abzusichern. Nicht nur die lokale Behörde, sondern mindestens eine übergeordnete Stelle muss die Information bestätigen können (z.B. in den USA die Heimatschutzbehörde oder der jeweilige Bundesstaat). Bei Auslandsthemen sind unbedingt die großen nationalen Medien zu beobachten. Bestehen Zweifel an der Identität eines Anrufers oder an der Richtigkeit einer Telefonnummer, lohnt parallel der Weg über die Auskunft.

Internetquellen: Jeder Mitarbeiter soll in die Lage versetzt werden, die Echtheit von Domains kompetent zu überprüfen.

Transparenz: Tauchen Zweifel an der Korrektheit gesendeter Meldungen auf, sind unsere Kunden von Anfang an per Achtungshinweis zu informieren.

Sieht doch schon mal gut aus.

Mal (weiter)sehen. Wie bald der gehobene Anspruch beim Spiegel kontinuierlich die Realität trifft.

Mayday beim Spiegel

Der Spiegel und die Luftfahrt – das waren seit jeher zwei Welten. Und hat sich leider auch unter den gerade beurlaubten/geschassten/freiwillig gekündigten Chefredakteuren Mascolo und von Blumencron nicht wesentlich geändert.

Mascolo und von Blumencron waren nicht die Schlechtesten, sie haben sich redlich bemüht. Der Fehler lag und liegt, wenn der Nachfolger in der Richtung bleibt, darin, als Spiegelredakteure gerade mal Absolventen einer Hamburger Journaille-Schmiede zu nehmen. Noch taufrisch als Erwachsene, zwar mit viel Elan, aber keinerlei internationaler Lebenserfahrung und meist auch sehr begrenzter Allgemeinbildung (die Aufnahmeprüfungen fokussieren auf politischem Wissen).

Vor den Chefredakteuren M und vB waren Spiegeljournalisten hoffnungslos seit Jahrzehnten betonfest auf ihren Plätzen etabliert. Die komplette Umkehr vom hohen Ross auf grasgrüne Journalistenneulinge aber bringt es auch nicht. Kurzvolos bei unterschiedlichen Redaktionen ersetzen keinen jahrelangen fundierten Einsatz in einer Fachredaktion und kein Fachstudium über das Thema, das man bearbeitet.

So kommt es auch etwa zu zwei Redakteuren für einen einseitigen Bericht (im letzten Spiegel). Ein Trauerspiel. Kann ein Spiegelredakteur nicht mal mehr alleine eine Seite recherchieren und schreiben? Bei mehrseitigen Beiträgen sind es dann oft sieben oder mehr Texter, aus deren Zeilen ein Beitrag zusammengestrickt wird. Man sieht das Flickwerk, man liest es.

Oder auch nicht mehr. Das sind die Abonnenten, die man mit mangelnder Qualität vergrault.

Ein Vorzeigemagazin wie Der Spiegel braucht eine gesunde Mischung an Redakteuren: Lebenserfahrungs- und wissensmäßig. Und vor allem braucht er für alle Fachgebiete, über die geschrieben wird, Fachmänner und Frauen, die eine (Aus)Bildung auf dem jeweiligen Gebiet haben. Und wenn dies in der eigenen Redaktion nicht vorhanden ist, dann kann man auch externe renommierte Journalisten aus dem Fachgebiet beauftragen. Das funktioniert nicht nur in der Politik und in der Gesellschaftskritik, sondern ist umso wichtiger, wenn das Basisfachwissen in der Redaktion nicht vorhanden ist.

In der Politik kann ich es nicht beurteilen, wenn da offensichtlich Blödsinn geschrieben wird (sehe es aber an den Richtigstellungen im folgenden Heft), in der Luftfahrt schon. Dinah Deckstein ist eben Wirtschaftsexpertin, auch wenn ihre Beiträge im Luftfahrtbereich noch am Entspanntesten zu lesen sind. Für Flugunfallartikel oder technische Neuerungen oder technische Schwierigkeiten bedarf es eines erfahrenen Piloten mit einem Technikstudium, soll im Artikel auch Lesenswertes stehen. Fundierte Recherche, basierend auf jahrelang gepflegten Insider-Branchenkontakten und spannende Schreibe ist dabei so Basis, dass es nicht einmal der Erwähnung wert sein sollte.

Als Akademikerin habe ich den Anspruch an ein Magazin, dem ich Zeit aus meinem Leben widme, um es zu lesen, mich zu unterhalten und dabei weiter Wissen spannend zu erwerben. Und nicht: mich über offensichtlich schlecht recherchierten Nonsens zu ärgern. Das stiehlt meine Zeit.

Eine gute Sitte im Spiegel war es seit jeher, Richtigstellungen und Fehler einigermassen les- und nachvollziehbar für den Leser zu veröffentlichen. Das ist, zugegeben, oftmals ein Mittel für eine Redaktion, den lästigen Leserbriefschreiber durch seine eigenen Zeilen blosszustellen.

Beim Spiegel entwickelte es sich in den letzten Jahren eher zu einer eigenen Blamage und zu einer Anzeigetafel für schlechte Recherchen.

Wie kann ein Magazin mit einer so großen, eigenen Rechercheabteilung konstant solche Schnitzer produzieren? Es liegt, siehe oben, am System.

Warum fragt man in Interviews nicht einfach mal die Leser? Statt irgendwelche Journalismus-Theoretiker? Ob und wie die Online-Redaktion mit der Printredaktion zusammenarbeitet, ist mir als Leser mehr als schnuppe. Darin Fehler zu sehen, trifft es einfach nicht. Deren Zusammenarbeit betrifft reine Interna: Kosten, vielleicht auch Lebensqualität der Redakteure, aber das hat mit Absatzzahlen wenig zu tun. Als Leser will ich Qualität. Aussergewöhnliche Themen und Recherche. Hintergründigen Journalismus.

Als Leser und bezahlender Abonnent möchte ich einfach, dass, wenn mir einer die Welt, oder zumindest einen Flugunfall erklärt, er/sie

  • nicht gerade zum ersten Mal ein Foto des Fliegers gesehen hat und dann seine Weisheit dazu in die Welt hinaus posaunt
  • oder zum hundertundundersten Mal von Flugbenzin schreibt (in schöner Regelmäßigkeit, das letzte Mal im Spiegel 12/2013, Seite 57, geschrieben von 3 Redakteuren)
  • nicht, wie in einem Artikel von Stefan Niggemeier, schreibt “dass es ihm nicht gelungen sein, ein Videozitat auf weniger als 11 Minuten zusammenzudampfen”. Es gibt keine Bildzitate. Keinerlei. Im Unterschied zum Wort. Nicht einmal ein Bild ist ohne Einwilligung des Fotografen oder Filmers erlaubt. (Das ist zugegeben sehr hinderlich für Journalisten, aber Tatsache)
  • ich mir nicht immer die ewig gleichen Fotos ansehen muss: Das Foto von Fischer mit Farbbeutel (gefühlt zum 10. Mal) auch wieder im Spiegel 13, 2013. Die immer wieder gern genommenen Nacktfotos der Kommune 11 zählen dazu. Klar, wenn ich mit 18 frisch zum Spiegel komme, sehe ich sie jeweils zum ersten Mal. Langjährige Abonnenten vergrault man damit. Auch die Themen haben eine Redundanz, eine nervige Wiederkehr, obwohl schon längst alles gesagt und geschrieben war. Der Esprit, das Neue, das Unerwartete macht seit langem einen großen Bogen um den Spiegel.
  • Und. Und. Und.

Einfach mal Qualität.
Echte.
Durch und durch.
Von der Themenauswahl bis zur Recherche.
Schreiben ist Basis.

Veranstaltungstipp: Frankfurt Flughafen

Hinguckerfoto. 🙂 Nicht KI generiert, sondern von Mensch von Leinwand abfotografiert. Mehr zum Inhalt und zur Leinwand im Betrag. Alle Bilder: (c) FuZ

Fliegen hat trotz (oder wegen) der Coronazeit und den Klimasorgen nichts an seiner Attraktivität eingebüßt. (Sieht man sich an, was an den Kriegsschauplätzen täglich (ohne jeden Protest) an Schadstoffen in die Luft geschleudert wird, sind Flugreisen ein vermutlich kleiner Beitrag dazu). Auch die verzweifelt wirkende 31-seitige Reisewerbung im derzeitigen Spiegel, Tenor: „Machen Sie doch auch nach Corona in ihrer Nachbarschaft Urlaub“ greift nicht bei jedem.

In jedem Fall umweltfreundlich kann man in die Praxis der kommerziellen Luftfahrt im neuen Besucherzentrum am Frankfurter Flughafen eintauchen. Am ehemaligen Standort der Red Carpet Lounge von United lässt sich nun an vielen Stationen mit VR, Touch Screens und iPad-Steuerung so manches bewegen und erfahren.

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Die Ballonfahrt (fast) ins Weltall

(c) Zephalto

Es ist nicht ganz das, was man (= die NASA) unter Weltraum versteht: Der beginnt oberhalb von 50 Meilen (80,5 km) über dem Meeresspiegel. Nach einer anderen Definition beginnt der Weltraum sogar erst ab rund 100 Kilometer über der Erde.

Umweltfreundlich

Für eine Once in a lifetime Eperience dürfte es aber reichen. Ein französische Firma lässt die Erde für zahlende Passagiere von der Stratosphäre aus betrachten – umweltfreundlich ohne Raketenantrieb. Nur 26,6 Kilogramm CO2 werden für den Flug veranschlagt (Firmenangabe) – das ist mit Abstand der geringste Wert für einen Blick auf unseren Heimatplaneten aus dem (fast)Weltall. Dieser CO2-Betrag entspricht etwa dem der Herstellung von einer Jeans.

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Near Miss in Austin

Ein Flugzeug landet, ein anderes hebt ab. Aber bitte nicht gleichzeitig auf der selben Bahn! Im besten Fall, wenn entweder ATC mitdenkt oder eine der beiden Flight Crews, ist das ein Near Miss. Im schlechtesten Fall gibt es Tote.

Die gleichzeitige Freigabe auf derselben Runway passierte – und das auch noch bei schlechter Sicht – am Freitag in Austin, Texas. Und das wäre beinahe (sehr) schief gegangen…

alle Illustrationen (c) FlugundZeit

Die Fakten

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