Oshkosh 2014: Dienstag, Tag 2

Man kann nicht alles sehen und erleben. In Oshkosh sind so viele spannende fliegerische Ereignisse, Flüge, Vorträge und andere Veranstaltungen gleichzeitig, dass es stets schwer fällt, sich zu entscheiden. Meine Beiträge sind also inhaltlich sehr subjektiv selektiert. Trotzdem sollen sie Anregungen für andere Piloten geben, die gerade nicht hier sein können.

Mein Tag begann mit einem Vortrag über die SR-71, einem ausgedienten Spionageflugzeug der Amerikaner. Dieses schwarze, sleeke Ungetüm ist (in meinen Augen) so aussergewöhnlich und faszinierend seit ich es zum ersten Mal reell gesehen habe, vor Jahren, graziös in der Wüste Arizonas geparkt.

Graham
Col. Richard H. Graham

Heute sprach einer seiner Piloten, Col. Richard H. Graham, der auch vier Bücher zur SR-71 verfasst hat, über seine persönlichen Erlebnisse während des Einsatzes. Über die Geheimhaltung hinaus war der Piloteneinsatz in diesem Extremflieger noch stärker reguliert als bei Airlinepiloten. Follow the black line (dem Kurs) ohne Sperenzchen ist da noch das Mindeste.

Stundenlange Vorbereitungen jeder Menge Menschen vor einem Flug, sogar eine medizinische Tauglichkeitsuntersuchung der Piloten vor jedem Flug (wenn einer da aussortiert wurde ging die gesamte Crew, es gab keine Mix&Match Crews) und die Hot-Standby-Crew übernahm. Nach dem Briefing (mit Tankercrew und anderen Beteiligten) herrschte absolute Funkstille. Jeder wusste, was er in seiner Funktion zu tun hatte.

Graham: „Über 60000 Fuß gehört der Luftraum dir.“ Während der bis zu 11 Stunden dauernden Flugeinsätzen saßen die Piloten festgezurrt in ihren Druckanzügen auf ihren Sitzen und atmeten reinen Sauerstoff. „Das hörte sich dann an, wie Darth Vader, wenn wir untereinander flüsternd kommunizierten,“ so Graham. Nach der Landung gab es weitere stundenlange Briefings: Der Geheimdienst wollte informiert werden, ein operationelles Debrief folgte und die Techniker wollten wissen, was sie wo erneuern müssen.

Dick-Rutan

Dick Rutan, der Bruder des innovativen Flugzeugkonstrukteurs Burt Rutan, erzählte ziemlich offen über Human Factors bei seinen Rekordflug, mit Jeana Yeager in der Voyager vor 28 Jahren (1986). Der erste nonstop-Um-die-Welt-Flug, ohne aufzutanken. 9 Tage dauerte die Reise in einer Umgebung, „die kleiner als eine Telefonzelle war“, so Rutan.

Eine der Schlussfolgerungen war, dass man aktiv sein Gehirn ständig gebrauchen sollte, wenn man bei tagelangem Schlafentzug weiterhin einigermassen vernünftig denken und handeln muss. Sonst kommen die Halluzinationen und das ist beim Fliegen tödlich. Eine weitere war, dass man seiner Erwartungshaltung, gerade in Krisensituationen, nicht folgen sollte. Sondern: Zurücklehnen, entspannen und dann die Sache möglichst objektiv wahrnehmen und einschätzen. Das kann Leben retten. Das Falsche schnell zu tun, hilft selten.

Und dann ging es noch ums Entscheidungen fällen (decision making), einer ebenso Lebenserhaltenden oder Lebennehmenden Sache beim Fliegen. Kann ich das (heute) durchführen? So wie es sein soll?

NASAOrion1 Das NASA-Briefing zum Trip to Mars war heute erfreulicherweise ausführlicher als gestern. Mit Fokus auf das neue Space Launch System (SLS) und die Crew-Kapsel Orion, die zunächst Fracht und später auch Menschen zum Mars befördern soll.

Orion’s erste Mission, genannt Exploration Flight Test-1 (EFT-1) ist für Dezember 2014 geplant. Das Raumschiff fliegt dabei 3600 Meilen, 15 Mal weiter in den Raum als die Internationale Raumstation. Bei dieser Mission erhalten die EFT-1-Ingenieure kritische Daten zu Orion’s Hitzeschild und den Flugsystemen. Alles als Basis für den späteren Transport von Menschen.

Charlie Precourt, Vice President und General Manager, ATK Space Launch Abteilung, hält nicht viel von Simulationen: „Das muss unter realen Bedingungen getestet werden, sonst fehlen immer irgendwelche Faktoren.“ Als Beispiel führt er an, dass das Recylingsystem für Urin zurück zu Wasser am Boden hervorragend funktioniert hatte. An Bord der Internationalen Space Station aber verstopfte es recht bald und gab seine Funktion auf. Grund war das Calcium aus den Knochen der Astronauten, das in der Umlaufbahn vom Körper in wesentlich höherem Maß abgebaut wird als auf der Erde.

Nasakids
Selfie mit dem Astronauten Charlie Precourt

In der amerikanischen Bevölkerung ist nichts mehr von dem Space Enthusiasmus des Apolloprogrammes von vor 50 Jahren zu spüren. Mehrfach weisen die Vortragenden darauf hin, dass die NASA nicht mit der Aufgabe des Space Shuttle Programmes aufgehört hat zu arbeiten oder zu existieren. Auch die Fragen aus dem Publikum würden in Europa eher bei Grundschulklassen vorkommen. Sie sind wissensmäßig auf dem Stand von vor 50 Jahren. Da hat die ESA in Europa erfreulicherweise in den letzten Jahrzehnten gute Arbeit geleistet. Es ist ganz schöner Effort notwendig, die amerikanische Bevölkerung wieder für die Raumfahrt zu begeistern. NASA bemüht sich zurzeit redlich. Wir wünschen gutes Gelingen!

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Was auf den ersten Blick wie eine Kotztüte für Hunde aussieht, ist – eine Sauerstoffversorgung für Hunde. Wenn der Druck in der Kabine abfällt, soll doch auch der geliebte Vierbeiner weiterleben.
Was auf den ersten Blick wie eine Kotztüte für Hunde aussieht, ist – eine Sauerstoffversorgung für Hunde. Notwendig bei Flügen in großen Höhen ohne Druckkabine.
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Steve Pugh, Geschäftsführer von MVP Aero
Steve Pugh, Geschäftsführer von MVP Aero

 

Vergaservereisung und der bionische Hund

Manchmal (in meinen Augen stets) kann auch die ausgefeilteste Technik von der Natur lernen. Stichwort: Bionik. (Kombination aus Biologie und Technik). Aus einer wahren Geschichte von einem Flug über der San Francisco Bay könnten findige Ingenieure eine technische Innovation entwickeln.

rhomben

Servicedog Gizmo. Foto: Allan James, Präsident der PBY Catalina Foundation.
Servicedog Gizmo. Foto: Allen James, Präsident der PBY Catalina Foundation.

Pilot Allen James und seine Frau Diana sind stolze Besitzer eines Servicehundes namens Gizmo. Gizmo ist knappe 6 Kilogramm leicht und hilft Diana, Dinge aufzuheben.

Auf allen Flügen in der C172 durch den nördlichen Teil Kaliforniens ist Gizmo mit an Bord, bereits 72 Flugstunden kommen auf den Hund. Beim Motorcheck am Boden und während des Rollens zur Bahn ist der Kleine meist sehr aufmerksam, auch beim Steigflug. Doch sobald die Maschine ruhig im Reiseflug vor sich in tuckert, schläft er mit seinen Ohrenschützern ein. Gesichert ist er dabei an Dianas Schultergurt.

Allen James: „Bei einem Flug letztes Frühjahr um die Bucht von San Francisco, wollten wir nach Half Moon Bay, doch ich war etwas besorgt wegen des Bodennebels. Wir entschlossen uns deshalb Richtung Norden nach Ukiah über die Tomalas Bucht zu fliegen. Auf halbem Weg über der Bucht setzte sich Gizmo auf und starrte das Armaturenbrett mit ernstem Gesicht an. Dann sah er mich an und dann wieder das Armaturenbrett. Für etwa 30 Sekunden sah er immer wieder zwischen mir und dem Armaturenbrett hin und her, als plötzlich der Motor anfing zu stottern.

Ich wußte sofort was los: Vergaservereisung durch die hohe Luftfeuchtigkeit über dem Wasser. Sofort nach dem Einschalten der Vergaservorwärmung lief der Motor wieder rund. Gizmo sah mich an, entspannte sein Gesicht und schlief sofort wieder ein.

Ich weiß nicht genau wie, aber er hat die beginnende Vereisung des Vergasers trotz seiner Ohrenschützer und der generellen Lautstärke schon im Ansatz bemerkt. Wesentlich schneller und zuverlässiger als alle derzeitigen Anzeigegeräte. Ich weiß nur, dass ich jetzt einen Copiloten-Servicehund habe.“

rhomben

AUF DEN HUND GEKOMMEN

Hunde haben eine Hörfrequenzbereich von 15-50.000 Hz, der Mensch von 20-20.000 Hz. (Auch eine Katze hat den dreifachen Frequenzbereich des Menschen).
Irgendwo im Hundefequenzbereich müsste also ein Sensor funktionieren, der eine Art Vorwarnung, oder ein Frühwarnsystem für beginnende Vergaservereisung ansteuert.
Der Mensch kriegt die komplette Vereisung erst mit, wenn der Motor stottert, weil er aussetzt, was dann ohne Gegenmaßnahmen fast sofort zum Totalausfall des Motors führt.
Je eher der Pilot gegensteuern kann, umso wirkungsvoller, für die Insassen unmerkbarer und sicherer ist es.

MOTOR- UND VERGASERVEREISUNG

Motor
Flugzeugmotoren sind eine sehr alte Gattung, überwiegend luftgekühlter Motoren. Wir reden hier nicht von Flugzeugturbinen wie bei Jetflugzeugen sondern vom simplen, normalen Verbrennungsmotoren, wie ihn jeder auch vom Auto kennt. Dort ist er in seiner Entwicklung allerdings bereits um Jahrzehnte weiter.

Die veraltete Bauweise hat den Grund, dass ein Flugmotor hohe technische und auch gesetzliche Anforderungen erfüllen muss. Der Antrieb muss funktionieren, auch in einer dreidimensionalen Schräglage (was beim PKW eher selten vorkommt).
Diese Anforderungen verhindern bis auf wenige Ausnahmen (…Porsche-Motor) den Einsatz von preisgünstigeren PKW- oder Motorradmotoren.

Dieselmotoren sind schwer (das will man in der Luftfahrt schon gar nicht und noch viel weniger als auf der Autobahn). Vorteile sind allerdings der geringere Kraftstoffverbrauch durch Direkteinspritzung und Turboaufladung und die geringeren Kraftstoffkosten pro Liter. Flugdiesel ist im wesentlichen das Gleiche wie Jettriebwerkskraftstoff.

Stichworte zum Weiterlesen: Thielert-Diesel und Austro-Diesel (Diamond-Aircraft). Auch bei Ultraleichten ist der Diesel im (langsamen) Vormarsch.

Vergaservereisung
Der Übergang von flüssig zu gasförmig – das „Vergasen“ – des Kraftstoffes kostet Energie, die der Umgebung in Form von Wärme entzogen wird. Also kühlt diese ab. (Prinzip: Kühlschrank)

Die in der Ansaugluft vorhandene Feuchtigkeit wird dadurch gegebenenfalls so weit abgekühlt, dass sich im Vergaserinneren Eis ansetzt und den Luftdurchsatz immer weiter behindert.

Vergaservereisung kann bereits bei einer Außenlufttemperatur (engl.: Outside Air Temperature (OAT)) von rund minus 5 bis zu +15 °C eintreten. Eine hohe relative Luftfeuchtigkeit wirkt sich hier viel stärker aus als die Temperatur alleine.
Über dem Wasser, bei schlechter Sicht – Nebel , sind dafür die perfekten Voraussetzungen gegeben.

Wird der Vergaser beim Durchfliegen solcher Luftschichten mit entsprechenden Gegebenheiten nicht gewärmt, kommt es zur Vergaservereisung. Der Pilot bemerkt (oder auch nicht) davon zunächst einen Leistungsabfall und „schiebt“ mehrfach den Gashebel weiter nach vorne. Die geringere Leistung entsteht durch das fetter werdende Gemisch, bedingt durch die Verengung des Ansaugkanals. Spätestens in diesem Moment muss die Vergaservorwärmung aktiviert werden.

Heute wird der Pilot nur durch eine Vergaserthermometer-Anzeige, bei der üblicherweise der Temperaturbereich mit Vergaservereisungsrisiko markiert ist, über den möglichen Gefahrenbereich gewarnt. Nicht aber vor Tatsachen, die sich bereits real anbahnen.