Luftfahrt Ausblick 2023

2022: Die Flugverbindungen im Streckennetz hinken dem Flugaufkommen in praktisch allen Staaten deutlich hinterher. Die Inlandsmärkte bleiben in vielen Fällen weit hinter dem allgemeinen Erholungsdurchschnitt zurück.
(c) alle Illustration Eurocontrol

Das sieht ja nicht so gut aus für den Luftverkehr in Europa: Durch die Coronazeit fielen mehr Strecken weg als neue dazu kamen. Eine genaue Analyse und einen Ausblick liefert der Report EUROCONTROL Analysis Paper: 2022 – The year European aviation bounced back, der Basis für diesen Beitrag ist.

Weiterlesen »

IOCC: die neue Lufthansa-Verkehrsleitzentrale in Frankfurt

IOCC1OliverRoesler
Foto: Oliver Rösler

Das Allerheiligste einer Airline ist nicht der Schreibtisch des Vorsitzenden (sorry) sondern die Schnittstelle der operativen Mitarbeiter – bei Lufthansa Integrated Operations Control Center (IOCC) genannt. Es liegt örtlich im sechsten Stock des BG2* (also ganz oben) und vereint an Technik alles, was das kommunikative Herz begehrt.

Im IOCC treffen alle Entscheidungen zusammen, die das operative Geschäft des Tages bringt. Im besten Fall bemerkt der Passagier nichts von seiner Existenz – wenn alles, wie geplant läuft, das Wetter 1a mitspielt und gegebenenfalls die Crews und die Bodenmitarbeiter die kleineren Missgeschicke mit ihrem Einsatz ausmerzen.

IOCC3
Foto: hkl

Rund 74 Prozent der Passagier am Frankfurter Flughafen sind sogenannte Umsteige-Gäste. Nun kann ein Kapitän mit seiner Crew vielleicht die Verspätung seines Fluges minimieren, und das auch nur, wenn er weiter denkt, als sein eigentlicher Einsatz es erfordert. Eine Verspätung am Morgen zieht sich durch den ganzen Tag und addiert sich in der Praxis gerne zu weiteren Verspätungen des Fliegers auf Folgeflügen auf. Um zwei Uhr nachmittags fangen die ersten Überlegungen an, welche Flüge auch später noch am Tag zu Problemfällen werden könnten und mit welchen Mitteln oder Planungsänderungen man dies vermeiden oder zumindest abschwächen kann.

Richtig brenzlig wird es dann, wenn abends das Nachtflugverbot zuschlägt und der Langstreckenflieger nicht ewig auf die Connecting-Gäste warten kann. In Frankfurt ist um 23 Uhr Schluss. Egal, wie viele Gewitter, Schneeflocken, politische Entscheidungen oder andere Widrigkeiten den Flugplan durcheinandergebracht haben.

IOCC2
Der Ausblick nach draußen ist umwerfend. Bei der Anzahl der Bildschirme, die die Mitarbeiter auf ihrem Arbeitsplatz im Blick haben müssen, zählt das leider wenig. Foto: hkl

Das IOCC vereint das Operations Control Center (OCC) und das Hub Control Center (HCC) und steuert von hier aus die täglichen Flüge von und nach Frankfurt mit rund 200 stationierten Flugzeugen.

Seit 16. November 2015 sind ihm IOCC alle operativen Einheiten für die Steuerung des Boden- und Flugbetriebs von Lufthansa vereint, alle Profis der Verkehrs- und Passagiersteuerung sind somit in der neuen Verkehrsleitzentrale am Frankfurter Flughafen räumlich unter einem Dach vereint. Die Mitarbeiter können so schnell rund um die Uhr auf operative Änderungen reagieren und den weltweiten Flugbetrieb der Lufthansa leichter steuern.

IOCC1
Dr. Gerrit Klempert, Chef des HCC, macht so manches möglich, was so nicht im Buch steht: Mit seinem energischen und dem großen Einsatz seiner Mitarbeiter, in Zusammenarbeit mit „Boden“, Catering, Cleaning und vielen anderen schaffte er ein „Umdrehen“ (Zeit von der Landung mit Passagieren bis wieder zum Losrollen mit den Gästen des nächsten Fluges (und ihrem Gepäck!) eines Langstreckenfliegers von 89 Minuten.
Foto: hkl

Was bei allem Einsatz der Mitarbeiter und technischen Aufgebot (Nachtbeleuchtung im Raum**) ein wenig auf der Strecke bleibt, ist bei dieser auf Effizienz optimierten Steuerung der persönliche Kontakt zu den Crews.

Während früher, als die einzelnen Abteilungen des heutigen IOCCs noch nicht über den Schreibtisch hinweg kommunizierten, sondern unterschiedliche Abteilungen an unterschiedlichen Orten waren, sich auch ein Crewmitglied persönlich mit einem Verantwortlichen austauschen und Lösungen präsentieren konnte, funktioniert das heute nur mehr über das mühsame ACARS-Sytem (im Flug) oder per Telefon am Boden.

Die Mitarbeiter des IOCCs sitzen für die Allgemeinheit hinter einer verschlossenen Glastür, hermetisch abgeschlossen. Das mag die Prozesse intern beschleunigen, ist aber für die Kommunikation zu den handelnden Personen draußen nicht unbedingt förderlich. Im alten OCC konnte jedes Crewmitglied, also auch ein Flugbegleiter, direkt mit dem betreffenden Personaleinsatzplaner sprechen. Das ist im neuen IOCC nicht mehr gewünscht. Die Crews, inklusive der Kapitäne, haben keinen Zutritt mehr. Kommunikation kann also nur über Telefon stattfinden, auch wenn man sich ohnehin im Gebäude aufhält. Ist der Anschluss des nunmehr einzigen Ansprechparters besetzt, fällt die Kommunikation also erstmal aus. Mit allen Konsequenzen.

IOCC3OliverRoesler
Foto: Oliver Rösler

Der Bau des IOCC ist ein wesentlicher Baustein des Lufthansa-Projekts „Future Ops Control“, das interne Prozesse, IT sowie die Infrastruktur der Steuerung der Lufthansa-Operations optimieren soll. Neben dem OCC und HCC sind die wichtigsten externen und konzerninternen Schnittstellenpartner, wie Fraport, Lufthansa Technik, LSG Sky Chefs und Lufthansa LEOS im IOCC vertreten.

—————————————————————————————————


*BG 2 = Bürogebäude der Lufthansa Flight Operation.
Hier sind die Flotten- und Kabinenleitungen untergebracht, also das operationelle Personal. Es ist das Kernstück der LH-Basis am Flughafen Frankfurt.


**Wer im IOCC arbeitet, muss zu seiner Dienstzeit hellwach und ansprechbar sein; auch in einer Nachtschicht. Ob da das abendliche Umschalten auf Schummerlicht soviel bringt, ist fraglich.

Sicherheitscheck in Fraport und Sparen, koste es was es wolle

Es geht ja doch. Auch am Fraport (Flughafen Frankfurt).
Der Bericht vom 29. April 2015, wie es sicherheitstechnisch und menschlich nicht ablaufen darf, stand hier.

Auch wenn sich keiner bei mir entschuldigt hat oder sich, geschweige denn, bei mit bedankt hat für das Aufzeigen von Sicherheitslecks, meine kritischen Anregungen, wie man professionell an einem Flughafen einen Fallschirm behandelt beim Sicherheitscheck, wurden mittlerweile umgesetzt und so geht das Ganze für alle Seiten nun stressfrei über die Bühne.

Das Gurtzeug wird geswiped, der Eigentümer darf dabeibleiben und sieht, was mit seinem Fallschirmsystem geschieht und kein Unbedarfter reißt mehr unkontrolliert und wütend an Griffen und Kabeln, deren Funktion ihm nicht im Entferntesten geläufig ist.

Das kann man so allgemein schreiben, weil ich die Prozedur mit meinem heißgeliebten Schirm diese Woche gleich an zwei Tagen hintereinander durchführen durfte. Dank Lufthansa. Sparen, koste es was es wolle, führte nämlich dazu, dass der Contingency-Flieger, der im Falle eines technischen Ausfalles eines Flugzeugs zum Einsatz bereit stehen soll, auch ausfiel. Und das kostet dann richtig Geld. Und Ansehen der Fluglinie bei den Gästen.

Nach einer Stunde mit bereits geschlossenen Türen und allen Passagieren an Bord, erklärte der Kapitän den Flieger als unklar und alle mussten wieder aussteigen. Danach gab es für die Passagiere und das LH-Gate-Personal erst richtig Stress. Es war der einzige Flieger des Tages, der die Destination direkt anfliegt. Um 8 Uhr hatte ich das Haus verlassen, um 19:30 war ich nach einem mehrstündigen Vergnügen mit öffentlichen Verkehrsmitteln wieder zuhause.

Das hat die Airline richtig Geld gekostet. Die anderen Passagiere erhielten das Kempinski als Übernachtungshotel und sicher noch einiges mehr an Erstattung vergütet. Abgesehen davon, dass die meisten mit anderen Airlines auf Umwegen zur Destination flogen, denn der Flieger am Tag danach lief auch ohne die Gesamtheit der Paxe vom Vortag schon über. Eben Sparen, koste es was es wolle. Maintenance nur alle heilige Zeiten, weil die kleinen Reparaturen ja nicht unbedingt nötig sind. Was dem Einsparer dabei nicht ins Gehirn geht, ist, dass die Summe der Kleinigkeiten auch zählt, und wenn dann noch ein kleines Item dazu kommt zu den vielen davor, die nicht in Ordnung sind, dann bleibt der Flieger eben stehen. Mit obigen Folgen.

 

Update 4: Germanwings A320 Absturz in Süd-Frankreich

Update 4 (27.3.):
Was mehr und mehr an Fakten zu Tage tritt, ist erschütternd. Die weiteren Einzelheiten und Fakten zum Piloten werden hier nicht weiter diskutiert. Sie ändern nichts an der primären Absturzursache.

Was sich aber aus diesem tragischen Vorfall ergeben wird, sind gravierende Änderungen in der Luftfahrt. Die Zwei-Mann-Regel für die Cockpittüre ist davon noch das Kleinste. Führt man diesen Gedanken (2Mann) nämlich weiter, so macht auch (gerade) ein Langstreckenflugzeug mit nur einem Piloten keinen Sinn. Denn der wäre ja die ganze Zeit allein. Oder bekommt er eine nette Flugbegleiterin zur Seite?

Das aber genau wird mit dem A350 angestrebt. Airbus bietet ihn in dieser Variante an und die Fluggesellschaften waren bisher gierig darauf. Umdenken.

Die Diskussionen in den Kommentaren zu diesem Beitrag sind noch immer sehr heftig und auch weitreichend in ihren Gedanken. Soweit sie fachlich sind, begrüße ich das und unterstütze es.

Update 3 (ebenfalls 26.3.):
Leider hat sich die durch den Co-Piloten verursachte absichtliche Steuerung des Flugzeugs in die Französischen Alpen bestätigt.

Nun stellt sich die Frage, warum ein junger Mensch, mit einem tollen Job, keine Chance mehr sieht, sein Leben so weiterzuleben. Unter welchem Druck stand er? Nur privat oder hat ihm auch die mangelnde Wertschätzung seitens des Arbeitgebers als Pilot zugesetzt, die sich ja seit Monaten durch alle Medien zieht?

Frage: Wie sieht die finanzielle Situation eines jungen Menschen aus, dessen Ausbildung zum fertigen Copiloten anstatt der ursprünglich geplanten 24 Monate aufgrund von Verzögerungen, die auch beim Arbeitgeber liegen, 5 Jahre dauerte?

(Es mag sein, dass der betroffene Co auch eine selbst verursachte (Medical?) Unterbrechung hatte; dennoch sind 5 Jahre (statt 2 Jahren) Ausbildung und Warten momentan eher die Regel, als die Ausnahme.)

Medical ist die vom Gestzgeber vorgeschriebene, regelmäßige Flugmedizinische Untersuchung, die auch Fragen zur Psyche beinhaltet. Ein gültiges Medical ist Voraussetzung zum Fliegen

Und noch eine kleine Ergänzung, die so aus dem Interview mit Carsten Spohr nicht hervorging: Ja, wie er bestätigte, haben fast alle Germanwings-Piloten die gleiche Ausbildung und den berühmten DLR-Test beim Einstieg wie die Lufthansa-Piloten. Was aber nicht gesagt wurde, ist, dass bei den Eurowings-Piloten, der Gesellschaft, in die vermutlich auch Germanwings nach diesem Vorfall aufgehen wird und als Billig-Langstrecke der Lufthansa geplant ist, dies nicht der Fall ist. Ebenso wenig trifft dies auf die Cityline-Piloten zu, die bereits für die Jump-Routen von Lufthansa in Ausbildung sind. Sie werden einen Teil der Lufthansa-Langstrecke bedienen.

Update 2 (26.3.):

Nach bisher journalistisch nicht genügend bestätigten Meldungen* war zum Unfallzeitpunkt nur einer der beiden Piloten im Cockpit. Der andere versuchte gewaltsam, die per Code gesicherte Cockpittüre zu öffnen.

(*Die Quelle ist ein hochrangiger Militärbeamter, der dies inoffiziell an die Amerikaner durchsickern liess.)

Da schon wieder in den namhaften Medien viel Halbwissen und falsche Aussagen kolportiert werden, einige Hintergrundinfos:

Zur Cockpit Türe:

Die Cockpit-Türe ist durchschussfest und kann generell nur von innen geöffnet werden.
Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: an der Tür selbst kann man sie mechanisch entriegeln und öffnen, oder vom Pilotensitz aus können die Bolzen elektrisch entriegelt werden, sodass die Tür von außen aufgedrückt werden kann.

Außen an der Tür gibt es ein Tastenfeld. Es sind zwei Codes einprogrammiert. Ein Code für einen normalen „Eintrittswunsch“ und einen „Notfallcode“.

Tippt man den „Eintrittswunsch“ eint, dann ist das so, wie wenn jemand an der Wohnungstür klingelt: Im Cockpit ertönt eine Glocke. Weiter passiert nichts. Die Tür bleibt verschlossen.

Normalerweise schaltet nun einer der Piloten die Kammeras der vorderen Bordküche, also des Bereiches vor der Cockpittüre auf einen der Monitore. Die Crew identifiziert denjenigen, der eintreten möchte und entscheidet, ob es sicher ist, die Tür zu öffnen. Es ist in jedem Fall so, dass die Tür nicht von allein entriegelt wird. Tut die Crew also nichts, dann bleibt die Tür zu!

Da das bedeutet, dass bei einer warum auch immer handlungsunfähigen Crew der Zutritt zum Cockpit nicht mehr möglich ist, musste ein weitere Code, der Notfallcode geschaffen werden.
Wenn nun der Notfallcode außen an der Tür eingegeben wird, dann ertönt im Cockpit ein anderer Glockenton als bei einem normalen Eintrittswunsch. Die Tür bleibt dabei zunächst verriegelt, denn es könnte ja sein, dass sich jemand mit dem bekannt gewordenen Notfallcode unerlaubt Zutritt verschaffen möchte. Die Crew checkt nun wieder mit den Kameras den Bereich vor der Tür und entscheidet, so sie denn nicht handlungsunfähig ist, ob sie die Tür öffnen möchte oder nicht.

Der Unterschied liegt aber darin, dass die Crew nun aktiv das Öffnen der Tür verhindern muss. Wenn die Tür geschlossen bleiben soll, muss jetzt ein Schalter betätigt werden, der das zeitverzögerte automatische Öffnen, dass mit Eingabe des Notfallcodes begonnen hat, abbricht.

Erfolgt innerhalb der vorprogrammierten Zeit keine Reaktion innerhalb des Cockpits, dann entriegelt die Tür für kurze Zeit und kann von außen aufgedrückt werden.

So ist sichergestellt, dass auch nach bekannt werden des Notfallcodes dieser nicht missbraucht werden kann, dass aber auch bei einer handlungsunfähigen Crew der Zugang zum Cockpit möglich ist.

Zum Thema: nie einer alleine im Cockpit:

Es lässt sich nicht vermeiden, dass einer der Piloten für kurze Zeit das Cockpit verlässt.

Da es in den Cockpits keine Toiletten gibt, muss zumindest dafür das Cockpit verlassen werden. Das wird natürlich nur zu Zeiten geringer Arbeitsbelastung, also zum Beispiel im Reiseflug gemacht. Sollte nun der zweite, der ja momentan alleine im Cockpit ist, handlungsunfähig werden, dann kann der andere mit dem Notfallcode wieder rein.

Es gibt Airlines, die den Mechanismus der Tür einfacher, also ohne Notfallcode ausgelegt haben. Dann ist es aufgrund der möglichen Handlungsunfähigkeit des alleinigen im Cockpit verbleibenden Piloten nicht möglich als Pilot das Cockpit zu verlassen, wenn nicht statt des zweiten Piloten für die Zeit des Toilettengangs ein Mitglied der Kabinencrew im Cockpit ist, der dann die Tür im Falle der Handlungsunfähigkeit von innen wieder öffnen kann.

So handhaben das offenbar einige amerikanischen Airlines. Das erklärt vielleicht die ein oder andere empörte Aussage darüber, dass einer alleine im Cockpit ist.

Die amerikanische Version lässt sich aber mit Minimum Crew schwer bewerkstelligen, da die Flugbegleiter normalerweise mit dem Service für die Gäste genug ausgelastet sind. Bei amerikanischen Airlines gibt es auf Kurz- und Mittelstrecke praktisch keinen Service für die Gäste. Lufthansa versucht den Spagat als gewünschte 5-Sterne Airline am Personaleinsatz zu sparen und trotzdem den besten Service zu liefern.

—————————————————————————–
Update 1 (25.3):

In einer Pressekonferenz gaben Sprecher des Französischen Luftfahrtbundesamtes BEA am 25. März folgendes bekannt:

Flug 4U-9525 flog auf der geplanten Flugroute auf einer Reiseflughöhe von FL380 (11582 Metern). Um 09:30Z begann der Airbus mit einer Sinkrate von 3500 Fuß pro Minute zu sinken. Ein klein wenige steiler als normal, aber durchaus im normalen Rahmen.

germanwings_a320_d-aipx_barcelonnette
Der gefundene Cockpit Voice Recorder. Foto: BEA

Die letzte vom Französischem ATC aufgezeichnete Radarspur war mit 6175 Feet MSL Flughöhe um 09:40:47Z, sehr nahe an der Absturzstelle.
(Die Zulu-Angabe bei der Uhrzeit (Z) unterscheidet sich zurzeit um minus eine Stunde von der deutschen Zeit).

Der Aufprall erfolgte bei sehr großer Geschwindigkeit. Um 17:00 Lokalzeit des Unfalltages fanden die Untersucher den Cockpit Voice Recorder (CVR) und übergaben ihn an das französische Luftfahrtbundesamt BEA. Um 09:45L am 25. März wurde das Speichermodul in relativ gutem Zustand geborgen. Trotzdem gab es Probleme, die Daten auszulesen, aber nach Angaben des BEA konnten sie ein nutzbares Audiofile extrahieren.

Mitarbeiter des BEA konnten auch das Audiofile bereits abhören, aber die Zeit vor der Pressekonferenz war zu kurz, um dies bereits der Öffentlichkeit zu präsentieren (siehe mein Kommentar #4).

Nach Art und Verteilung der Trümmer sei eine Explosion an Bord vor dem Absturz unwahrscheinlich. Auch die im Internet kursierende Gerüchte über ein geborstenes Windshield (Frontscheibe) seien nicht haltbar.

—————————————————————————–

Die Fakten (24. März 2015):

Ein A320 der Germanwings (D-AIPX, Flug 4U-9525) von Barcelona nach Düsseldorf mit 142 Passagieren und 6 Crew flog im Reiseflug in Flugfläche 380 (38.000 Fuß, entspricht 11.600 m) etwa 55 km südöstlich von Marseille, als das Flugzeug einen schnellen Sinkflug begann.

Der Radarkontakt endete um 10:45 deutscher Zeit in 6.800 Fuß (rund 2.100 m) nahe Barcelonnette (Frankreich) etwa 140 km nordöstlich von Marseille. Die französische Polizei meldete, dass zwei Hubschrauber das Wrack zwischen den Ortschaften Prads-Haute-Bleone und Barcelonnette gesichtet haben. In dieser Gegend liegt ein Bergrücken, der bis auf 8.900 Fuß (rund 2.700 m) hinauf ragt.

Vermutlich gibt es keine Überlebenden.

France Air Traffic Control (die französische Flugsicherung) berichtete, dass es keinen Notruf gab; entgegen ursprünglicher anders lautender Nachrichten.

Den Radardaten nach hat das Flugzeug Flugfläche 380 eine Minute vor dem Sinkflug erreicht. Flugfläche 110 (11.000 Fuß, entspricht 3.350 m) wurde nach 8 Minuten erreicht, was einer durchschnittlichen Sinkrate von 3375 Fuß/min entspricht (nahezu doppelt so steil, wie für einen normalen Sinkflug üblich).

Es sieht weiterhin so aus, als sei das Flugzeug in FL68 (6.800 Fuß, ca. 2.100 m) für eine Minute in den Level-Flug (gleichbleibende Höhe) übergegangen. Der Kurs über Grund betrug dabei 026 Grad true (also Nord-Nord-Ost). Eine Meile (1.850 m) nördlich der letzten Radarposition reicht das Gelände bis auf 8.900 Fuß (rund 2.700 m)

Der Airbus (D-AIPX) wurde vor dem Einsatz bei Germanwings von Lufthansa Passage betrieben. Germanwings ist eine 100% Tochter von Lufthansa.

Nach Auskunft auf der Pressekonferenz von Germanwings heute mittag hatte der Kapitän in zehn Jahren 6000 Flugstunden als Kapitän auf A320 (seine Gesamtflugerfahrung ist also sicherlich deutlich höher). Die Flugerfahrung des Co-Piloten wurde nicht erwähnt.

Quelle Wikipedia:

Germanwings ist eine 2002 gegründete deutsche Billigfluggesellschaft mit Sitz in Köln und ein Tochterunternehmen der Lufthansa. Seit 2012 übernimmt sie sukzessive die innerdeutschen und europäischen Routen der Lufthansa abseits von deren Drehkreuzen in Frankfurt und München. Was Flottenstärke und Fluggastaufkommen anbelangt, ist Germanwings die drittgrößte Airline Deutschlands.

Der Flug-und Zeit-Blog hat tiefstes Mitgefühl für alle Angehörigen und Betroffenen.

Lufthansa A340 fliegt nach heftigem Birdstrike weiter über den Atlantik

Erstens ist ein Incident – so die fachlich korrekte Bezeichnung – (Übersetzung etwa: Vorfall) eben kein Crash und auch keine unmittelbare Notsituation. Da der Vorfall jedoch in Aviationkreisen gerade kontrovers diskutiert wird, kommt er in den FlugundZeit-Blog.

Die Fakten

birdstrike
Der Vogel hinterließ einen bleibenden Eindruck

Ein Lufthansa-Airbus 340-300, Registrierung D-AIGM, mit der Flugnummer LH-439 war auf dem Weg von Dallas Ft. Worth (Texas) nach Frankfurt.

Nach dem Abheben von der Landebahn 17R im Steigflug bei etwa 2000 Metern bemerkte die Crew auf der rechten Seite der Flugzeugnase einen heftigen Aufprall. Birdstrike.

Da die Instrumente alle weiterhin problemlos funktionierten, nach dem Impact keine Warnungen auftraten, beschloss die Crew, den Flug nach Deutschland fortzusetzen. Das Flugzeug landete sicher 09.50 Stunden später in Frankfurt.

Die nach der Landung folgende Postflight-Inspektion der Crew ergab, dass der Vogel (die Vögel?) erhebliche Dellen an der rechten Seite der Flugzeugnase hinterlassen hatte. Zudem gingen Teile des Vogels auch noch durch das Triebwerk #3 (CFM56), andere Teile verfingen sich in den Slats (Vorflügeln).

Kommentar: Weiterfliegen oder Landen?

Setzt man die Größe der Dellen in Vergleich zu den Nietenabständen, so umfasst der beschädigte Bereich einen geschätzten Bereich von 30 mal 40 Zentimeter. Das kann kein Streifflug eines Spatzen gewesen sein, das muss auch im Cockpit ordentlich geknallt haben.

Dass Birdstrikes zum Fliegeralltag eines Berufspiloten gehören, wäre eine übertriebene Aussage. Dass sie aber aber ab und an vorkommen und sich meist im Flieger heftiger anhören, als die Nachbeschau dann am Boden ergibt, ist Tatsache. In den meisten Fällen ist da ohne mikroskopische Untersuchung nicht einmal etwas zu sehen. Und dass Triebwerke so einiges aushalten müssen, bevor sie zugelassen werden, ist auch bekannt – unter anderem den Bewurf mit toten Tieren, 3 bis 5 Kilogramm schwer. Triebwerke müssen diese „verdauen“ können und anstandslos weiterlaufen.

„Die Erfahrung sagt, dass da im Regelfall nichts dran ist am Flieger nach einem Birdstrike“, so ein erfahrener Berufspilot. Andererseits ist die Auftreffstelle bereits hinter dem Radom (Wetterradar, ersichtlich an dem kleinen „Hebelchen“ am rechten Rand mittig im Bild). Und damit im Druckbereich. Ein kleines Löchle hätte nun auch keinen gravierenden Druckabfall bewirkt. Hätte sich allerdings das gesamte Teil irgendwann später über dem Ozean, nach einem anfänglich nur kleinem Riß, komplett abgelöst, sähe die Sachlage anders aus. Ernst.

Dass Birdstrikes generell zu respektieren sind, zeigte die Wasserlandung des A320 im Hudson.

Was aber wäre zum Weiterfliegen die Alternative gewesen?

Eine Umkehr nach Dallas und Sofortlandung zur Nabelbeschau hätte einer Overweight Landung entsprochen. Das Thema hatten wir schon mal: Flugzeuge können mit wesentlich mehr Gewicht abheben, als landen. Das trifft sich im Normalfall gut, weil man ja irgendwohin fliegen möchte und ein Großteil des Gewichtes der Sprit an Bord ist.

Hier hätte das aber eine mehrstündige Verzögerung durch Wegfliegen und Spritablassen bedeutet, um eine Overweight Landung zu vermeiden. Da kann man auch, wenn es keine Warnungen gibt, sinnvoll weiterfliegen, hier in Richtung New York, und sehen, ob alles dicht hält. Was es ja in diesem Fall tat. Die Triebwerke haben gut gehalten, es war von vieren nur eines betroffen und auch das lief anstandslos weiter.

Die Entscheidung: Weiterfliegen oder Landen in diesem Fall war sicher keine leichte. Wirtschaftliche Überlegungen und auch logistische – immerhin wollen die Gäste nicht zurück sondern an ihr Ziel und das wie geplant – kommen hinzu.