
Birmingham ist die Stadt, in der von 6. – 11. September 2014 das Wissenschaftsfestival der Briten stattfand. Jedes Jahr ist es eine andere Stadt, die das Ereignis hosted. Für Birmingham ist dies bereits das 7. Mal.
Sinn und Zweck der Veranstaltung ist es, der allgemeinen Bevölkerung zu zeigen, wie ihr Steuergeld für die Forschung eingesetzt wird. Die Veranstaltungen sollen also allgemein verständlich über das Neueste in der britischen Forschung berichten.
Die meisten Veranstaltungen finden an der Universität von Birmingham statt, viele allerdings auch schon am Wochenende davor und während der Woche in der Stadt (abends schon mal in einem Pub) und in der Ashton Universität am anderen Ende der Stadt.
Letztere ist eigentlich bekannt für ihre Businessfächer – am Ashton Brain Center stehen jedoch das Gehirn und seine Funktionen, speziell bei Kindern, im Mittelpunkt.
Die meisten Veranstaltungen sind kostenfrei, man muss sie allerdings vorher buchen.
Auch in der Stadt ist Robotik ein Thema. Etwa in einem Spielzeug-Laden, bei dem jedem Robi-Fan die Augen übergehen.
Schon am Eingang wartet der überlebensgroße Wächter. Drinnen tanzen ein rosa Hase, ein Affe und ein eckiger Roboter zu grooviger Musik. Und wenn man nicht aufpasst, setzt sich auch noch der Welt kleinste Drohne federleicht auf die Hand. (Auf die Textlinks klicken öffnet die Videos)
Aber mal der Reihe nach. Montag begann es für mich mit Quantenphysik.
Zunächst für alle die Einführung ins Thema mit Welle-Teilchen-Dualismus und der armen, alt bekannten Schrödinger Katze.

Das Festival möchte die super Topnotch-Forschung darstellen: Also geht es schnell weiter mit der Produktion von Materiewellen und optischen Atomuhren, der genauesten Zeitmessung, die derzeit möglich ist.
Dazu verwenden sie eine Technik namens Optische Molasse, bei der ein Laser Atome tiefer runterkühlen kann als eine Magneo-optische Falle (MOT). „Für uns ist Licht ein Werkzeug zur Kühlung, mit der wir Materiewellen erzeugen“, erzählt Jon Goldwin. „Wir können sie ganz leicht erschaffen und wieder zerstören.“

Jon Goldwin ist Dozent für Physik und Mitglied des Midlands Ultracold Atom Research Centre (MUARC) und gehört zur Cold Atoms Group, bei der „kalt“ eine glatte Untertreibung ist.
Denn die Physiker erforschen das exotische Verhalten der Gase, die auf wenige Milliardstel Grad über dem absoluten Nullpunkt abgekühlt sind. Dies sind die niedrigsten Temperaturen im Universum.

Neben der spannenden Physik haben kalte Atome auch zahlreiche technologische Anwendungen – eine der prominentesten ist die Atomuhr.
Sie ist unter anderem Basis für alle Global Positioning System (GPS) Anwendungen, ohne die unser Alltag kaum mehr vorstellbar ist. Ultrakalte Atome kommen auch bei Trägheitssensoren, genauer Datierung von Boden- und Wasserproben und der Quanteninformationsverarbeitung zum Einsatz.
In Birmingham geht es den Forschern vor allem darum, die hochgenauen Atomuhren kleiner und vor allem leichter zu machen. Denn auf der Internationalen Raumstation und späteren weiteren Reisen ins All zählt jedes Gramm an Gewicht. ESA und NASA haben großes Interesse an einer leichteren Form der Präzisionsuhr. Viel leichter.
Kai Bongs ist der Leiter der kalten Atomgruppe. Er erklärt, wie sie über die Interferenz von Atomen, g (die Schwerkraft ) messen, und über die minimal unterschiedlichen Werte von g eine sogenannte Gravitationskarte (Gravitational field map) erstellen können. Damit lassen sich Sinkholes schon bei der Entstehung entdecken oder auch Öl finden – über zerstörungsfreie Kartografie.
Besonders stolz waren die Forscher auf die Untersuchung des Geländes um Stonehenge – wo jeder gerne Genaueres wissen will, aber keiner graben darf.
Wer es genauer wissen möchte (und auch ein gewisses Grundverständnis der Materie hat 😉 ) findet hier einen Link zu einem Video (Britisches Englisch) mit Details zur Forschung der Birminghamer Quantenphysiker.
Mein nächster Vortrag befasste sich mit der Zukunft der Städte. Was muss eine Großstadt in 2050 leisten können, damit die Menschen darin leben und arbeiten können und sich wohlfühlen? Wie muss sie aussehen, was muss sie „können“. Spannende Überlegungen und viele Annahmen bei der Einschätzung. Mehrgenerationen-Haushalte – werden sie wieder dominant? Wie werden die Menschen in und aus der Stadt reisen, sich bewegen? Welche Technologien wird es geben? Da kann man den Gedanken und der Fantasie wirklich Lauf lassen.

Nach dem Wissenschaftlerinnen-Netzwerken kommt es noch besser: Das Festival of the Spoken Nerd (Zitat: „A riotously funny show about science… brimming with unashamed geekery“) erwartet uns. Komik vom Feinsten und mit Hirn. Genauso mag ich es.

Etwas zum Ausprobieren zuhause: Wie man aus (jedem) Foto ein Exel-Spredsheet erzeugt.
Hier gibt es einige Videos, und hier (aus 2013), aber die werden der Stimmung in einer realen Aufführung nicht gerecht. Das Publikum tobte vor Begeisterung.
Diese Screenshots waren die Einleitung zur Veranstaltung. Man muss in GB wohl vor jeder öffentlichen Veranstaltung auf die nächsten Notausgänge hinweisen und die Zuhörer auf Gefahren sensibiliseren. Die Nerds taten dies auf ihre Art.

Nun noch einige Bilder aus anderen Veranstaltungen. Ein eigener Beitrag zu unterschiedlichen Vorlesungen über Gehirnforschung steht hier. Mit welchen Methoden man unser Denken und Fühlen tunen oder im Krankheitsfall heilen kann…





(c) alle Fotos H. Kleisny