Steigt man in Barcelona an der Metrostation Tibidabo aus, dann meist, um weiter auf den gleichnamigen Berg (für Österreicher: Hügel) zu wandern oder mit der Zahnradbahn hinauf zu fahren. Oben liegt ein etwas angejahrter, aber sehr schöner Achterbahn-Park mit durchaus zackigen Rollercoasters. Empfehlenswert für einen Tagesausflug.

Für den Geist anregender ist seit 2004 ein einzigartiges und sehr ungewöhnliches „Museum„. Die Bezeichnung ist eigentlich so unpassend wie irgend etwas. Am Fuße des Tibidabo präsentiert die Katalanische Bank Caixa (ausgesprochen „caischa“) ein interaktives naturwissenschaftliches Museum. Es ist eines der spannendsten und mit über 30.000 m² auch eines der größten naturwissenschaftlichen Museen in ganz Spanien. Alle Texte und Erklärungen sind in drei Sprachen: Katalanisch, Spanisch und Englisch.
Schon die Auswahl aus sechs Bildern von Gehirnen von Lebewesen ist schwierig: Welches ist nun das menschliche Gehirn? Das Größte ist es nicht (Pottwal). Und es geht munter weiter, wenn der Besucher nun mit einem Makaken konkurrieren soll. Nein, nicht im Klettern, da wäre jeder Affe sowieso um Klassen besser als ein Durchschnittsmensch. Aber bei Entscheidungen: Wie schnell ergreift der Mensch und Makake eine gezeigte Banane? Das müsste doch machbar sein.
Der Affe denkt: Essbar, Hunger, greifen.
Der Mensch denkt: Eine Banane. Ist die noch gut? Wem gehört sie? Darf ich sie essen? Macht es kurz vor dem Mittagessen noch Sinn, eine Banane zu essen? Na ja, nehmen wir sie sicherheitshalber mit.
Resultat: Die 100 Millisekunden des Affen vom Erkennen der Banane zum in der Hand halten ist vom Menschen nicht zu toppen.
Im CosmoCaixa geht es nicht darum, Dinge anzuschauen, sondern darum, sie auszuprobieren. Das Museum fordert an jeder Stelle zum Mitmachen auf. Themen aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen sind didaktisch und interaktiv erklärt. Physikalische, technische, geologische, chemische, mathematische und geologische Zusammenhänge werden an Hunderten Experimenten interaktiv nachvollziehbar.
Die Verschlüsselung von Information dringt mittlerweile auch in das Interesse von Jedermann. Die üblichen gängigen Verfahren sind alle nur mehr oder weniger sicher. Quantenkryptografie hat da eine Lösung: Sie ist, korrekt angewandt, zu 100% sicher. Die weißen und schwarzen Pixel im mittleren Kästchen sind zufällig verteilt. Erst wenn man die rechte Tafel im unteren Bild über die mittlere Platte schiebt, wird dechiffriert. Das Wort Hola (Hallo) erscheint. Aus Unordnung wird Ordnung. Und es gibt genauso viele falsche Schlüssel wie mögliche Botschaften. Jeder Angreifer hinterlässt eine Spur, er verändert die Anordnung. Schade, dass das noch ein wenig Zukunftsmusik ist.
In CosmoCaixa geht es auch ums Wetter und wie es unsere Erde beeinflusst und vice versa. Das Gehirn und unsere Entscheidungen sind Teil des Themenbereichs: Information und seine Verarbeitung. Das auch andernorts ausgestellte Foucaultsche Pendel darf nicht fehlen. Mit dem über 40 Meter langen Fadenpendel, das mit einer schweren Eisenkugel versehen ist, wird die Erdumdrehung nachgewiesen. Spannend, wann die einzelnen Pfeiler am Kreisrand umfallen, weil sie das Pendel berührt. Das zieht sogar Jugendliche in Scharen an. Auch ein originales Pendelgewicht, wie es Foucault verwendet hat, ist ausgestellt.
Für Piloten und andere Luft- und Meerfahrer gibt es vieles aus der Praxis in der Praxis zu erproben. Warum fliegt etwas? Wann und warum sinkt es im Wasser, in der Luft zu Boden? Schön, wenn man die Effekte selber im Versuch erzeugen und steuern kann. Hier nur ein Bild zur Strömung.

Der Zufall als treibende Kraft der Evolution. Ein Lebewesen muss sich in der ständig verändernden Umwelt zurechtfinden und erfolgreich weiter existieren. Dazu gibt es unterschiedliche Strategien: die Unsicherheit vorwegzunehmen etwa durch ein Immunsystem oder durch Intelligenz und Anpassung, die Umgebung zu wechseln (handeln) oder die Umgebung zu verändern (Technologie. Architektur, Farbe…) oder sich weiter zu entwickeln (Evolution, Aufrechtgehen…) Für alles gibt es im interaktiven Museum anschauliche Beispiele, viele davon leben und bewegen sich.


Die Kegelachse entspricht dabei der ursprünglichen Meteoritenbahn. Wo der „Kegel“ die Erdoberfläche unter seinem Winkel schneidet, bleiben die Trümmer liegen.
Die hier gezeigten Stücke stammen vom Gideon-Meteoriten, der in prähistorischer Zeit in das heutige Gebiet von Namibia fiel. Die Ellipse war mehr als 270 Kilometer lang und 100 Meter breit.
Um in die Haupthalle zu gelangen, muss man vom Eingang erst einmal fünf Stockwerke und 30 Meter tiefer.

In die Tiefe geht es entlang einer Helix, ähnlich anmutend wie der Weg im Guggenheim Museum in New York. Dabei führt der Weg um einen riesigen tropischen Baum aus dem Amazonasgebiet namens Acariquara. Das Holz ist extrem widerstandsfähig, es besitzt Silikateinlagerungen und wird daher für Maste oder etwa an der Ostsee als Bollwerk zum Küstenschutz eingesetzt. Abgesehen davon ist der Baum natürlich auch schön anzusehen. Bionisch eben, wie so vieles in der Natur mit mehr als einem Zweck.
Man könnte es auch als Bionik-Museum sehen. Denn genauso, wie es viele lebende Tiere und Pflanzen in ihrer Umgebung zu bestaunen gibt, hat auch eine gläserne Rolltreppe ihren Platz. Der Besucher kann Wellen erstehen lassen, Tornados (in den sogar hineingreifen), Vulkane ausbrechen, sich mit dem Zufall und dem Vorhersehen praktisch befassen. Oder sich als Detektiv anhand der Schleifspur einer Schnecke überlegen, wie das Tier wohl aussah, welche Form so eine Spur erzeugt.
Wem das alles zu irdisch ist, der sollte sich die Zeiten für die Besichtigung der Sterne im Planetarium vormerken.
Man nähert sich langsam mit vielen Terrarien, kleinen und einem großen Aquarium dem lebensgroßen Regenwald hinter Glas. So lange, bis man auch den Eingang findet und sich dann in einer komplett anderen Welt wähnt.

Die mehrfach angegebenen Zeit von zwei Stunden für die Besichtigung des gesamten Museums und seiner Inhalte ist nicht haltbar. Wir haben nach drei Stunden zum ersten Mal auf die Uhr geguckt und hatten noch lange nicht alles gesehen und ausprobiert.
(C) Alle Fotos: H. Kleisny