Der Erstflug der HY4 ist erfolgreiche Geschichte und medial genügend breitgetreten. Für mich zählt – wie Menschen, die mich kennen, wissen – mehr das Dahinter; alles, was sich hinter der öffentlichkeitswirksamen Medien-gegenseitig Abschreib-Lobhudelei abgespielt hat.
Mein Beitrag dazu mit breiteren Hintergrundinformationen (mehr zum Thema: zukünftige Antriebe) sollte eigentlich wieder bei Zeit-Online veröffentlicht werden. Nach einer Woche Lagerzeit aufgrund von Unterbesetzung (die jungen angestellten Kollegen fallen tatsächlich wegen Krankheit aus!) in der Redaktion habe ich ihn dann nach Absprache hier online gestellt. Lagerung macht vielleicht Wein besser, bei Fachbeiträgen sieht das aus meiner Sicht anders aus. Der folgende Text war begleitend dazu aber immer schon für den FlugundZeit-Blog vorgesehen.
Eigentlich wollte ich mit der Cessna zu dem Termin fliegen. Von Flugplatz zu Flughafen, ohne Auto (mit stundenlangem Staustehen rundum Karlsruhe). Das hätte aus Zeitgründen bei einem Termin um 9:30 morgens Sinn gemacht.
Die Flugsicherung spielte mit, anfangs telefonisch auch das Verkehrsmanagement (die „Bodenkontrolle“) am Flughafen Stuttgart, aber dann kam am Vortag die Absage: das Nein aus operativen, wie auch aus Sicherheitsgründen…
Da guckt man erst mal schräg. Wo doch angeblich auch bei der Cargo auf der Flughafen-Südseite alle Sicherheitskontrollen vorhanden seien, wäre kein Problem, ich hatte auch angeboten, Pass- und Lizenzdaten vorab zu liefern, wie üblich bei solch außergewöhnlichen Vorhaben. Und dann das…
Also beginnt man (frau) zu recherchieren. Und heraus kam, dass wohl alle näher Beteiligten, ganz schön viel Angst hatten, dass etwas beim Vorfliegen schief gehen könnte.
Durch den viel zu frühen morgendlichen Termin, wenn man auch Gäste aus dem Ausland und der gesamten Republik erwartet, mussten einige der arbeitenden Anwesenden schon am Vorabend anreisen und bekamen so hautnah mit, wie das Flugzeug, das per LKW aus Slowenien anreiste, abends noch zusammengebaut wurde. Und welch aufwändige Sicherheitsabsprachen sich dabei hinter den Kulissen abspielten.
So sollte etwa der Feuerwehrtruck einerseits ganz nah bei allen möglichen Gefahrenbereichen positioniert sein, andererseits aber auch nicht im Weg stehen. Im Endeffekt versperrte er die Sicht auf den Start der HY4. Im Nachhinein konnte ich verstehen, dass die Verkehrsmangementverantwortlichen sich nicht auch noch überlegen wollten, wo sie ein weiteres Kleinflugzeug sicher hinstellen sollten.
Selbst das Flugprogramm war nicht in Stein gemeißelt. Es sollte nach dem Abheben ein Teardrop geflogen werden, dann ein tiefer Überflug und eventuell noch weitere Manöver. Das würden aber die Piloten erst im Flug entscheiden. Beim Teardrop verschwand der Flieger für einige Zeit aus dem Sichtbereich der zahlreichen Zuschauer, kam aber dann für einen weiteren Vorbeiflug zurück.
Vor dem Rollen der HY4 in den Sperrbereich zu den geladenen Gästen und den arbeitenden Journalisten mussten die beiden Piloten sich noch schnell der Helme und Kopfschutz-Brandmasken entledigen – bevor die Fotografenmeute mit ihren Klicks drauflosfeuerte.

Dann aber waren alle erleichtert. Die Freude, dass alles sicher und gut abgelaufen war, war zu sehen und zu spüren. Nur, wenn das so eine Frage war, es um Haaresbreite auch anders ausgehen hätte können… Eine zukunftsweisende Technik muss schon mehr Stabilität beweisen. Da muss auch mal eine Cessna nebenan parken können, ohne dass jeder Angst hat, dass alles in die Luft fliegt.
Ein Projekt dieser Tragweite braucht natürlich auch Sponsoren. Und die stellten, abgesehen von den Entwicklern und Technikern, die geladenen Gäste. Einschließlich der Ehefrauen und sonstigem weiblichem Anhang. Warum sich diese Damen dann ins Cockpit setzen müssen und ihre Stöckelschuh-besohlten Füße auf die Pedale legen, ist unbegreiflich. Das störte vor allem die Fotografen, die mühsam versuchten, ihre Fotos ohne das menschliche Beiwerk zu bekommen.
Das Wetter spielte perfekt mit und mittags knallte die Sonne dann so richtig spätsommerlich schön und heiß aufs Vorfeld. Gute Stimmung brachte auch der Austausch mit langjährigen Kollegen. Und so bekamen wir danach auch noch die richtige Übersicht von oben: mit einem herzlichen Besuch am Stuttgarter Tower.
Den „neuen“ Tower kenne ich nun, seitdem er in Betrieb ist. Genauer gesagt, habe ich die Nacht des Umzugs auf die Südseite mit den Lotsen miterlebt. Tagsüber mein normaler 10 Stunden Tag in der Flugsicherung in Offenbach, dann abends nach Stuttgart (der Fotograf chauffierte) und am nächsten Tag wieder frisch und fröhlich an meinem Arbeitsplatz in der HV. Der daraus im Mitarbeitermagazin der Flugsicherung entstandene Bericht: Seite 1, Seite 2, Seite 3.
Zurück zur HY4. Trotz aller Anmerkungen in diesem Beitrag gilt, was ich auch hier im Ursprungsbeitrag geschrieben habe:
Ohne die Pioniere, die mehr wagen als der Durchschnitt, ohne Forscher, die sich tatkräftig für die Zukunft einsetzen, werden wir die Probleme der Zukunft nicht lösen können. Nur sollte man nicht versuchen, dem Publikum Sicherheit und Trallala vorzuspielen, wenn die Realität hinter dem Außenbild noch anders aus sieht.
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Und noch eine Berichtigung zu swr.de (am 10.10.2016 noch so online)
Der Geschäftsführer des Flughafens Stuttgart, Georg Fundel nannte Wasserstoff-Brennstoffzellen-Flugzeuge eine „Alternative zu Kerosin-betriebenen, kleinen Flugzeugen“, von denen auch lärmgeplagte Anwohner profitieren würden.
Kleinere Flugzeuge werden nicht mit Kerosin betrieben. Heute nicht und morgen nicht und überhaupt.
Es gibt einige ganz wenige Kleinflugzeuge, die Dieselmotoren haben; das wäre dann technisch zumindest auf einer Ebene mit Kerosin. Aber die überwiegende Masse heute fliegt mit AvGas100LL und das ist hochgetunetes Superbenzin (furchtbar vereinfacht ausgedrückt).
Näheres siehe in den grauen Erklärungen hier (seit August 2016 online).
Sollte der Geschäftsführer des Flughafens Stuttgart das tatsächlich so gesagt haben (ich habe es nicht mitbekommen), dann wäre das als Journalist sofort zu hinterfragen. Setzt allerdings Basiswissen über Sprit voraus …
Gerade gesehen, im Vorspann kam das auch schon vor, das Unwissen hat System:
Flugzeuge tanken Kerosin, Autos Benzin oder Diesel – das muss nicht so sein. Neben Elektroautos auf der Straße gibt es auch Elektroflugzeuge. Ein besonderes ist am Donnerstag über Stuttgart gekreist.
Nun, so viiiele Elektroflugzeuge gibt es noch nicht. Es war gerade mal eines in der Luft. Und gekreist ist das auch nicht. Es flog bis auf die Umkehrkurve ziemlich geradeaus der Landebahn entlang.
Kleinere Flugzeuge tanken schon seit jeher „Benzin“. Nur, dass die Additive im Autobenzin den meisten Flugzeug-Ottomotoren eher schaden. Daher Av(iation) Gas(oline).
alle Fotos: (c) Kleisny