Update 1: Kollision zweier Absetzflugzeuge in der Slowakei

Am 20. August um 9:30 Ortszeit morgens stießen zwei Let L-410 Flugzeuge (Registration OM-SAB und OM-ODQ) in der Nähe von Vršatec (Slovakei) zusammen. Start-Flugplatz war Dubnica (LZDB).

An Bord jeden Flugzeugs waren zwei Piloten und 17 Fallschirmspringer. Die Springer trainierten für den Slowakischen Formationssprung-Rekord (ein 33er bis 40er) aus beiden Flugzeugen. Der Zusammenstoß ereignete sich im Steigflug bei 1400 bis 1500 Metern.

Trotz der geringen Höhe konnten sich die meisten Springer mit einem Notabsprung retten. Unter den Toten sind alle vier Piloten und drei Springer. Zwei der Springer konnten das Flugzeug nicht mehr rechtzeitig verlassen, der Dritte verlor sein Leben beim Absprung aus der anderen LET.

Beide Flugzeuge schlugen in einem bewaldeten Gebiet auf. Ein Video zeigt, dass OM-SAB ausbrannte.

Die LET L-410 ist ein weltweit vielfach eingesetztes Flugzeug zum Absetzen von Fallschirmspringern. (Habe selber auch etliche Sprünge aus LETs).

Es ist noch viel zu früh für das Ergebnis einer offiziellen Untersuchung und dabei gezogenen Schlußfolgerungen, aber mit dem Flugzeugtyp hat ein Zusammenstoß in der Luft wenig zu tun. Es liegt am Formationsflug, der eine Herausforderung für „normale“ Absetzpiloten ist.

Singuläre Augen- und Ohrenzeugenberichte sind stets mit Vorsicht zu werten. Trotzdem erscheinen sie mir in diesem Fall sinnvoller und näher an der Wahrheit dran als alle News:

Nach Aussagen eines Springers an Bord war seine Let für rund 10 Sekunden in einen Spin geraten, aus dem der Pilot sie wohl nochmal recovered hatte. (Vielleicht war das erste aber auch „nur“ der Stall, der Strömungsabriß, Anmerkung hkl). Das war der Flieger, aus dem alle Skydiver rechtzeitig rauskamen, bevor der Pilot endgültig die Kontrolle über das Flugzeug verlor. (Und das Flugzeug nun möglicherweise in einen (weiteren?) Spin geriet.) Ein Schirm aus diesem Flugzeug öffnete aber wohl nicht mehr rechtzeitig (wegen der geringen Höhe).

Die anderen beiden Springer-Fatalities kamen aus dem zweiten Flugzeug. Sie stießen nach Aussagen des Springers wohl mit der Tür oder etwas anderem zusammen und konnten das Flugzeug nicht mehr rechtzeitig verlassen.

Kommentar hkl:
Beide Flugzeuge waren nach den Zusammenstoß, wegen der Beschädigungen und der vermutlich schnellen Bewegungen der Springer (alle wollen raus, überleben und das am besten gleichzeitig – Ladefaktor) vermutlich in dynamischen Fluglagen mit hohem g-Faktor. Der kann schon verhindern, dass man überhaupt noch die Tür erreicht als Letzter.

Lokale Pressetimme mit zahlreichen Fotos und besagtem Video. 😦

Unsere Gedanken sind mit den Hinterbliebenen und Freunden der Springer und Piloten.

Sehen und gesehen werden in der Luft

Quelle: Flugsicherungsunternehmen/ BFU/ Google EarthTM

See and avoid – heißt eine der Basisregeln beim Fliegen nach Sicht. Zu gut Deutsch: Neben dem Überwachen der Instrumente, dem Steuern des Flugzeugs und dem Antworten auf die Fragen der Passagiere muss der Pilot auch konstant nach draussen gucken: Und zwar nicht ob – sondern wo die anderen Flugzeuge in der Luft unterwegs sind.

Dass Letzteres für den Piloten alleine schon eine aufgabenfüllende Tätigkeit ist bei manchen Sichtverhältnissen, zeigt die Praxis. Flugrichtung in Richtung Sonne – da hilft auch die beste Sonnenbrille nicht wirklich, um genau und schnell zu entscheiden, was der Punkt da vorne da nun ist: eine tote Mücke auf der Scheibe, oder ein Flugzeug, dass sich uns genau von vorne (head on) mit einer Geschwindigkeit von 180 Stundenkilometern nähert.

Quelle: Flugsicherungsunternehmen/ BFU/ Google EarthTM
Quelle: Flugsicherungsunternehmen/ BFU/ Google EarthTM

Dabei wird der Punkt zwar langsam größer, aber da wir uns mit rund 360 Stundenkilometern annähern, hilft das nicht wirklich, einen Zusammenstoss zu vermeiden. Ein typisches vier- bis sechssitziges Flugzeug, umgangssprachlich gerne als Kleinflugzeug benannt, hat ungefähr die Größe eines PKWs mit Tragflächen, die man genau von vorne im Querschnitt kaum sieht. Und auf wie viele Kilometer sieht man ein Auto, das einem (hoffentlich nicht) genau auf der eigenen Fahrspur entgegenkommt?

Ein Beispiel aus der Praxis, von Dezember 2012 in der Gegend um Wölfersheim-Melbach (Hessen). Da waren eine Piper Saratoga mit 5 Personen an Bord und eine Robin Regent mit 3 Personen zusammengestossen und alle verunglückt. Die beiden Piloten waren gut ausgebildet, current und physisch und geistig perfekt in der Lage, ihr Flugzeug zu steuern.

Quelle: Flugsicherungsunternehmen/ BFU/ Google EarthTM
Quelle: Flugsicherungsunternehmen/ BFU/ Google EarthTM

Kurz vor dem Zusammenstoss: Auch in der Luft hat der Rechtskommende Vorrang. Das hilft jedoch nicht wirklich, wenn der links Fliegende gegen die Sonne andere Flugzeuge nicht rechtzeitig erkennen kann und denen entsprechend ausweicht, also seinen Flugweg ändert: in eine andere Höhe und/oder Richtung, weg vom möglichen kreuzenden Flugweg.

Der Pfeil ist meines Erachtens etwas irreführend, denn er bezeichnet die Stelle aus der die Sonne scheint. Er zeigt also in Richtung Sonne.

Einige Fakten aus der Flugunfalluntersuchung:

Beide Luftfahrzeuge verfügten über Navigationshilfen (Funknavigation und GPS). Es bestand Funkverbindung zwischen der Robin und der Flugleitung Reichelsheim. Der Funkverkehr stand zur Auswertung zur Verfügung.

Nach Auskunft des Deutschen Wetterdienstes (DWD) lagen die Sichten bei 15 bis 20 km. Die Sonne befand sich zur Unfallzeit gegen 16:04 Uhr in einer Position von etwa 240 Grad und einem Winkel von etwa vier Grad uüber dem Horizont. Der Sonnenuntergang wurde für den Unfallort mit 16:22 Uhr angegeben.

———————————–

Ergänzung 21.3.2013: Hubschrauberabsturz in Berlin

Viel gibt es zum Zusammenstoss der beiden Polizeihubschrauber nicht zu sagen. Was passierte, war so offensichtlich, dass auch die gängigen Medien (Beispiel: Focus) eine recht gute Beschreibung lieferten. Offizielle Untersuchungen (Abschlussbericht) gibt es klarerweise noch nicht. Da es aber auch um Sichtprobleme ging, wird er hier erwähnt.

Das Fliegen/Steuern des Luftfahrzeugs hat für den Piloten absolute Priorität. Dabei muss allerdings der Flugweg, in diesem Fall nach unten, frei sein. Auch wenn der Mensch im Allgemeinen meint, dass er alles mit seinem Wissen und seiner Technik beherrscht, das Wetter ist eine Naturgewalt, die in vielen Fällen nicht dazu zählt.

Bei manchen Wetterbedingungen ist es ratsamer, am Boden zu bleiben, obwohl die Luft lockt.* Was bei Polizeieinsätzen sicher oftmals härter an die Grenzen kommt, als bei privaten oder kommerziellen Flügen. Darum werden auch vielleicht Polizei-Trainingseinsätze unter härteren Bedingungen geflogen als Übungsflüge anderer Piloten.

* Der weise Spruch dazu, den jeder Pilot schon einmal in seinem Fliegerleben live erlebt hat: „Sometimes its better to stay down here, wishing you were up there, instead of being up there, wishing you were down here.