Denken ist wie googeln – nur krasser…
Heute startete das diesjährige interaktive Businessfestival The Arts+, das sich mit der Zukunft von Kunst, Kultur und der Kreativwirtschaft auseinandersetzt. Denn die Buchmesse ist eine Contentmesse – Bücher sind nur eine von vielen Arten, einzigartige Inhalte zu verbreiten. Der Einsatz neuer Medien soll bekannte Inhalte neu in Form, Gestaltung und Verwertung in Szene setzen und The Arts+ soll dabei Designer, Techniker, Grafiker, Autoren und die Filmwirtschaft an einen Tisch bringen, um gemeinsam Innovationen zu entwickeln und zu präsentieren.
In diesem Workshop ging es um die Präsentation von Museumsinhalten. Was verstaubt anmutet, ist in Wirklichkeit bereits komplett im Umbruch. Wenn die Entscheider der führenden Museen in Europa selber feststellen, dass man künftig vielleicht fachlich mit einer komplett anderen Führungsmannschaft zur Präsentation der Objekte arbeiten muss, dann ist das eine weitere Branche, die die Disruption durch die Digitalisierung begriffen hat und bereits dabei ist, deren Chancen umzusetzen. „Es ist ein kompletter Neuansatz, weg vom gezeigten Objekt zu gehen und den Fokus zum Nutzer zu wenden.“
Zusammenarbeit heißt die Devise von einst starken Konkurrenten. Klar, wer die Chance hat, sich im Smithonian die realen Fluggeräte der Geschichte anzusehen (1903 Wright Flyer; Spirit of St. Louis, SpaceShipOne…), für den ist Virtual oder Augmented Reality nur ein Abklatsch. Aber es muss auch nicht jedes namhafte Technikmuseum erneut an einem klobigem Turbinenmodell zeigen, wie eine Turbine funktioniert. Bei dem der Aktivierungsknopf sehr oft nicht (mehr) funktioniert. Die Wirkungsweise lässt sich viel eleganter, mit einigem Aufwand, digital in 3D zeigen. Und somit von zuhause bequem jederzeit und so lange, wie der Betrachter braucht, abrufen.
Der Betrachter, der nicht mehr Vorort sein muss, sondern in 3D oder Virtual Reality nach seiner Zeiteinteilung sich Kunst oder Wissenschaft aneignen kann. Sich zu allem, was ihn mehr interessiert, weitere Informationen auf allen möglichen Kanälen heranzuziehen und locker überspringen, was ihn im Moment gar nicht tangiert. Mit VR-Brillen lässt sich das alleine oder auch vernetzt mit anderen erleben. Der frei wählbare Zeitfaktor spielt dem Betrachter zu: Weder ist die Stätte seines Interesses an Ostern geschlossen, zudem kann er auch nachts um 12 noch virtuell durch die Gänge schlendern. Wenn er möchte.

Das Bild oben zeigt eine Zeichnung zur Museumssession von Anne Lehmann. Die Grafikerin begleitet Veranstaltungen des Business Clubs auf der Frankfurter Buchmesse seit Jahren. Neu ist, dass sie nicht mehr an der Wand auf großen Papierbögen ihre Darstellung des Veranstaltungscontents illustriert, sondern sie sitzt mittlerweile mitten unter den Teilnehmern und scribbelt auf ihrem iPad.
Ähnlich wie David Hockney, der im letzten Jahr auf der Einführung-Pressekonferenz auf seinem iPad malte.
Andere Technik, der Stil von Anne Lehmann hat sich (meines Erachtens) dadurch auch geändert. Aber immer noch gleich informativ und eben anders als eine Textmitschrift.

Digitale Kunstinstallation eines Live-Videos. Beide Verfremdungen (und es gab noch einige mehr) stellen die gleiche reale Szene im Live-Feed dar. Die Frage: Was ist wahr? stellt sich hier nicht, denn beides ist wahr und doch auch nicht.
Ohne 3D-Drucker scheint es an vielen Ständen der Buchmesse nicht mehr zu gehen. Rechts oben, der zartblaue Klecks ist eine Plastikbuchstütze, rechts unten gibt es ein aufgeschnittenes Triebwerk und im Fach darunter einen gedruckten Plastikschlapfen.
Das gelbe gedruckte Plastikinstrument aber hat mich komplett verblüfft. Blechern kann man den Klang nicht nennen, als zartbeohrter Musiker bestenfalls plastikern. Im Lärm der Buchmesse klingt es jedenfalls richtig gut.

Tobias Wengert ist der Veranstalter des Crossmedia Fantastik Festivals Dragon Days in Stuttgart. Und als solcher auch schon seit einigen Jahren auf der Buchmesse. Die Dragon Days sind ein „Literaturfestival, das die Grenzen anderer Medien überschreitet und die Fantastik als literarische, filmische, digitale, soziale und grafische Kunstwelt vorstellt. Darüber hinaus präsentieren die Dragon Days fantastische Stoffe auch in Medien, die nicht sofort mit Fantastik in Verbindung gebracht werden wie beispielsweise Architektur, darstellende Kunst, Musik oder Modedesign.“
Mehr als Buch…
„Hätte ich das in meiner Schulzeit gehabt, hätte mir das Lernen wesentlich mehr Spaß gemacht“, meint der zufällig am Stand anwesende (noch junge) Techniker. Das handfeste Schulbuch 4.0 arbeitet mit digitalen Inhalten. Nee, nicht QR-Code. Das war gestern. Hier hält man einfach das Mobiltelefon über irgendeine Stelle auf einer Buchseite und die App (Meta Buch) erkennt, worum es darauf geht und liefert Videos und andere digitale Inhalte passend zum Thema. Augmented Reality in der Schule. So kriegt man die Kinder der Millenials zum Lernen! (Nur die Lehrer müssen bei der Digitalisierung noch mitspielen…). Tolle Sache.
Der Illustrationsautomat ist eine Maschine, die „jeden Wunsch erfüllt“. Gegen Bezahlung natürlich. Man schreibt einen Wunsch auf einen Zettel und der Illumat spuckt eine individuell erstellte Zeichnung mit der Umsetzung des Wunsches aus.
Auch so kann man als Verlag seine Autoren präsentieren: als Content im eigenen Verlagslogo. Die perfekte Einheit.
Das fand ich nicht so prickelnd, eher beschämend für einen Verlag, der anscheinend keine eigenen griffigen Titel für seine Bücher hat und den eines Bestellers (Das geheime Leben der Bäume) zweitverwertet. Hier geht es allerdings ums Internet. Da ist nicht mehr viel geheim an der Titelzeile.
Zu guter Letzt: Anders sein heißt nicht unbedingt irgend etwas mit digital zu machen.
Ein Bibelverlag setzt ein Zitat ganz profan mit echten, kleinen gebackenen Brotstückchen auf echten, gebogenen Löffeln um. Am Nachmittag des ersten Messetages mussten die Aussteller bereits zweimal neue Löffel-Brötchen nachfüllen. Und wenn man genau hinsieht, sind schon wieder einige Löffel leer…
Der Mensch lebt nicht von der Buchmesse allein…