British Science Festival Brighton 2017: Der Flug

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Kaffeeflüge – im englischen als 100-Dollar-Burger-Flights bezeichnet– waren nie so mein Ding. Auch wenn es quer durch Europa oder in den USA ging – meine Flüge haben meist das Ziel, dass über die Reise berichtet wird. Und zwar so, dass andere, die das offensichtlich gerne tun, sie „nachfliegen“ können. (Einen Anspruch, den dieser Beitrag nicht hat. Er dient als Rahmenwerk zu folgenden Beschreibung des Science Festivals.)

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Ja, die Punkte da drauf sind Original Muckensch… Ist nicht so einfach, die während des Fluges zu entfernen 🙂 Geschlossene Wolkendecke … Not a perfect day for a VFR flight würde der britische Meteorologe sagen

Die British Science Festival Woche ist in jedem Jahr eine Reise wert. Und wenn sie dann noch in einer Stadt stattfindet, zu der es keinen Linienflug gibt, die Anreise über Land und Wasser zudem mehr als einen Tag dauert, wenn man nicht selber hinfliegt, dann macht es richtig Sinn, mit der Cessna in weniger als vier Stunden direkt von zuhause ans Ziel zu fliegen.

Denkt man.

In der Realität ist die Kombination von einer Veranstaltung, die man unbedingt sehen will und einem Flug, der dazu Voraussetzung ist, manchmal grenzwertig. Hotel gebucht, angemeldet zur Veranstaltung und das Wetter: schlicht grenzwertig.

Der Flug zur Insel hat wettermäßig so seine prinzipiellen Tücken. Denn: Eine stabile Hochwetterlage über ganz Zentraleuropa bedingt das ausgedehnte Tief über Irland oder England. Also: Entweder das Zielgebiet hat Regen, Wind und alles, was man sonst nicht braucht beim Sichtflug, oder das Schmuddelwetter fängt schon am Abflugplatz in Deutschland an, wird aber zum Zielgebiet besser.

Kurzer Exkurs zur Fluggeschwindigkeit. Ein Auto oder ein Zug, die 100 Stundenkilometer fahren, bewegen sich genau mit dieser Geschwindigkeit fort, egal woher der Wind kommt. Flugzeuggeschwindigkeitsangaben sind nicht so eindeutig. Da gibt es eine Geschwindigkeit in der Luft (airspeed) und eine über Grund (groundspeed), die der erdgebundenen Fortbewegung entspricht. (Und noch ein paar andere Geschwindigkeiten, auf die wir hier nicht eingehen). Diese beiden können sich erheblich unterscheiden.

Die Geschwindigkeit in der Luft ist vom Flugzeug und seiner Motorisierung abhängig. Es gibt also eine Geschwindigkeit pro Flugzeug, die ich mit mehr Gas oder Änderung der Fluglage erhöhen oder senken kann. Über die maximale, herstellungstechnisch festgesetzte Geschwindigkeit, komme ich als Pilot nicht hinaus. Nehmen wir an, die sei bei der Cessna 172 für den geplanten Reiseflug 105 Knoten.

Mit starkem Gegenwind von 40 oder mehr Knoten kann sich die Geschwindigkeit über Grund, diejenige die zum Zielflugpatz führt, arg reduzieren. So ist der Flieger trotz maximaler Flugleistung nur mit 60 bis 80 Knoten unterwegs. Das verlängert die Flugdauer erheblich. Wir sind ähnliche Strecken nach Südengland schon in deutlich weniger als vier Stunden geflogen. Eine Zwischenlandung ist trotzdem meist sinnvoll, wenn der Zielflugplatz in England kein Point of Entry ist oder auch, damit noch ausreichend Sprit geplant im Tank ist für etwaige Ausweichflugplätze oder eben doch stärkeren Gegenwind auf der langen Strecke.

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Die Kreideküste noch aus IFR-Anflug-Höhe vor der Landung in Lydd.

Diesmal also leider ein realer Instrumentenflug mit starken Böen im Wolkengrau. Ein Flugzeug fällt wegen unterschiedlicher Luftschichten nicht runter. Ängste diesbezüglich sind Unsinn. Aber auch wenn man das weiß, der Magen hat so seine eigenen Vorstellungen davon, was angenehm ist.

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Lydd (EGMD)

Der Hinflug führte von Egelsbach (EDFE) nach Lydd (EGMD), GB. Fast genau vier Stunden Flugzeit mit starkem Gegenwind. Nach den obligaten Einreisemodalitäten kam der erneute Wettercheck, wie wir den letzten Hüpfer westlich nach Brighton bewerkstelligen könnten. Zug war nur mit mehrmaligem Umsteigen und zusätzlichem Busfahren möglich. Mehrere Stunden insgesamt. Auto mieten ging nicht: Die Vermietung vermietet nicht an Personen, die gerade erst eingereist sind. Aber ein freundlicher lokaler Pilot, bot uns an, per Funk das Wetter der Küste entlang zu melden. Hierzulande entspricht das „dem Rheintal entlang fliegen“.

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Und das ist die gleiche Kreideküste auf dem Weiterflug nach Shoreham (Brighton). Sichtflug.

In Ameisenkniehöhe (unter 500 Fuß) schlängeln wir uns den Kreidefelsen entlang und erreichen gerade vor der nächsten Front den historischen Flugplatz Shoreham (EGKA). Und von da geht es nach Festzurren des Flugzeugs direkt nach Brighton.


Der Rückflug einige Tage später

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Old Shoreham, der historische Flugplatz von Brighton.

Abflug bei strahlendem Sonnenschein. Aber: Das Wetter über dem Festland hat sich nicht wirklich gebessert. Letzte Nacht zog in Südengland eine gewaltige Front durch, die wir auf dem Nachhauseweg wieder einholen und durchqueren werden. Die Windgeschwindigkeiten sind in der Flughöhe noch immer stark: aus 230 mit 30 Knoten – also nicht mehr direkt aus Westen, sondern aus Südwesten. Man kann nicht alles haben, wäre ja zu schön gewesen. Jedenfalls erhöht sich die Geschwindigkeit über Grund gegenüber der Hinfluggeschwindigkeit vor einigen Tagen. Das ist schon mal gut. Weniger gut ist, dass in den eingebetteten dicken Wolken auch CBs sind. Das sind die kilometerhohen amboßförmigen Gewitterwolken, in denen es stürmisch zugeht; die man im Instrumenten-Flug in den Wolken aber nicht rechtzeitig erkennen kann.

Der Rückflug führt von Shoreham nach Ostende (Belgien) zum Auftanken und dann direkt wieder zurück nach EDFE. Unten im Bild der Flughafen Ostende und die belgische Küste.
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Konan. Kein Barbar, sondern ein Wegpunkt über dem Kanal, überm Wasser, nur mit Navigationsempfängern zu lokalisieren.

Große Verkehrsflugzeuge haben zur Lokalisation von Gewittertürmen (CBs) Radarbildschirme, auf denen diese Gebiete dunkelrot dargestellt sind. „Request heading xyz to avoid“ mit einer gewünschten Kursänderung von einigen Grad sind so die typischen Funksprüche dazu. Wir können nichts requesten, weil wir die Turbulenz fühlen ohne sie zu sehen. Auch nicht prickelnd. (Davon habe ich verständlicherweise keine Fotos. Wäre grau in grau in grau und verwackelt…)

Die einzige machbare Konsequenz wäre, den Flug abzubrechen und an einem anderen Tag weiterzufliegen. Womit wir wieder bei der Kombination Veranstaltung und Flug wären…

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Je näher wir an Frankfurt kommen, um so lichter werden die Wolken, zumindest um und unter uns. Die Front liegt nun hinter uns, wir werden sie wohl zuhause noch ein drittes Mal erleben…

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1 Knoten (kn) = 1.852 Kilometer/Stunde, Stundenkilometer = Kilometer pro Stunde

alle Fotos (c) Kleisny