
Walter Moers‘ Bücher sind genausowenig Kinderlektüre wie Alice im Wunderland. Wobei Alice hierzulande leider meist auf Deutsch gelesen wird, was dem oft mehrdeutigen Wort-Sprachwitz nicht gerecht wird. Dafür ist Walter Moers ein deutschsprachiger Autor und so können wir all seinen hintersinnigen Gedankensprüngen und Denkansätzen im Original folgen.
Moers bietet weniger (versteckte) Mathematik und Logik-Spielereien in seinen phantastischen Büchern als Lewis Carroll, aber mit den mehrdeutigen weiterdenkenden Wortspielereien kann er absolut mithalten. Schon von den 13 1/2 Leben des Kapitän Blaubär hatte ich vieles darin als Übungen für die Journalistenausbildung an der FH genutzt. Keiner der Studenten kam auch nur auf annähernd so viele schillernde Farbbeschreibungen wie Moers auf einer Seite. Die Auflösung verblüffte regelmäßig. Nicht nur für angehende Autoren sind sein scharfsinniger Sprachwitz und seine Gedankenspielereien eine Bereicherung. Jedes seiner Bücher regt die Phantasie und damit das Denkvermögen des Lesers an. Umdenken. Weiterdenken. (…Das Credo von FlugundZeit)
Moers‘ neuester phantastischer Roman ist eine „abenteuerliche Liebesgeschichte und eine Reise durch das träumende Gehirn“. Auf so etwas muss man erst einmal kommen.
„Willkommen in Deinem Alptraum
In unserem schlaflosen Traumraum
Zusammen sind wir allein
Wir gehen auf eine Reise
Auf unbewegliche Weise
Und kehren niemals mehr heim.“
Gesang der Nachtmahre
Regelmäßiger und ausreichender Schlaf ist gerade in der Luftfahrt mit vielen Schichtzeitberufen ein wiederkehrendes Problem-Thema: Einschlafschwierigkeiten zu tageshellen Zeiten, weil der Rückflug in acht Stunden ansteht, Durchschlafprobleme, weil im Hotelzimmer nebenan die Nacht durchgefeiert wird und andere Menschen eben Geburtstag, Neujahr, Halloween oder was auch immer fröhlich feiern, während die Crew schlafen sollte.

Im Phantasieland Zamonien, Moers-Fans gut bekannt aus sechs Vorgängerbüchern, leidet auch Prinzessin Daylia an heftigen Einschlafschwierigkeiten.
Nach 18 Schlaflosen Nächten bekommt sie Besuch von einem alptraumfabenen Nachtmahr mit kuriosen Manieren. Er will Daylia in den Wahnsinn treiben, bietet aber an, vorher mit ihr noch eine abenteuerliche Reise durchs Gehirn zu unternehmen, unter anderem nach Amygdala, der Stadt der Angst. Unterhaltsamer und anregender kann man sich nicht mit dem eigenen Gehirn und allem, was darin abgeht, befassen.
Vielleicht liegt es daran, dass ich mir unmittelbar zuvor nachts jeweils mehrere hundert Seiten Shantaram reingezogen habe. Shantaram ist mit seiner realen, brutalen, detailreichen Abenteuer-Erzählung so ungefähr das genaue Gegenteil vom träumerischen Insomnia. Bei der somnambulaten Sprache von Insomnia kann ich keine fünfzig Seiten durchhalten, ohne komplett wegzuträumen. Ohne irgendwann sanft Einzuschlafen. Nicht, weil das Buch langweilig wäre. Sehr abwegig. Aber Inhalt und Sprache lassen das eigene Gehirn so langsam wegdriften. Hin in ein Traumland, bei dem sich der Schlaf ganz langsam und unbemerkt anschleicht und dann irgendwann das Lesen besiegt.
Möge das Buch statt alkoholischer Möchtegern-Einschlafhilfen zu angenehmer Nachtruhe nach dem Lesen und wundervoll ausgeruhten Morgen verhelfen!
Für alle Menschen mit blühender Phantasie und solchen, die sie gerne anregen wollen. Und (positiv gemeint!) als Einschlaf- und Träumhilfe.