So fliegen Verkehrsflugzeuge: Das Jet-Triebwerk

(c) Kleisny

Weil in der Öffentlichkeit (Presse und Stammtisch) sowohl die unterschiedlichen Treibstoffe als auch der Antrieb: Viertakter wie beim Auto und Turbinen gerne durcheinandergeworfen werden,  gibt es im FlugundZeit-Blog heute einen Gastbeitrag von Ingenieur und Linienpilot Erik B., der anschaulich erklärt, was hinter einem Jetantrieb steckt.

(c) Anfragen für Text und Zeichnungen bitte an den Blog.


Das Prinzip eines Jetantriebs ist simpel: Wir haben einen Verdichter, eine Brennkammer und die Turbine. Der Verdichter komprimiert die Luft, die vorne ins Triebwerk hinein kommt, und bläst/presst sie in die Brennkammer. (Sucht man eine Analogie zum Kolbenmotor, dann ist das vergleichbar mit den ersten zwei Takten eines Vier-Takt Motors. Der Kolben geht runter und saugt an (Takt 1) der Kolben geht gegen das nun geschlossene Ventil nach oben und verdichtet.)

In der Brennkammer wird Kraftstoff eingespritzt und angezündet. Dies Anzünden ist nur beim Start nötig. Brennt es einmal in der Brennkammer, dann bleibt das Feuer ständig an. Es handelt sich um eine kontinuierliche Verbrennung. (Analogie zum Kolbenmotor: Einspritzung und Zündung am oberen Totpunkt).

Durch die Verbrennung expandiert das Kraftstoff-Luft-Gemisch und treibt damit die dahinter liegende Turbine an. (Analogie: 3. Takt. Der Arbeitsmarkt, bei dem der Kolben von den expandierenden Gasen nach unten gedrückt wird und die Kurbelwelle antreibt)
Turbine und Verdichter sitzen auf der gleichen Welle. Somit treibt die Turbine den Verdichter an.

Der Schub des Triebwerks entsteht dadurch, dass die Luft hinten wesentlich schneller heraus kommt, als dass sie vorne rein gekommen ist. Die Luftmasse wird also nach hinten beschleunigt. Getreu der Formel: Actio gleich Reactio, wirkt dadurch auf das Triebwerk eine Kraft nach vorne. Siehe Abbildung 1.

Abb. 1: 1 Verdichter, 2 Brennkammer, 3 Turbine

In der Regel bestehen sowohl der Verdichter, als auch die Turbine aus mehreren Schaufelrad-Kränzen. Für die weiter hinten liegenden Kränze des Verdichters wäre es aufgrund des mit jedem Kranz steigenden Druckes aus Aerodynamischen Gründen vorteilhaft, wenn sie schneller drehen würden, als die davor liegenden Kränze. Genauso wäre es für die ersten Kränze der Turbine besser wenn sie schneller drehen würden, als die dahinterliegende Kränze.

Deshalb teilt man den Verdichter und die Turbine in jeweils einen so genannten Hochdruck- und einen Niederdruck-Teil ein. Von vorne nach hinten besteht das Triebwerk dann aus:

  • Niederdruck-Verdichter,
  • Hochdruck-Verdichter,
  • Brennkammer (eine Ringbrennkammer, oder mehrere im Ring um den Schaft, die Welle angeordnete einzelne Brennkammern),
  • Hochdruck-Turbine und
  • Niederdruck-Turbine.

Dabei treibt die Hochdruck-Turbine den Hochdruck-Verdichter an. Sie sitzen auf einer Hohlwelle, der sogenannten N2 Welle. Durch diese Hohlwelle verläuft die Welle mit der die Niederdruck-Turbine den Niederdruck-Verdichter antreibt. Man spricht dann von einem Zwei-Wellen-Triebwerk. Siehe Abbildung 2.

Abb. 2: 1 Niederdruck-Verdichter, 2 Hochdruck-Verdichter, 3 Brennkammer, 4 Hochdruck-Turbine, 5 Niederdruck-Turbine

Man kann den Verdichter und die Turbine auch in drei Teile aufteilen: Dann besteht die N1-Welle aus Niederdruck-Verdichter und Niederdruck-Turbine, die N2-Welle (Hohlwelle) aus der Mitteldruck-Verdichter und der Mitteldruck-Turbine und die N3-Welle (Hohlwelle um die Hohlwelle) aus Hochdruck-Verdichter und Hochdruck-Turbine. (Siehe auch weiter unten: 3 Wellen Turbo-Fan)

Dies waren bis jetzt Jet-Triebwerke: Alle Luft, die vorne rein kommt, geht durch das gesamte Triebwerk. Diese Triebwerke sind sehr kompakt und leistungsstark. Sie können beispielsweise bei Kampfflugzeugen im Rumpf verbaut werden. Allerdings sind sie weder wirtschaftlich noch leise. Im zivilen Luftverkehr also weniger gern gesehen. Da kommen heute Turbo-Fan-Triebwerke mit einem besseren Wirkungsgrad (siehe weiter unten) zum Einsatz.

Dafür können die reinen Jet-Triebwerke mit einem Nachbrenner ausgestattet werden. Dabei wird die Triebwerks-Röhre hinter der Turbine verlängert und dort wird in den heißen Abgasstrahl nochmal Brennstoff eingespritzt, der dort verbrennt. Dies erhöht Druck und Temperatur des Abgasstrahls. Die heiße Luft schießt damit noch schneller hinten raus. Der Schub wird erneut erhöht.

Der Nachbrenner ist eine gute Sache um kurzfristig die Leistung stark zu erhöhen. Wirtschaftlich ist er nicht. Die freie Verbrennung in der Schub-Düse ist außerdem extrem laut. Nachbrenner taugen damit eigentlich nur für Kampfflugzeuge. Im wesentlichen waren die einzigen zwei Verkehrsflugzeuge mit Nachbrenner die Concord und die Tupolev Tu-144. Sie hatten die Nachbrenner zum Start benutzt.

Moderne Verkehrsflugzeuge werden also von Turbo-Fan-Triebwerken (auch Mantelstrom-Triebwerk genannt) angetrieben. Bei diesen Triebwerken befindet sich vor dem ersten Schaufelrad-Kranz des Verdichters ein Schaufelrad-Kranz mit deutlich größerem Durchmesser. Er sitzt auf der N1-Welle, also auf der Welle des Niederdruck-Verdichters und der Niederdruck-Turbine. Nur ein geringer Anteil der Luft, die durch diesen so genannten Bläser (englisch: Fan) geht, gelangt in den Kompressor, also ins eigentliche Triebwerk. Der größere Rest strömt, vom Bläser nach hinten beschleunigt, am Kern des Triebwerks vorbei.

Den Bläser kann man sich grob wie einen Propeller mit sehr, sehr vielen Blättern vorstellen. Man spricht nun auch von einem kalten und einem heißen Kreis. Der kalte Kreis – auch Mantelstrom genannt – ist die Luft, die nur vom Bläser nach hinten beschleunigt wurde. Der heiße Kreis – auch Kernstrom genannt – ist die Luft, die durch Kompressor, Brennkammer und Turbine gegangen ist und hinten eben entsprechen wärmer raus kommt. Der Gesamtschub ist die Summe der Schübe vom kalten und heißen Kreis.

Das Verhältnis von Mantelstrom zu Kernstrom ist das Nebenstromverhältnis (englisch. Bypass Ratio):  Je höher das Nebenstrom-Verhältnis desto besser ist die Wirtschaftlichkeit und der Schub im unteren Geschwindigkeitsbereich.

Dadurch, dass der kalte Strom den heißen Strom und den Kern des Triebwerkes „ummantelt“, bedämpft er auch den dort entstehenden Lärm. Mantelstrom-Triebwerke sind leiser.

Ein zwei Wellen Turbo-Fan-(Mantelstrom-)Triebwerk sieht also so aus:

 

Dies war Jahrzehnte lang der Standard. Die Drehzahl der N1 stellt aber immer nur einen Kompromiss dar. Der Fan möchte gerne langsam laufen und große Schaufeln mit hohem Anstellwinkel haben, um große Luftpakete kraftvoll nach hinten zu schieben. Der Niederdruck-Verdichter möchte gerne mit hohen Drehzahlen schnell Druck aufbauen.

Deshalb setzte sich immer mehr der Drei-Wellen-Turbo-Fan durch.

Doch auch damit gaben sich die Ingenieure nicht zufrieden. Deshalb ist der momentan letzte Schritt der Entwicklung der Getriebe Fan.

Beim Getriebefan sitzt der Fan/Bläser immer noch am Anfang auf der N1 Welle, doch zwischen Welle und Bläser befindet sich ein Getriebe. Der Bläser läuft so mit einem festen Untersetzungsverhältnis um einen bestimmten Faktor langsamer als die N1 Welle. Somit laufen sowohl der Niederdruck-Verdichter als auch der Bläser für sich mit „angenehmeren“ Drehzahlen. Allerdings erhöhen sich Gewicht und Komplexität.