Updated 9.7. Nach dem Bericht der amerikanischen Flugunfall-Untersuchungsstelle NTSB vom 8. Juli:
An Bord des Flugzeugs waren vier Piloten, die im Laufe des 8.7. interviewt werden sollten. Wer das Flugzeug im Anflug gesteuert hat und wer zu diesem Zeitpunkt das Kommando hatte, ist noch nicht veröffentlicht. Die Sicherstellung der Flight Bags und der Navigationskarten der Piloten ergab, dass sie die zum Zeitpunkt des Unfalls korrekten Anflugkarten für San Francisco verwendeten.
Die Untersuchung beider Triebwerke ergab, dass beide zum Zeitpunkt des Aufschlags Schub lieferten. Die bestätigen auch die Aufzeichnungen des Data Recorders. Das rechte Triebwerk, welches neben dem Rumpf gefunden wurde, zeigte Anzeichen von hoher Drehzahl beim Aufschlag. Das linke Triebwerk, welches vom Flugzeug getrennt gefunden wurde, zeigte ebenfalls Anzeichen von hohen Drehzahlen beim Aufschlag.
Das Flugzeug drehte in 17 NM (31,5 km) Entfernung zum Flugplatz in den Endanflug. Die Crew meldete den Flughafen in Sicht bevor sie von der Anflugkontrolle an den Kontrollturm von San Francisco weitergegeben wurde. Der Autopilot wurde in 1600 Fuß Höhe (500 m) 82 Sekunden vor dem Aufprall ausgeschaltet.
Das Flugzeug sank durch 1400 Fuß (430 m) mit einer Geschwindigkeit von 170 KIAS, 73 Sekunden vor dem Aufprall.
(KIAS= Knoten Indicated AirSpeed = angezeigte Fluggeschwindigkeit in Knoten; etwa 315 km/h)
Weiter sank es durch 1000 Fuß (300 m) mit 149 KIAS (275 km/h) 54 Sekunden vor dem Unglück und durch 500 Fuß (150 m) mit 134 KIAS (248 km/h) 34 Sekunden vor dem Aufprall und durch 200 Fuß (60 m) mit 118 KIAS (219 km/h) 16 Sekunde vor dem Aufprall.
In 125 Fuß (38 m) mit 112 KIAS (207 km/h) wurden die Schubhebel nach vorne geschoben und die Triebwerksdrehzahlen liefen hoch.
Noch 8 Sekunden bis zum Aufprall.
Das Flugzeug erreicht 3 Sekunden vor dem Einschlag seine geringste Geschwindigkeit von 103 KIAS (191 km/h), die Triebwerke liefen durch 50 % Triebwerksleistung zu diesem Zeitpunkt. Bis zum Einschlag beschleunigte das Flugzeug noch auf 106 KIAS (196 km/h).
Aus diesen Daten wird zurzeit ein vertikalen Profil des Unfallablaufs erstellt.
Trümmer der Seemauer wurden einige hundert Fuß weit in Richtung der Landebahn geschleudert. Teile des Flugzeughecks stecken in der Seemauer, ein großer Teil des Hecks liegt vor der Seemauer im Wasser.
Anmerkung hkl: Um stabilisierte Anflüge zu gewährleisten, verwenden westliche Fluggesellschaften folgende Bedingungen, die das Flugzeug vor Erreichen einer Flughöhe von 1000 Fuß über Grund erfüllen muss, damit der Anflug fortgesetzt werden darf:
- Die Landeklappen müssen in Landestellung sein (Diese Bedingung war erfüllt)
- Das Fahrwerk muss ausgefahren sein (Bedingung erfüllt)
- Die Anfluggeschwindigkeit Vapp muss stabilisiert sein. Die Geschwindigkeit darf sich dabei nur innerhalb folgender Toleranz befinden: Vapp +10/-5 KIAS.
In diesem konkreten Fall war die Vapp = 137 KIAS) liegt also zwischen 147 und 132 KIAS.
(Bedingung NICHT erfüllt) - Die Sinkgeschwindigkeit darf nie mehr als 1000 Fuß pro Minute betragen.
(Bedingung NICHT erfüllt. Zwischen 1000 Fuß und 500 Fuß vergehen nur 20 Sekunden, die mittlere Sinkrate lag also bei 1500 Fuß pro Minute zwischen 1000 und 500 Fuß.
Unter 500 Fuß lag die mittlere Sinkrate bei 880 Fuß/Min.
Für einen Stabilisierten Anflug mit einem üblichen Winkel von 3 Grad ergibt sich bei einer Vapp von 137 KIAS eine Sinkrate von knapp 700 Fuß/Min.) - Da die Jet-Triebwerke aus dem Leerlauf sehr lange brauchen, um wieder hohen Schub zu liefern, darf unter 1000 Fuß nicht mit Leerlauf geflogen werden.
(Bedingung NICHT erfüllt, da die Triebwerke bis in 125 Fuß in Leerlauf betrieben wurden. Wenn man die Bedingung der konstanten Anfluggeschwindigkeit und des konstanten Sink-Profils mit konstanter Sinkrate einhält, dann ergibt es sich von selbst, dass die Triebwerke mit konstantem Schub über Leerlauf betrieben werden müssen, um Sinkrate und Geschwindigkeit zu halten.) - Es gibt zudem Bedingungen für den Gliedslope und für das Sink-Profil eines Non Precision Approaches (Nicht Präzisisonsanflug ohne Höhenführung), die hier wegfallen, da es sich um einen Anflug nach Sicht handelte. Jedoch empfehlen die meisten Airlines ihren Crews auch im Falle eines Sichtanfluges, sofern vorhanden, zusätzlich den darüber liegenden Bedingungen eines veröffentlichten Approaches zu folgen.
- Zieht man also diese Standards zu Rate, dann waren 3 Bedingungen:
- zu hohe Sinkrate,
- zu hohe Geschwindigkeitsablagen und
- zu geringe Triebwerkleistung (Leerlauf))
nicht erfüllt, und der Anflug hätte bereits in 1000 Fuß Höhe abgebrochen werden müssen.
Bei wenigen Airlines werden die oben genannten Bedingungen allerdings erst in 500 Fuß gefordert. Legt man das zu Grunde, dann war lediglich eine Bedingung nicht erfüllt.
Welche Regeln bei Asiana Gültigkeit haben ist momentan unbekannt. Genauso unbekannt ist zurzeit, warum die Crew so gehandelt hat, wie sie es tat.
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Die Fakten, soweit am 8.7. bekannt:
Die beiden parallelen Landebahnen 28 L (links) und R (rechts) sind auf einer künstlichen Halbinsel ins Wasser der San Francisco Bucht gebaut. Bei einer zu kurzen Landung kann man die Kante am Anfang der Bahn treffen und so den hinteren Teil des Flugzeugs abreißen. Warum dies hier passiert ist, ist noch nicht geklärt.
Laut dieser Luftfahrtveröffentlichung (NOTAM) waren für beide Landebahnen 28 die Gleitwegsender (Glide Path) zum Zeitpunkt des Unfalls abgeschaltet. Damit war der Anflug ein sogenannter Non Precision Approach (Anflug ohne Höhenführung).
Eine ILS Anflughilfe besteht aus einer lateralen Landekursführung (Localizer, links/rechts Führung) plus Gleitwegführung vertikal (der Weg/Winkel nach unten). Es stand also ein Teil des ILS (mit dem Linienpiloten üblicherweise anfliegen) nicht zur Verfügung.
Diese sogenannten Non Precision Anflüge (Nicht-Präzisionsanflüge) sollte aber im Normalfall ein Berufspilot sicher durchführen können und das eingschränkte ILS ist sicher nicht die Ursache des Unfalls. Vielleicht aber ein Beitrag in Kombination mit anderen Faktoren.
Am 7. Juli gab die Unfalluntersuchende Behörde NTSB auf einer Pressekonferenz bekannt, dass die Crew für einen Sichtanflug auf die Bahn 28L freigegeben worden war. Dies wurde von der Crew bestätigt. Die Klappen wurden auf 30 Grad gesetzt, das Fahrwerk war ausgefahren, die geplante Anfluggeschwindigkeit betrug 137 Knoten.
Ein normaler Anflug begann, es wurden keine Anomalien oder Bedenken im Cockpit geäußert, 7 Sekunden vor dem Aufprall machte ein Crewmitglied einen „Speed“ Callout (Anmerkung hkl: Der Callout „Speed“ erfolgt, wenn die geplante Geschwindigkeit von der aktuellen ungewollt abweicht. Üblicherweise betragen die Toleranzen hierfür +10/-5 Knoten (+18/-9 km/h)).
Weicht die Geschwindigkeit mehr ab, dann muss der nicht fliegende Pilot (PNF = Pilot Non Flying), oft auch Pilot Monitoring, genannt diesen Callout machen. PNF kann in westlichen Fluggesellschaften sowohl der Kapitän als auch der Co-Pilot sein. In manchen sehr hierarchisch organisierten Kulturen kann dies zu Problemen führen.
4 Sekunden vor dem Aufschlag wurde der Stick Shaker (= die Stall Warning, ein Gerät, das den Piloten auf einen drohenden Strömungsabriss hinweist, indem es an der Steuersäule rüttelt) aktiviert, ein Go-Around Callout wurde 1,5 Sekunden vor dem Aufprall registriert.
Diese Daten stammen aus einem ersten Auslesen des Cockpit Voice Recorders. Nach den Daten des Flight Data Recorders waren die Schubhebel auf Leerlauf, die Geschwindigkeit nahm signifikant unter die Anfluggeschwindigkeit von 137 Knoten ab (genaue Angaben hält das NTSB noch zurück), die Schubhebel wurden dann nach vorne geschoben und die Triebwerke reagierten normal.
Zur Anflughilfe ILS (Instrumentenlandesystem): Der Landekurssender (lateral) war in Betrieb, der vertikale Gleitwegsender nicht. Entsprechende NOTAMS waren veröffentlicht. Es gab keine Berichte über Windscherungen oder schlechte Wetterbedingungen. Der Fluglotse arbeitete normal, nichts Anormales lag vor, bis der Fluglotse bemerkte, dass das Flugzeug gegen die Seemauer geschlagen war. Der Lotse erklärte Luftnotlage und initiierte die Rettungsmaßnahmen.
Am 8. Juli berichtete der südkoreanische Verkehrsminister, dass der 43-jährige Kapitän (Verkehrsluftfahrzeugführer, 9793 Stunden Gesamtflugerfahrung) noch unter Aufsicht auf der B777 flog. Es war sein erster Anflug auf SFO mit einer B777. Er hatte allerdings zuvor schon 29 Landungen in SFO auf anderen Flugzeugmustern durchgeführt. Er flog zum Unfallzeitpunkt unter Aufsicht eines Trainings-Kapitäns, der 3220 Stunden Erfahrung auf B777 Flugzeugen hatte. Die Verantwortung für diesen Flug lag beim Trainings-Kapitän.
Asiana Airlines gehört wie Lufthansa zum Star Alliance Verbund.
Ein Video, das Anflug und Impact zeigt, ab >1:24 sec
Und für alle Piloten, die öfter im amerikanischen Luftraum unterwegs sind und US-ATC verstehen, das Original Audio des Funkverkehrs: Asiana 214 KSFO Crash Landing ATC. Anscheinend war ein Deutscher Pilot in einer Cessna 172 (Skyhawk) während des Vorfalls auf der Frequenz.
Bitte zum Verständnis unbedingt auch die Nachfolgeartikel zum Thema und deren Kommentare lesen. Was dort erklärt wurde, oder für andere Online-Veröffentlichungen richtiggestellt wurde, ist hier oben im Artikel nicht nochmals erwähnt.
Beitrag 2 asiana-piloten-des-unfalls-in-san-francisco/
Beitrag 3 asiana-b777-der-unfallablauf-in-san-fransisco-3-artikel-neu/
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Zahlen von Toten und ähnliche Sensationsnachrichten bitte in der allgemeinen Presse nachsehen. Hier geht es um die Unfallursachen, eine Analyse der Gründe und technische Fakten, die zum Unfall geführt haben.