
- Venedig am Morgen und Mittag des 25.12. ist wie ausgestorben. „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ könnte heute gedreht werden. Nur die Möwe posiert für den Fotografen.
Zum Frühstück im Hotel in Mestre aufzustehen hätte zu wenig Schlaf bedeutet; das Hotel aber war nicht bereit, zwischen Frühstück und Abendessen – frühestens ab 19 Uhr – noch etwas zu servieren. Das eigene Personal will schließlich Weihnachten feiern.
Aber auf der Insel Venedig gibt es doch zahlreiche Restaurants…?
Nur liegt Venedig in Italien. Und Italiener feiern (wie auch die meisten Deutschen) Weihnachten strikt im Familienkreis. Das gilt offensichtlich auch für Restaurantbesitzer. Wir finden eine (offene) Pizzeria, die von Ägyptern bewirtschaftet wird. Die Pizza ertrinkt im darauf gegossenen Öl und der Magen rebelliert nach 24 Stunden nichts essen.


Näher zum Markusplatz (Tasse heiße Schokolade für 10 Euro) finden wir noch weitere offene (Pizza-)Restaurants – auch hier ist das Personal aus dem Asiatischen Raum oder eben dem Arabischen. Und dann entdecken wir das Hard Rock Cafe Venice, das es bei unserem letzten Besuch noch nicht gab. Zu spät.

Der Rückflug nach Frankfurt am 26.12. wird der Morgenflug aus Venedig, mit Aufstehen um halb vier Uhr. Doch zuvor folgt noch am 25. abends das für die Crew Firmengesponserte Abendessen im Hotel (vor 19 Uhr geht gar nicht, wir sind noch immer in Italien).
Das Abendessen ist zur Freude aller ein nettes Beisammensein mit einer „neuen“ Kabinencrew, der dritten bei diesem Umlauf, und das Menü schmeckt. Offensichtlich ist dies der Essenstag, gleich zwei richtige Mahlzeiten an einem Tag.
Zweiter Weihnachtsfeiertag, Aufstehen um halb vier Uhr morgens, Fahrt zum Flugplatz VCE im Regen, Taxi (Rollen) im Regen, und finally so etwas wie ein Sonnenaufgang über der ersten und vor der nächsten Wolkenschicht in Flugrichtung Frankfurt.

- Es regnet beim Rollen am Boden. Wie an vielen Orten an diesen Weihnachten. Die Sicht nach dem Abheben ist auch nicht besser.

- Take-off im Regen in Venedig. Im Dunkeln.
Eis.
Schmeckt super innerhalb eines Fliegers, ausserhalb auf dem Flugzeug kommt es gar nicht gut.
Große Verkehrsflugzeuge haben daher Enteisungsmöglichkeiten für die Triebwerke (Turbinen) und an den Tragflächen. Das funktioniert gut, aber nicht hundertprozentig und es gibt auch zahlreiche Stellen am Flieger, an denen sich trotzdem Eis ansetzen kann. Das erhöht das Gewicht enorm und verändert zudem das Profil der Tragflächen. Und das alles innhalb weniger Sekunden oder Minuten. Klareis legt sich unglaublich stabil um die Oberfläche. Nur höhere Temperatur kann ihm etwas anhaben.
Die Kombination aus größerem Gewicht und schlechterem Auftrieb kann dazu führen, dass das Flugzeug auch bei maximaler Leistung der Triebwerke nicht mehr in der Lage ist, die Höhe zu halten. Ferner wird die Charakteristik des Strömungsabrisses verändert. So kann zum Beispiel bei einigen Flugzeugtypen das Ausfahren der Landeklappen einen Strömungsabriss am Höhenleitwerk hervorrufen. Ein vereistes Flugzeug muss in jedem Fall schneller angeflogen werden, als normal.
Auf dem Flug von Venedig nach Frankfurt hören wir schon am Funk von anderen Piloten, dass es in Flughöhe 11000 Fuß (3350 Meter) Eisansatz an deren Fliegern gibt. Im Cockpit sieht man das am besten direkt vorne an der Flugzeugnase. Bei unserem Airbus A320 ist dort ein Stift angebracht, der sogar beleuchtet ist. An diesem Stift, der in der Luftströmung steht, kann die Crew genau erkennen, ob sich Eis ansetzt. Bleibt der Stift eisfrei, ist auch sonst am Flugzeug kein Eisansatz vorhanden.
Wann immer sichtbare Feuchtigkeit vorhanden ist (Wolke) und die TAT (Total Air Temperature; das ist die vom Flugzeug „gefühlte“ Temperatur; am Staupunkt der Vorderkanten des Flugzeugs ist die Temperatur aufgrund der Kompressibilität der Luft immer höher als in der „ruhenden“ Luft) unter +10 Grad Celsius liegt, werden die Triebwerkseinläufe mit warmer Luft aus den Verdichtern der Triebwerke beheizt. Die Flächenvorderkanten werden normalerweise erst mit der gleichen warmen Luft beheizt, wenn der erste Eisansatz erkennbar ist.
Bevor wir in 11000 Fuß im Sinkflug in die Wolken eintauchen, schaltet deshalb der PM (Pilot Monitoring) auf Kommando vom PF (Pilot Flying) bereits das Engine Anti Ice ein. Wegen der zahlreichen Pilot-Reports wird mit dem Eintauchen in die Bewölkung auch gleich das Wing Anti Ice per Knopfdruck aktiviert.
Sofort ist dann auch Eisansatz an dem beschriebenen Stift zu erkennen. Er wird von den Piloten als „light to moderate“ beurteilt. Das ist für einen A320 prinzipiell kein Problem, doch es wird von den Piloten genau verfolgt. Auch mit einem mit Anti Ice geschützten Flugzeug möchten Piloten nicht unnötig lang im Bereich der Vereisung bleiben. Severe Icing stellt selbst für große Verkehrsflugzeuge ein Problem dar, da die Vereisung an den ungeschützten Bereichen des Flugzeugs zu groß werden kann.
Da heißt es, schnell die Höhe wechseln. Entweder nach unten, weil es da wärmer ist, oder wieder nach oben, wenn man da frei von Wolken ist. Schnelle Verkehrsflugzeuge können sich auch mit Beschleunigen behelfen, da die TAT bei Geschwindigkeiten von über 200 Knoten merklich ansteigt.
Wir sinken bei unserem Anflug weiter und verlassen in 7000 Fuß (2100 Meter) den Bereich der Vereisung wieder. Knapp vor der Landung in 4000 Fuß (1200 Meter) ist dann auch der nicht beheizte Stift wieder eisfrei und die Crew kann davon ausgehen, dass nun kein Eis mehr am Flugzeug vorhanden ist.
Dass das Thema sowohl von den Piloten, als auch von den Fluglotsen sehr ernst genommen wird, erkennt man daran, dass jeder auf der Frequenz Beginn, Ende und den Schwere-Grad der Vereisung meldet und so alle anderen vorgewarnt werden können.

- Rollen wieder in Frankfurt: Um halb vier Uhr aufstehen in Venedig heißt noch nicht, dass nach dem Flug und der Landung in Frankfurt der Flight-Crew-Arbeitstag erledigt ist; es gibt nach zwei Stunden Warten auf den nächsten Flug noch zwei weitere Flüge: nach Neapel und zurück nach Frankfurt. Erst dann ist der viertägige „Weihnachtsumlauf“ beendet.
Weihnachten, etwas anders.