Flugunfall: Boeing 737 von Southwest Airlines

Cpt. Tammie Jo Shults noch vor ihrer SW-Karriere, als F/A-18-Pilot. Foto: Privat.

Eine Boeing 737-700 von Southwest Airlines, Registrierung N772SW flog von New York La Guardia, NY nach Dallas Love, Texas, am 17. April 2018. Flug WN-1380 hatte 143 Passagieren und 5 Crew an Bord und stieg gerade durch FL320 (32.000 Fuß; rund 9600 m) als sich im linken Triebwerk (CFM56) eine Bläserschaufel („Propellerblatt“) löste, worauf sich der Triebwerks-Einlauf zerlegte und mit Teilen der -Verkleidung wegflog.

Teile dieser Trümmer prallten gegen den Rumpf des Flugzeugs wodurch ein Passagierfenster zerbrach, was sofort zum Verlust des Kabinendrucks führte.

Die Besatzung setzte ihre Sauerstoffmasken auf und funkte, dass sie einen Triebwerksausfall und eine Triebwerksfeueranzeige habe, und einen Notsinkflug einleitete. Die Crew wollte zum nächstgelegenen Flugplatz ausweichen, woraufhin die Lotsen Vektoren (Richtungsangaben des Lotsen) nach Philadelphia, PA, gaben.

Audio des Funks (YouTube). Kapitänin ist unter der Sauerstoffmaske und spricht betont langsam, um verständlich zu bleiben.

Die Besatzung forderte einen 20 nm-Endanflug und bestätigte, dass momentan kein Feuer vorliege. Die Kapitänin forderte medizinische Hilfe – für nach der Landung – an, da es verletzte Passagiere gebe. Ferner erklärte die Crew, dass Teile des Flugzeugs fehlen (Einlauf und Verkleidung) und dass es ein Loch im Rumpf gebe (fehlendes Fenster).

ATC gab den Sinkflug auf 3000 Fuß (etwa 900 m) frei, überließ der Crew die Fluggeschwindigkeit nach eigenem Ermessen und wies die Besatzung an, sich zu melden, sobald sie bereit für den Queranflug seien.

Das Flugzeug landete schließlich sicher auf der Piste 27 L, rollte ab und blieb auf dem angrenzenden Rollweg stehen. Die Feuerwehr sprühte das linke Triebwerk mit Löschschaum ein und die Passagiere stiegen über Treppen auf dem Rollweg aus und wurden zum Terminal gebracht.

Fluggäste berichteten, dass eine Frau fast aus dem Flugzeug gesaugt und von Mitreisenden in die Kabine zurück gezogen wurde. Hierbei handelt es sich um die einzige verstorbene Person.

Warum wurde die Triebwerksschaufel nicht von der Ummantelung gehalten?

Eine erste Untersuchung des NTSB ergab, dass eine der 24 Bläserschaufeln (Fan) des linken CFM 56 Triebwerks an der Nabe abgebrochen war. Ob es Metallermüdung war, wird zurzeit untersucht. Ebenso, warum der Ring um den Motor, der die Motorenteile sicher umschließen soll – genau, wenn so ein Schaden passiert, in diesem Fall nicht gehalten hat. Das wird nach Aussage der NTSB ein Schwerpunkt der Untersuchung sein:

Denn noch immer ist unklar, ob die klassische Definition eines so genannten „Uncontained“ Engine Failure erfüllt ist oder nicht. Dazu müsste ein Teil des Triebwerks die Triebwerkshülle durchschlagen. Momentan ist nicht bekannt, ob die Bläserschaufel den Containmentring (die Ummantelung) durchschlagen hat. Jedenfalls wurde unglücklicherweise der Einlauf des Triebwerkes soweit beschädigt, dass er vom Luftstrom abgerissen wurde, weitere Teile der Cowling mitnahm und schließlich den Rumpf beschädigte und das Fenster zerstörte.

Da das fehlende Fenster hinter der Flächenwurzel (Verbindung Rumpf/Fläche) liegt, spricht viel dafür, dass es von nach hinten wegfliegenden Teilen beschädigt wurde und nicht von der Bläserschaufel. Diese wäre direkt auf Höhe des Bläsers in den Rumpf eingeschlagen.

Letztlich ist es egal, ob die Definition des „uncontained“ Engine Failure erfüllt ist oder nicht. Das zerstörte Triebwerk beschädigte das Flugzeug und genau das darf nicht passieren und soll deshalb vom Containment Ring verhindert werden.

Die verstorbene Passagierin war die erste tote Person in der 51jährigen Geschichte von Southwest. Southwest ist weltweit der größte Betreiber von Boeing 737s.

Die Crew, insbesondere die Kapitänin, wurde von allen Seiten für ihr umsichtiges und ruhiges Handeln gelobt.

FAA befiehlt die Inspektion aller B737-CFM56-Triebwerke

Drei Tage nach dem Unfall ordnet die amerikanische Luftfahrtbehörde FAA* die Inspektion aller CFM-56 Triebwerke an, die in Boeing 737** eingesetzt sind und mehr als 30 000 Starts/Landungen erlebt haben. Das betrifft rund 340 Flugzeuge weltweit. Die Untersuchung, die etwa vier Stunden in Anspruch nimmt, hat innerhalb von 20 Tagen zu erfolgen.

* die nationalen Luftfahrtbehörden anderer Länder folgen üblicherweise den FAA Anordnungen

** CFM56er Triebwerke gibt es auch bei Airbus. Dies sind allerdings eine andere Variante des Triebwerkstyps.


Zum Nachdenken

  • Wäre es ein Unfall eines Buses gewesen mit Motorschaden, der zu einem einzigen Todesfall führte, hätte das auch nur eine Meldung gegeben?

 

  • Eine Boeing 737 kann mit einem Triebwerk weiterfliegen. Auch wenn die Kapitänin (eine ehemalige Kampfflugzeugpilotin der US Navy) das Flugzeug mit ihren „Nerven aus Stahl“ (US Presse) und ruhigen Hand sicher zu Boden brachte – Triebwerksausfall ist eine Situation, die wiederkehrend in Simulatoren geübt wird. Ein Vergleich mit Cpt. Sullenberger – der leider von schreibenden Kollegen mehrfach angeführt wurde – ist nicht angebracht. Trotz aller Leistung von Cpt. Tammie Jo Shults.

 

  • Sieht man sich einige der Videos von Passagieren auf dem Flug in Sozialen Netzwerken an, so fällt auf, dass die Sauerstoffmasken überwiegend nur über den Mund und nicht „über Mund und Nase“ – wie gefordert und sinnvoll – gezogen sind. Damit verlieren sie einen Großteil ihrer Wirkung…
    Zudem sollte die Ansage: „Brace for Impact“ (Schutzhaltung für Notlandung einnehmen) auch dazu auffordern, jetzt Selfies und Videoaufnahmen zu unterlassen. Zur eigenen Sicherheit…

5 Gedanken zu “Flugunfall: Boeing 737 von Southwest Airlines

  1. Danke für die Zusammenfassung – ich habe tatsächlich darauf gewartet bis der Fall hier aufgegriffen wird. 🙂
    Was mich wundert: es wird beschrieben dass die leider verstorbene Frau fast aus dem Flugzeug gezogen wurde. Ich hatte es bis jetzt immer so verstanden dass dies extrem unwahrscheinlich ist, eben nicht so wie in Filmen, etc., daher war ich überrascht dass dies in diesem Fall so war? Ist das ein typischer Fall, oder eher selten.

    • Also typisch sicher nicht. Mir ist kein anderer realer Fall bekannt, außer in Action Movies.
      Das Ganze war, so wie es zurzeit aussieht, eine extrem unglückliche Verkettung von Umständen nach dem Bruch des Bläserblattes.

      Allerdings gibt es (nach der bisherigen Meinung ausreichende) Maßnahmen, dass die Trümmer oder deren Folgeteile aus dem Triebwerksinneren nicht bis in/an die Kabine gelangen.
      Ausreichend stimmt aber nicht, wie man hier gesehen hat, und deshalb ist die FAA auch sehr in den Blickpunkt geraten und mit großer Wahrscheinlichkeit werden aus den (nun mit Volldampf betriebenen) Untersuchungen zum genauen Ablauf des Geschehens weitere Maßnahmen/Vorschriften, vor allem auch in Richtung Wartung, folgen.

      Noch zum „Menschen aus dem Flugzeug gezogen werden“:

      Ohne jetzt näher ins Detail zu gehen, wir reden immerhin hier über einen (verstorbenen) Menschen – der Differenzdruck zwischen Innenraum und draußen ist sehr groß.

      Die Fenster in Verkehrsflugzeugen sind genau wegen der haltbaren Struktur der Hülle klein. Selbst wenn nur der Kopf und Schulter rausgezogen würde – die Details sind mit Respekt zur Person nicht weiter verbreitet – das überlebt man nicht. Da oben ist es extrem kalt (minus 50 Grad Celsius), der Luftdruck ist viel zu gering, als dass der Mensch genügend Sauerstoff zum Überleben bekommt.

      Der Versuch des Zurückziehens, der vermutlich auch eine natürliche Reaktion der Mitmenschen ist, macht also Sinn.

      Vermutlich ist die Passagierin also durch das brutale Rausgedrücktwerden tödlich verletzt worden. Das lässt sich sicher alles medizinisch verifizieren, ist aber für die Unfallursache – die nicht passieren hätte dürfen – nicht erheblich.

      Was noch zu erwähnen wäre, ist, dass die Passagierin angeschnallt war.

  2. Auch wenn es nicht genau gleich war – beim Aloha-Airlines-Flug 243 (vor fast genau 30 Jahren) ist eine Stewardess aus dem Flugzeug gerissen worden.
    Dazu muß man natürlich sagen, daß damals etliche Quadratmeter Kabinendach weggeflogen sind. Wenn man das Bild des Flugzeuges sieht, wundert man sich, daß „so etwas“ überhaupt noch fliegt.
    Gottseidank ist es auch dort bei dem einen Todesfall geblieben.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.