Berliner Flughäfen: Eine Analyse aus Luftfahrtsicht

Berlin BER: Was genau fehlt hier? Richtig. Flugzeuge, ist doch ein Flughafen. Oder will einer sein. Irgendwann. Zugegeben; das Foto stammt aus 2012, ist ziemlich genau fünf Jahre alt…

Was wie ein Märchen begann…

Vor zehn Jahren gab es in Berlin drei funktionierende, internationale Flughäfen: Tegel (TXL), Tempelhof (THF) und Schönefeld (SXF). Jeder der drei hatte jeweils zwei Bahnen für Start und Landung verfügbar.

Insgesamt nutzen 20 Millionen Passagiere die drei Flughäfen, welche damals eine nominale Kapazität von 25,5 Millionen Passagiere pro Jahr hatten. Insgesamt fanden dabei in 2007 auf den sechs Landebahnen 227 Tausend Flugbewegungen statt.

 

TXL Tegel
THF Tempelhof
SXF Schönefeld
BER Der zukünftige Problemflughafen

…endet im Disaster:

Heute gibt es nur noch zwei Flughäfen (TXL und SXF) mit insgesamt nur noch drei Bahnen.

Die genutzten Landebahnen in 2017.

2016 kam es auf diesen drei Bahnen zu 282 Tausend Flugbewegungen. Das Passagieraufkommen lag bei 33 Millionen. Schönefeld arbeitet dabei mit 11,7 Millionen Passagieren und 97 Tausend Flugbewegungen auf nur einer Bahn an seiner Kapazitätsgrenze.

Das Terminal in Schönefeld ist für maximal 12 Millionen Passagiere ausgelegt.

Tegel hat seine ursprüngliche Kapazitätsgrenze von ebenfalls 12 Millionen Passagiere durch An- und Umbauten mit 21,3 Millionen Passagiere bereits weit übertroffen und kann seine 185 Tausend Flugbewegungen auf immerhin noch zwei Bahnen verteilen.

2006 wurde der Grundstein des zukünftigen einzigen Berliner Flughafen BER (damals noch BBI genannt) gelegt. Er sollte 2011 in Betrieb gehen und die alten drei ablösen.

2008 wurde Tempelhof, der kleinste der drei, geschlossen.

Tegel muss mit der Inbetriebnahme des neuen Flughafens (BER) südlich von Schönefeld geschlossen werden, da seine Betriebsgenehmigung nach gültiger Gesetzeslage in dem Moment erlischt, wenn BER in Betrieb geht.

BER ist südlich der beiden Runways von Schönefeld (SXF). Er liegt eigentlich am Südrand vom alten Schönefelder Flughafen und nutzt so die ehemalige Südbahn von SXF als Nordbahn und erhält eine weitere Bahn südlich des Terminalkomplexes als neue Südbahn.

Im Zuge der Umbaumaßnahmen wurde die ehemalige Nordbahn von SXF bereits zurückgebaut. Da in diesem Jahr auch erhebliche Baumaßnahmen an der alten Südbahn von SXF statt fanden, wurde im Sommer 2017 die neue Südbahn von BER als einzige Bahn von SXF verwendet.

Die Genehmigung dafür gab es allerdings nur vorübergehend. Sind die Arbeiten an der Nordbahn beendet, erlischt die Zulassung erneut, um Flugzeuge auf der voll intakten, sonst brachliegenden Südbahn landen und starten zu lassen.

Sollte BER also irgendwann in Betrieb gehen, erlischt die Betriebserlaubnis der beiden Bahnen von TXL und die des Tegler Terminal mit einer Kapazität von inzwischen rund 22 Millionen Passagieren.

Hinzu kommen lediglich das Terminal von BER und die neue Südbahn von BER. Es bleiben also zwei Runways für die mittlerweile 282 Tausend Flugbewegungen.

Die Zukunftsvison. Wann auch immer diese Zukunft in Berlin stattfindet.

Zudem müssen dann alle 33 Millionen Passagiere in BER abgefertigt werden. Die Kapazität des dortigen Terminals beträgt aber nur 22 bis 27 Millionen Passagiere.

Man braucht also die 12 Millionen Passagierkapazität des alten SXF Terminals weiterhin, um überhaupt den Status Quo darstellen zu können.

Jedenfalls solange, bis BER entsprechend weiter ausgebaut ist.

Da die beiden Terminals aber Luftlinie drei Kilometer von einander entfernt liegen, ist auch die entsprechende Infrastruktur für die Passagierströme zwischen den Terminals vonnöten.

 

Andere Fakten zum Bau von BER:

Um BER von 22 auf 27 Millionen Passagiere pro Jahr aufstocken zu können, wurden während des Baus noch zwei Extensions (Nordpier und Südpier) an das eigentlich rechteckige Terminal angebracht. Das Problem scheint nun zu sein, dass die Extensions im östlichen Bereich im Sandboden einsinken und das Hauptgebäude mitnehmen und so alle zusammen so langsam und stetig absinken.

In BER ist entsprechend dem Stand der Technik ein Unterflurbetankungssystem im Bereich des Vorfeldes verbaut. Zukunftsträchtig gedacht. Bei einem solchen System muss man nicht mehr mit großen Tankfahrzeugen zu den Flugzeugen fahren, um sie zu betanken, sondern eine „fahrende Pumpe“ reicht. Dieses relativ kleine Pumpfahrzeug verbindet einen Schlauch mit dem im Boden eingelassenen Kerosin-Hydranten und pumpt den Sprit über einen zweiten Schlauch, der am Flugzeug angebracht wird, in die Flugzeugtanks.

Entsprechend wurden 2012, als der Umzug von TXL nach BER unmittelbar bevorstand, alle Tanklastzüge von TXL verkauft, da sie ja in BER nicht mehr benötigt würden. Als dann die Inbetriebnahme sehr kurzfristig abgesagt wurde, mussten die Tankfahrzeuge von ihren neuen Eigentümern erheblich teurer zurückgekauft werden, um den Betrieb in TXL aufrechterhalten zu können. Dieser Rückkauf war sogar erheblich kostspieliger, als neue Fahrzeuge zu kaufen. Doch Neufahrzeuge wären in der Kürze der Zeit nicht lieferbar gewesen.

Bei Parkversuchen von Flugzeugen der Airbus A320 Familie bemerkte man zu allem Überfluss, dass an einigen Parkpositionen die Flugzeuge mit ihrem Hauptfahrwerk genau auf den Deckeln der Unterflur-Hydranten standen und das Betanken übers Unterflursystem somit unmöglich wurde.

Auch für die künftigen Betreiber der Ladengeschäfte im neuen Terminal in BER war die kurzfristige Absage eine Katastrophe. Alle Gerätschaften und Einrichtungen waren gekauft und betriebsbereit. Das Personal war ausgesucht und eingestellt. Doch nun konnten die Geschäfte nicht eröffnet werden. Also volle Kosten, aber keine Einnahmen!

Wir schreiben das Jahr 2017, in wenigen Wochen schon 2018. Was hat sich geändert? Viele neue Herren kamen und gingen wieder, Politiker und Geschäftsführer, der kahle, leere nicht funktionsfähige Flughafen Berlin BER blieb. Und bleibt.

Zitat von flugundzeit aus Februar 2013:

Wird noch einige Zeit dauern, bis das auch die Geldverpulverer einsehen werden: Die kostengünstigste und schnellste Lösung zu einem neuen und modernen Berliner Flughafen ist, alle fraglichen Gebäude komplett abzureißen und dann nach Sicherheitsstandards und (!) diesmal mit Plänen neu aufzubauen. Die neue Start- und Landebahn, das neue Vorfeld und die Rollwege sind benutzbar. Man bräuchte nur ein neues, zur Abwechslung mal funktionsfähiges Gebäude auf der anderen Seite des Flughafens errichten. Noch einige Überlegungen zur Verkehrsanbindung – und das Disaster hätte nach einem kompletten Schnitt ein gutes Ende.

 

 


alle Fotos, Infografiken und Zeichnungen (c) flugundzeit
Kartenvorlage: Google Maps


Kommentare

Eine Antwort zu „Berliner Flughäfen: Eine Analyse aus Luftfahrtsicht“

  1. 2xhinschauen

    Liebe Helga,
    ich schätze Deine Art, kalt sachlich über Themen schreiben zu können, bei deren Einschätzung auch die Emotionen eine Rolle spielen, auch Deine eigenen. Fliegen und allgemein der Luftverkehr sind doch auch was Emotionales. Der BER ist dagegen so ein Thema, wo man wirklich einfach nur die Fakten aufzählen muss, ohne dass man was dazutun oder was ausblenden muss. Einfach unfassbar das Ganze.

    Nun sind Gesetze und Genehmigungen und dergleichen etwas Menschengemachtes. Tegel //muss// nicht geschlossen werden. Im Gegenteil, da wäre sogar noch Platz für eine weitere Bahn, laut Google Maps. Und ein zusätzliches Terminal ist wie ein Parkplatz in der Innenstadt: Man muss nur wollen!

Über die Autorin

Die Journalistin Helga Kleisny ist diplomierte Physikerin (TU Wien), Fallschirmspringerin und Pilotin. Nach Arbeitsorten weltweit (Wien, Taipeh, Boca Raton (FL), München, Frankfurt…) sind ihre Haupt-Lebens- und Arbeitsorte nun in Deutschland und in den USA. Sie schreibt als freie Luft- und Raumfahrtjournalistin. Ihre Begeisterung für alles Technische und die Natur, am besten in Kombination, zeigt sich in ihren Büchern und in Seminaren und Vorträgen.

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