Nepal: Leerlauf im Propeller

Bei Flugundzeit erfolgen die Rückmeldungen oft nicht als Kommentar sondern per Mail. Das ist schade, weil interessante Fragen durchaus auch für andere aufschlussreich sein können. Zum kürzlichen Absturz in Nepal hatte ich nichts geschrieben, was einerseits an meiner mangelnden Zeit lag, aber auch die Geografie, das Wetter und die Flugzeuge (Piloten möchte ich hier bei der Verallgemeinerung nicht zu nahe treten) leider immer wieder zu Abstürzen in Nepal führen. Der letzte, der auf Flugundzeit beschrieben wurde, war im Mai 2022. Der ebenso bedauernswerte Absturz im Januar 2023 lief „nur“ durch die allgemeinen Medien.

Zu Beiträgen, die länger als 6 Monate zurückliegen, lässt das System aus Sicherheitsgründen keine Kommentare zu. Darum hier die Diskussion zur persönlichen Anfrage eines Lesers auf den Nepal-Absturz in diesem Jahr:

Der Absturz am 15.1.2023

Eine ATR-72 der Regionalfluglinie Yeti Airlines Avions de Transport Regional sollte den Flug YT-691 von Kathmandu nach Pokhara (Nepal) mit 68 Passagieren und 4 Crew durchführen. Im Endanflug auf die Landebahn 12 des internationalen Flughafens von Pokhara wurde das Flugzeug zu langsam und es kam zu einem Srömungsabriss. Die Maschine stürzte in eine Schlucht zwischen dem alten und dem neuen internationalen Flughafen von Pokhara und ging in Flammen auf.

Die erste Analyse nach dem Auslesen von Flugdaten- und Cockpit-Voice-Recorder in Singapur ergab, dass beide Propeller des Flugzeugs featherten*. 

Der Grund für das Feathern beider Propeller wird noch ermittelt, sowohl menschliche Faktoren als auch technische Faktoren werden untersucht.

Leserfrage

Text aus der Rheinischen Post vom 8.2.2023.

FUZ-WARNUNG

Die fachliche Erklärung im Text links ist falsch – eine automatische sprachliche Textübersetzung – wenn man von der Materie nichts versteht – ist halt gefährlich.

Mehr zum Feathern (Segelstellung der Propeller) im Folgenden.

Soweit mir das von Kolbentriebwerken mit Verstellprop bekannt ist, bedeutet „feathern“ doch nur, daß die Propellerblätter etwa parallel zur Längsachse des Triebwerks bzw. des Flugzeuges gestellt werden und dadurch den geringsmöglichen Luftwiderstand bieten.
Daß dabei auch das Triebwerk „deaktiviert“ – also abgeschaltet – wird, ist mir neu, oder ist das bei Turboprops anders?
Ich würde auch vermuten, daß eine abgestellte Turbine noch weiter langsam mitläuft, selbst wenn der Windmilling-Effekt bei gefeatherten Blättern relativ gering ist.
Oder kann man den Rotor mechanisch blockieren, damit der Widerstand noch weiter reduziert wird?

Es ist auch schwer vorstellbar, daß die Piloten auch nur eines der beiden Triebwerke abgeschaltet haben sollen – falls es nicht gerade gebrannt hat – aber gleich beide? Und im Gebirge?

FlugundZeit

Im verunfallten Flugzeug waren Pratt & Whitney Canada PW127-Engines verbaut. Bei diesen wird der Propeller durch eine so genannte freilaufende Turbine angetrieben. Dass heißt, dass die Turbine, die den Propeller (genauer gesagt das Untersetzungsgetriebe des Propellers) antreibt auf einer eigenen Welle „hinter“ der High Pressure Turbine des eigentlichen Core Triebwerks läuft. Das heißt, dass das Core Triebwerk unabhängig weiter läuft, auch wenn der Propeller gefeathered ist. 

Ein gefeatherter Propeller heißt also noch lange nicht, dass das Triebwerk aus ist. 

Umgekehrt gilt allerdings, dass der Propeller feathered, wenn das Core Triebwerk ausfällt. 

Was genau passiert ist, muss also noch abgewartet werden. 


*Feathern (vereinfacht)

Bei Verstellpropellern kann der Anstellwinkel der Porpellerblätter verstellt werden. Es macht energetisch Sinn, etwa beim Steigflug die Blätter flacher anzustellen als im Reiseflug. Kann man sich im entferntesten wie die Gänge bei einem Fahrrad oder Auto vorstellen. Es gibt dabei die Abwägung, ab wann die zusätzliche Mechanik und das Gewicht (und das Handling des Piloten!) mehr bringen als ein nicht verstellbarer Prop in einem zweisitzigen kleinen Flugzeug.

Sind die Propellerblätter maximal angestellt, lassen sie also maximale Luft durch, dann spricht man von Feathern. Dann allerdings kann der Propeller keinen Schub liefern. Fällt das Triebwerk aus, bieten die Propellerblätter so (beim Feathern) den geringsten Widerstand.

Bei den beiden inneren Propellern sind die Blätter in Reiseflugstellung, die beiden äußeren Triebwerke sind gefeathered (maximaler Luftdurchlass).

Foto: Wiki

Der Anstellwinkel der Propellerblätter ist verstellbar durch am Ansatz drehbare Blätter.


Über die Autorin

Die Journalistin Helga Kleisny ist diplomierte Physikerin (TU Wien), Fallschirmspringerin und Pilotin. Nach Arbeitsorten weltweit (Wien, Taipeh, Boca Raton (FL), München, Frankfurt…) sind ihre Haupt-Lebens- und Arbeitsorte nun in Deutschland und in den USA. Sie schreibt als freie Luft- und Raumfahrtjournalistin. Ihre Begeisterung für alles Technische und die Natur, am besten in Kombination, zeigt sich in ihren Büchern und in Seminaren und Vorträgen.

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