Unmut löst Lotsenproblem bis Oktober

Im August 2011 verabschiedete der amerikanische Kongress den „Budget Control Act of 2011“ zur Lösung der Schuldenkrise. Seit März sind nun automatische Budgetkürzungen (die sogenannte Sequestration) wirksam, die den gesamten Staatshaushalt der USA betreffen. Nachdem bereits die Transportsicherheitsbehörde TSA im vergangenen Monat erste Kürzungen hinnehmen musste, wirken sich die Budgetkürzungen nun auch auf die Federal Aviation Administration FAA aus, die das Personal der Flugsicherung stellt.

Am 21. April wurde damit begonnen, die Personalstunden in den Kontrollzentren um 10 Prozent zu kürzen. Weitere Massnahmen: Abschaffung der Nachtdienste in rund 60 Towern, Reduzierung der Wartung aller Systeme der FAA für Flugsicherung/Luftraumbeobachtung/Verwaltung. Dies alles hat auch unmittelbare Auswirkungen auf den Luftverkehr in und aus den USA.

Wetterunabhängige Verkehrsflußmaßnahmen (Verzögerungen von Abflügen, um die Verkehrsdichte in bestimmten Lufträumen oder an bestimmten Flughäfen zu reduzieren) begannen ebenfalls am 21. April.

Bei den acht größten Flughäfen: Newark, John F. Kennedy, La Guardia, Fort Lauderdale, Chicago O’Hare, St. Paul-Minneapolis, San Diego und Los Angeles sind davon etwa 3800 Flüge pro Tag betroffen.

Bei sechs weiteren großen Flughäfen: Philadelphia, Charlotte, Atlanta, Miami, Chicago Midway und San Francisco sind es noch mal rund 2900 Flüge pro Tag, die zwangsverzögert werden.

Denver Airport. ©H. Kleisny
Denver Airport. ©H. Kleisny

Bei 12 anderen Flughäfen erwartet man, dass sich die Verspätungen in Grenzen halten: Boston, Baltimore, Orlando, Louisville, Dallas/Fort Worth, Dallas Love Field, Houston International, Houston William P Hobby, Denver, Salt Lake City, Phoenix und Las Vegas.

Die Zwangs-Beurlaubung von 10 Prozent der Mitarbeiter wirkt sich unterschiedlich aus, abhängig von der Verkehrsfrequenz des Flugplatzes. Die daraus folgende Verringerung der angenommenen Flugzeuge pro Stunde ist nicht linear.

So kann beispielsweise Newark Liberty International Airport statt 48 nur mehr 38 Anflüge pro Stunde annehmen. Dies ist eine Reduktion von 21 %. Chicago O’Hare senkt die Zahl von 112 auf 72 Anflüge je Stunde, eine Reduktion von 36 %. Los Angeles International sinkt von 80 auf 48, eine 40 % Reduktion. Was dies auch für den internationalen Flugverkehr bewirkt, kann man sich denken.

Die ursprünglich für April geplante Schließung von landesweit 149 Kontrolltürmen an kleinen und regionalen Flugplätzen (unter anderem auch am Goodyear Airport in Phoenix, dem Lufthansa-Ausbildungsflugplatz) wurde hingegen kurzfristig auf mindestens Mitte Juni verschoben.

Doch vielleicht ist dieses Schreckgespenst schon nächste Woche wieder verschwunden.

Der massive Unmut, der direkt in den ersten Tagen der Einschränkungen von den betroffenen Airlines und der amerikanischen Öffentlichkeit geäußert wurde, führte dazu, dass der Senat bereits am Donnerstag, den 25. April ein von beiden Parteien getragenes Maßnahmenpaket beschloss, das dem Department of Transportation die Möglichkeit gibt, 253 Millionen US-Dollar zusätzlich zum Budget der FAA zu übertragen. Dadurch kann die FAA nun die Beurlaubungen in den Kontrollzentralen stoppen und viele der 149 von der Schließung bedrohten Kontrolltüre offen halten.

Schon einen Tag später, am Freitag, den 26. April, stimmte auch das Repräsentantenhaus der Maßnahme zu. Somit sollte das Problem zumindest bis zum 1. Oktober 2013 entschärft sein. An diesem Tag treten die nächsten automatischen Budgetkürzungen der Sequestration in Kraft, wenn bis dahin keine generelle Lösung für das US Haushaltsproblem gefunden ist.

Update 28. April

Am 27. April gab die FAA bekannt, dass alle Beurlaubungen ab sofort ausgesetzt werden und ab Sonntag Abend (28.4.) wieder mit normalem Betrieb zu rechnen sei. 253 Millionen USD erhielt die Behörde FAA vom Staat, um ihre Mitarbeiter wieder normal beschäftigen und bezahlen zu können. Rund 40 % der Verspätungen im Flugverkehr letzte Woche in den USA waren direkt auf die finanziellen Constraints zurückzuführen: Montag: 1025 Verspätungen/Ausfälle, Dienstag: 1025, Mittwoch: 863.

Verglichen mit der gleichen Woche im Vorjahr waren die Verspätungen von 2795 auf 8804 in diesem Jahr durch die Personaleinschränkungen gestiegen. 1500 Fluglotsen mussten Zwangsurlaub nehmen.

Damit arbeiten die Kontrollzentralen wieder so wie vor der Sequestration. Offen bleibt noch, ob und wie viele der Kontrolltürme ab Mitte Juni geschlossen werden.


Kommentare

6 Antworten zu „Unmut löst Lotsenproblem bis Oktober“

  1. Alderamin

    Na, hoffentlich löst sich dann auch das Problem mit den Schlangen am Einreiseschalter, ich muss nämlich in einem Monat über Newark einreisen mit nur zwei Stunden Umsteigezeit. Aber da trifft’s ja nur uns belanglose Ausländer…

    1. Wünsche alles Gute fürs Einreisen.
      Glaube aber, das ist wieder eine andere Behörde…
      Und irgendwie sind wir Einreisenden einfach zu geduldig und nehmen alles hin.
      Also wird sich da auch so schnell nichts ändern wie bei den Fluglotsen, wo praktisch alle Kürzungen mit heutigem Tag wieder zurückgefahren werden.
      Ein Erfolg.
      Bei meiner letzten Einreise in die USA (MCO) im März dauerte die Einreiseprozedur nach einem 12 h Flugzeugaufenthalt (Flug mit Verspätung vorm Abheben und nach dem Landen; die bei diesem Platz bekannten Probleme beim Heranschieben des Fingers) noch satte 3 Stunden.
      In MCO kommen abends immer fast gleichzeitig drei vollbesetzte 747 an, eine Air India, eine Virgin Atlantic und die LH aus Frankfurt. Und sie fertigen immer nach Maschinen ab, LH ist magically stets die letzte, egal, wer zuletzt gelandet ist. Das summiert sich dann auf geschätzt 1000 Passagiere in der Wartezone.
      Im März waren dann statt 16 Einreiseschaltern für Non-US-Bürger ganze 2 geöffnet…
      Da ist es beim Koffer abholen gegen vier Uhr morgens für unsereiner…

  2. Alderamin

    Glück gehabt, es war Pfingstsonntag und überhaupt nichts los an den Einreiseschaltern, keine halbe Stunde gebraucht bis ich dort und danach durch den Zoll war. Beim Rückflug am vergangenen Sonntag sah ich im Vorbeigehen wesentlich mehr Betrieb an den Schaltern, vielleicht wegen des Memorial Day.

    Überhaupt alles sehr entspannt abgelaufen. Die neuen Körperscanner beschleunigen die Abfertigung ungemein.

    1. Die neuen Körperscanner beschleunigen die Abfertigung ungemein.

      …und die Strahlenbelastung des Körpers leider ebenso…

  3. Alderamin

    Die Scanner in Newark waren wohl Mikrowellen-Scanner, keine Röntgenscanner, welche ohnehin bald abgeschafft werden sollen. Also kein Problem mit der Strahlung.

    Die elektromagnetischen Scanner sind oft so empfindlich eingestellt, dass sie anschlagen, obwohl man außer Zahnfüllungen kein Metall an sich trägt, und die folgende Durchsuchung ist dann richtig zeitaufwändig. Was mich vor allem bei den Body-Scannern beeindruckt, ist ihre Fähigkeit, auch Keramikmesser zu entdecken.

    1. 🙂 Das fände ich nun wirklich überzeugend, wenn die bei mir ein Keramikmesser entdecken würden – ich besitze keins…
      (*wegduck*)

Über die Autorin

Die Journalistin Helga Kleisny ist diplomierte Physikerin (TU Wien), Fallschirmspringerin und Pilotin. Nach Arbeitsorten weltweit (Wien, Taipeh, Boca Raton (FL), München, Frankfurt…) sind ihre Haupt-Lebens- und Arbeitsorte nun in Deutschland und in den USA. Sie schreibt als freie Luft- und Raumfahrtjournalistin. Ihre Begeisterung für alles Technische und die Natur, am besten in Kombination, zeigt sich in ihren Büchern und in Seminaren und Vorträgen.

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