Vergaservereisung und der bionische Hund

Manchmal (in meinen Augen stets) kann auch die ausgefeilteste Technik von der Natur lernen. Stichwort: Bionik. (Kombination aus Biologie und Technik). Aus einer wahren Geschichte von einem Flug über der San Francisco Bay könnten findige Ingenieure eine technische Innovation entwickeln.

rhomben

Servicedog Gizmo. Foto: Allan James, Präsident der PBY Catalina Foundation.
Servicedog Gizmo. Foto: Allen James, Präsident der PBY Catalina Foundation.

Pilot Allen James und seine Frau Diana sind stolze Besitzer eines Servicehundes namens Gizmo. Gizmo ist knappe 6 Kilogramm leicht und hilft Diana, Dinge aufzuheben.

Auf allen Flügen in der C172 durch den nördlichen Teil Kaliforniens ist Gizmo mit an Bord, bereits 72 Flugstunden kommen auf den Hund. Beim Motorcheck am Boden und während des Rollens zur Bahn ist der Kleine meist sehr aufmerksam, auch beim Steigflug. Doch sobald die Maschine ruhig im Reiseflug vor sich in tuckert, schläft er mit seinen Ohrenschützern ein. Gesichert ist er dabei an Dianas Schultergurt.

Allen James: „Bei einem Flug letztes Frühjahr um die Bucht von San Francisco, wollten wir nach Half Moon Bay, doch ich war etwas besorgt wegen des Bodennebels. Wir entschlossen uns deshalb Richtung Norden nach Ukiah über die Tomalas Bucht zu fliegen. Auf halbem Weg über der Bucht setzte sich Gizmo auf und starrte das Armaturenbrett mit ernstem Gesicht an. Dann sah er mich an und dann wieder das Armaturenbrett. Für etwa 30 Sekunden sah er immer wieder zwischen mir und dem Armaturenbrett hin und her, als plötzlich der Motor anfing zu stottern.

Ich wußte sofort was los: Vergaservereisung durch die hohe Luftfeuchtigkeit über dem Wasser. Sofort nach dem Einschalten der Vergaservorwärmung lief der Motor wieder rund. Gizmo sah mich an, entspannte sein Gesicht und schlief sofort wieder ein.

Ich weiß nicht genau wie, aber er hat die beginnende Vereisung des Vergasers trotz seiner Ohrenschützer und der generellen Lautstärke schon im Ansatz bemerkt. Wesentlich schneller und zuverlässiger als alle derzeitigen Anzeigegeräte. Ich weiß nur, dass ich jetzt einen Copiloten-Servicehund habe.“

rhomben

AUF DEN HUND GEKOMMEN

Hunde haben eine Hörfrequenzbereich von 15-50.000 Hz, der Mensch von 20-20.000 Hz. (Auch eine Katze hat den dreifachen Frequenzbereich des Menschen).
Irgendwo im Hundefequenzbereich müsste also ein Sensor funktionieren, der eine Art Vorwarnung, oder ein Frühwarnsystem für beginnende Vergaservereisung ansteuert.
Der Mensch kriegt die komplette Vereisung erst mit, wenn der Motor stottert, weil er aussetzt, was dann ohne Gegenmaßnahmen fast sofort zum Totalausfall des Motors führt.
Je eher der Pilot gegensteuern kann, umso wirkungsvoller, für die Insassen unmerkbarer und sicherer ist es.

MOTOR- UND VERGASERVEREISUNG

Motor
Flugzeugmotoren sind eine sehr alte Gattung, überwiegend luftgekühlter Motoren. Wir reden hier nicht von Flugzeugturbinen wie bei Jetflugzeugen sondern vom simplen, normalen Verbrennungsmotoren, wie ihn jeder auch vom Auto kennt. Dort ist er in seiner Entwicklung allerdings bereits um Jahrzehnte weiter.

Die veraltete Bauweise hat den Grund, dass ein Flugmotor hohe technische und auch gesetzliche Anforderungen erfüllen muss. Der Antrieb muss funktionieren, auch in einer dreidimensionalen Schräglage (was beim PKW eher selten vorkommt).
Diese Anforderungen verhindern bis auf wenige Ausnahmen (…Porsche-Motor) den Einsatz von preisgünstigeren PKW- oder Motorradmotoren.

Dieselmotoren sind schwer (das will man in der Luftfahrt schon gar nicht und noch viel weniger als auf der Autobahn). Vorteile sind allerdings der geringere Kraftstoffverbrauch durch Direkteinspritzung und Turboaufladung und die geringeren Kraftstoffkosten pro Liter. Flugdiesel ist im wesentlichen das Gleiche wie Jettriebwerkskraftstoff.

Stichworte zum Weiterlesen: Thielert-Diesel und Austro-Diesel (Diamond-Aircraft). Auch bei Ultraleichten ist der Diesel im (langsamen) Vormarsch.

Vergaservereisung
Der Übergang von flüssig zu gasförmig – das „Vergasen“ – des Kraftstoffes kostet Energie, die der Umgebung in Form von Wärme entzogen wird. Also kühlt diese ab. (Prinzip: Kühlschrank)

Die in der Ansaugluft vorhandene Feuchtigkeit wird dadurch gegebenenfalls so weit abgekühlt, dass sich im Vergaserinneren Eis ansetzt und den Luftdurchsatz immer weiter behindert.

Vergaservereisung kann bereits bei einer Außenlufttemperatur (engl.: Outside Air Temperature (OAT)) von rund minus 5 bis zu +15 °C eintreten. Eine hohe relative Luftfeuchtigkeit wirkt sich hier viel stärker aus als die Temperatur alleine.
Über dem Wasser, bei schlechter Sicht – Nebel , sind dafür die perfekten Voraussetzungen gegeben.

Wird der Vergaser beim Durchfliegen solcher Luftschichten mit entsprechenden Gegebenheiten nicht gewärmt, kommt es zur Vergaservereisung. Der Pilot bemerkt (oder auch nicht) davon zunächst einen Leistungsabfall und „schiebt“ mehrfach den Gashebel weiter nach vorne. Die geringere Leistung entsteht durch das fetter werdende Gemisch, bedingt durch die Verengung des Ansaugkanals. Spätestens in diesem Moment muss die Vergaservorwärmung aktiviert werden.

Heute wird der Pilot nur durch eine Vergaserthermometer-Anzeige, bei der üblicherweise der Temperaturbereich mit Vergaservereisungsrisiko markiert ist, über den möglichen Gefahrenbereich gewarnt. Nicht aber vor Tatsachen, die sich bereits real anbahnen.

Über die Autorin

Die Journalistin Helga Kleisny ist diplomierte Physikerin (TU Wien), Fallschirmspringerin und Pilotin. Nach Arbeitsorten weltweit (Wien, Taipeh, Boca Raton (FL), München, Frankfurt…) sind ihre Haupt-Lebens- und Arbeitsorte nun in Deutschland und in den USA. Sie schreibt als freie Luft- und Raumfahrtjournalistin. Ihre Begeisterung für alles Technische und die Natur, am besten in Kombination, zeigt sich in ihren Büchern und in Seminaren und Vorträgen.

Blog per E-Mail folgen

Gib deine E-Mail-Adresse ein, um per E-Mail Benachrichtigungen über neue Beiträge zu erhalten.
Blogbeiträge werden in unregelmäßigen Abständen veröffentlicht.

Entdecke mehr von FlugundZeit

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen