B737 Max nicht ganz so flügge

Über die Abstürze der beiden Boeing 737 Max und die Hintergründe hatten wir auf flugundzeit mehrfach berichtet. Nun melden die News der Welt, dass sie nach 20 Monaten Zwangsgrounden wieder fliegen darf, nachdem die amerikanische Behörde in einer Airworthiness Directive (Lufttüchtigkeitsanweisung) alle Konstruktionsänderungen festlegt hat, die vorgenommen werden müssen, bevor das Flugzeug wieder in Dienst gestellt wird.

Das ist zu vereinfacht. Denn: Bevor eine Fluglinie die 737 Max wieder einsetzen darf, muss noch einiges getan werden: Die Piloten müssen nachsitzen und eine Nachschulung absolvieren. Nach den Abstürzen hatten sich Piloten beschwert, dass sie keine Details über die Funktionsweise des Systems oder sogar dessen Existenz erhalten hätten. Die Rezertifizierung erfordert ein Simulatortraining, das sich auf die MAX-Crash-Szenarien konzentriert.

Es muss zudem Software nachgerüstet werden. Zu den Updates für MCAS gehört, dass redundante, also beide ohnehin schon eingebauten Anstellwinkelsensoren ausgewertet werden, redundante zwei Computer und die Einschränkung, dass MCAS nur einmal und nicht kontinuierlich aktivieren werden kann, wie dies bei den Unfallflugzeugen der Fall war. Darüber hinaus wird MCAS nur aktiviert, wenn beide Sensoren übereinstimmen.

MCAS wurde in der Max eingebaut, um das gleiche Kontrollgefühl wie bei früheren 737-Modellen zu erzeugen. Es bewirkt, dass bei hohen Anstellwinkeln und rückwärtiger Schwerpunktlage automatisch die Nase nach unten getrimmt wird.

Die FAA muss alle Revisionen des 737 MAX-Pilotenausbildungsprogramms für jede US-amerikanische Fluggesellschaft, die die MAX betreibt, genehmigen und muss neue Lufttüchtigkeitszeugnisse für alle 737 MAX-Flugzeuge ausstellen – das beinhaltet alle bereits vorher zugelassenen und künftig neu zugelassene.

Darüber hinaus müssen Fluggesellschaften, die ihre MAX-Flugzeuge geparkt haben, erforderliche Wartungsmaßnahmen sicherstellen, bevor sie wieder abheben dürfen.

Das alles gilt zurzeit nur für amerikanisch zugelassene Flugzeuge. Von den weltweit seit Monaten geparkten 400 Flugzeugen bleiben alle anderen zunächst noch am Boden. Zu den geparkten 737 Max betrifft das noch weitere 450 erzeugte, die noch nicht ausgeliefert sind. Und dazu kommt Corona. Die Welt hat gerade anderes im Sinn, als weitere Flugzeuge zu kaufen. Das Interesse an der eigentlichen Sensationsmeldung hält sich daher stark in Grenzen.

Das geht soweit, dass alles oben geschriebene zurzeit nur für in USA zugelassene Flugzeuge gilt. Die Europäische Agentur für Flugsicherheit EASA sagt zwar, dass sie mit dem 737-Max-Änderungen generell zufrieden sei, die offizielle Fluggenehmigung steht jedoch noch aus. Die EASA und Kanada baten Boeing um zusätzliche Änderungen. Auch China, das für Boeing einen bedeutenden Wachstumsmarkt darstellt, veröffentlichte noch keine offizielle 737-Max-Zulassung.

Über die Autorin

Die Journalistin Helga Kleisny ist diplomierte Physikerin (TU Wien), Fallschirmspringerin und Pilotin. Nach Arbeitsorten weltweit (Wien, Taipeh, Boca Raton (FL), München, Frankfurt…) sind ihre Haupt-Lebens- und Arbeitsorte nun in Deutschland und in den USA. Sie schreibt als freie Luft- und Raumfahrtjournalistin. Ihre Begeisterung für alles Technische und die Natur, am besten in Kombination, zeigt sich in ihren Büchern und in Seminaren und Vorträgen.

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