Gee Bee R-1 Nachbildung im New England Air Museum Windsor Locks, Connecticut, USA (c) William S. Porter

Traue nie einer Statistik, die du nicht selber frisiert hast – alte Physiker-Weisheit. Focus-Online fragte mal bei mir vor einigen Jahren an, ob ich denen einen Bericht schreiben würde über die 10 unsichersten Flugzeuge und die 10 unsichersten Airlines.

Habe ich abgelehnt mit der Begründung, dass es dafür keine sinnvolle Klassifizierung gibt. Was ist sicher? Was geht ein in die gezeigte Statistik? Welche Zeitspanne ist Basis? Zudem ist kein Flugzeug an sich unsicher. Es gibt welche, die vor allem bei Motorausfall schwieriger zu fliegen sind (GeeBee…), weil sie ohne Antrieb kaum oder schwer steuerbar sind oder dann eine Sinkrate von 1 zu plumps haben. Es gibt generell Fluggeräte, die anspruchsvoller zu fliegen sind (Wasserflugzeuge, Helikopter, Boeing MD-11…) und welche, die dem Piloten mehr verzeihen. Aber das hat nichts mit Sicherheit zu tun, sondern mit der erforderlichen Proficiency (und bei älteren Kolbenmehrmots und Motorausfall auch der physischen Kraft) des Piloten, der das Fluggerät fliegt. Die Sicherheit eines Flugzeugs hängt auch sehr von seiner Wartung ab und da kommt wieder die Airline mit ins Spiel…

Hat nicht viel geholfen meine Weigerung. Dann machen den Blödsinn eben andere. Gerade ging es durch die Presse rauf und runter: Das Sicherheitsranking 2018 von JACDEC mit der Bewertung der 100 verkehrsstärksten Airlines der Welt.

Und daraufhin schrieb etwa Focus-Online (andere waren nicht besser):

Demnach belegte im Sicherheits-Ranking 2018 die Fluggesellschaft Emirates den ersten Platz der sichersten Airlines des vergangenen Jahres.

Abgesehen davon, dass siehe oben, die Klassifizierung an sich schon grenzwertig ist, stimmt die „sicherste Airline des vergangenen Jahres“ schon gar nicht.

Zwar beurteilt die JACDEC-Auswertung die Fluggesellschaften nach der Anzahl der Zwischenfälle und Totalverluste pro Flugkilometer. Aber: Dabei sind alle Zwischenfälle der vergangenen 30 Jahre miteinbezogen.

Für eine ernstzunehmendere Statistik über derzeitige (letztes Jahr!) Sicherheit, bezogen auf Flugunfälle, müssten die Unfälle nach Jahren gewichtet sein. Also einer von vor 30 oder 29 Jahren weniger eingehen in die Beurteilung als die Verluste in den letzten Jahren. Denn vom Management der Airlines vor 30 Jahren bis heute – da hat sich schon mehrmals vieles geändert. Was auch wieder Einfluss auf die Wartung, Auslastung, das Fluggerät und den menschlichen und den Maschinen-Einsatz bewirkt.

Aber selbst dann ist das Ranking für Verkehrspiloten mit ein wenig mehr Praxiseinsicht in die Materie nicht nachvollziehbar. Denn manchmal haben eine Airline und die Menschen an Bord eines Fluges nur sehr viel Glück…

Handelsblatt vom 3.1.:

Die Fluggesellschaft Emirates war 2017 laut einem Ranking von Unfallforschern die sicherste Airline

Zitat eines Airline Kapitäns zu obiger Meldung:

Spontan fällt mir dazu ein Totalverlust einer B777 und der beinahe Totalverlust zweier A380 von Emirates ein. Wer als „Experte“ diese Airline als sicherste Airline der Welt bezeichnet, der wählt auch Reiner Calmund zur schönsten Frau der Welt…

Über den Totalverlust einer B777 von Emirates in FlugundZeit:
Dubai Emirates 773 Absturz – Zwischenbericht
Bruchlandung von Emirates B773 in Dubai

Beim Totalverlust wurde ein Go-Around eingeleitet ohne dabei Schub zu geben. Zitat eines Airbus-Ausbildners: „Das bescheinigt den Piloten eine derartige Inkompetenz, dass man gar nicht weiß, wo man mit Schulungsmaßnahmen anfangen soll, da das Basisverständnis komplett fehlt.“ Der Emirates-Kapitän wurde von der Fluglinie nach dem Vorfall entlassen.

Bei diesem absolut unnötigen Unfall, bei dem ein 100% verkehrstüchtiges Flugzeug durch Inkompetenz der Besatzung vollkommen zerstört wurde, fehlte die Situational Awareness,  Systemkenntnis und das Verständnis für die Basiszusammenhänge zwischen Pitch und Power.

Dass auch andere Emirates Crews offenbar ohne Situationsbewusstsein unterwegs sind, zeigen die zwei oben erwähnten Beinahe-Totalverluste zweier A380. Beide aus dem letzten Quartal 2017.

In beiden Fällen befand sich das Flugzeug weit vor der Landebahn viel zu tief über dem Gelände. Beide Male wurde die Crew (und die Passagiere) von ATC und vom Ground Proximity System gerettet.

Diese Airline scheint also ein Qualitätsproblem im Cockpit zu haben, das sich selbst in der Meinung der Fluggesellschaft nicht durch Nachschulung lösen lässt.

Und wer diese Airline dann ohne Nachzudenken noch so groß herausstellt als „sicherste Airline der Welt“ darf sich gerne zu den „Flug-Experten“ zählen. Zu den Möchte-Gern-Experten, die Minuten später nach jedem Unfall ihr Gesicht in die Kamera halten und ihre Unkenntnis ins Mikrofon tröten: „Zum derzeitigen Zeitpunkt weiß man noch nichts…“ Jo. Das kann sich der Zuseher auch alleine denken…

Über die Autorin

Die Journalistin Helga Kleisny ist diplomierte Physikerin (TU Wien), Fallschirmspringerin und Pilotin. Nach Arbeitsorten weltweit (Wien, Taipeh, Boca Raton (FL), München, Frankfurt…) sind ihre Haupt-Lebens- und Arbeitsorte nun in Deutschland und in den USA. Sie schreibt als freie Luft- und Raumfahrtjournalistin. Ihre Begeisterung für alles Technische und die Natur, am besten in Kombination, zeigt sich in ihren Büchern und in Seminaren und Vorträgen.

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