Zwischenbericht des Absturzes der ATR-72 im Iran

Am 11. März 2018 veröffentlichte die iranische Untersuchungsbehörde AIB ihren vorläufigen Untersuchungsbericht zum Absturz der ATR-72 vom 18. Februar 2018:

Die beiden „Black Boxes“: der Flugdatenschreiber (FDR) und der Cockpit Voice Recorder (CVR), die meist orange und nicht schwarz sind.

Darin steht, dass gemäß Flugdatenschreiber (FDR) und Cockpit Voice Recorder (CVR) das Flugzeug an Yasuj Tower übergeben wurde als am Autopilot 15 000 Fuß eingestellt war. Als die Crew durch 15 600 Fuß sank, aktivierte sie das Enteisungssystem. Die Besatzung stellte das QNH (den Luftdruck) auf 1021 und der Autopilot hielt für etwa eine Minute die 15 000 Fuß.

Dann wurde die Leistung auf Leerlauf reduziert. Als die Geschwindigkeit auf 200 KIAS sank und der Anstellwinkel zunahm, wurde die Motorleistung leicht erhöht. Die Geschwindigkeit nahm aber weiter ab und erreichte 129 KIAS (minimale Manövergeschwindigkeit 132 KIAS), die Pitch (Winkel zwischen Längsachse und Horizont) erreichte 15 Grad nach oben, und die Leistung wurde auf 67 Prozent erhöht.

Als Zielhöhe wurde nun 14 000 Fuß eingestellt und das Flugzeug beginnt mit ungefähr 600 Fuß pro Minute zu sinken. Die Geschwindigkeit reduziert sich weiter auf 117 KIAS, die Überziehwarnung (Stallwarning) wird aktiviert, worauf die Besatzung den Autopiloten abschaltet.

Das Flugzeug rollt 20 Grad nach links, die Pitch reduziert sich auf etwa 9 Grad nach unten. Sinkend durch 14200 Fuß bei 137 KIAS wird der Autopilot wieder eingeschaltet, das Flugzeug rollt um 12 Grad nach rechts, die Pitch steigt leicht auf 5 Grad nach unten. Das GPWS (Ground Proximity Warning System) warnt: „Gelände voraus! Ziehen!“, der Autopilot ist wieder aus, die GPWS-Warnung ertönt 12 Sekunden lang. Bis zum Einschlag.

100 Fuß (ft) = 30,48 Meter
VMC     Sichtflugbedingungen
KIAS    Geschwindigkeit in Knoten, (Indicated Airspeed)
1 kn (Knoten) = 1,85 km/h
Der Bericht führt an, dass es keine technische Fehlfunktion des Flugzeugs gab, die Triebwerke reagierten entsprechend der Eingaben der Piloten, alle Flugzeugsysteme lieferten der Besatzung gültige Daten.

Aufgrund der Bewölkung sah die Besatzung bis 2 Sekunden vor dem Aufprall die Berge nicht.

Zwei Sekunden vor dem Aufprall rollte das Flugzeug scharf nach links, um das Gelände zu vermeiden.

Laut AIB Bericht hätte die Besatzung 17 000 Fuß in Übereinstimmung mit dem Flugplan halten sollen, sank stattdessen jedoch zunächst auf 15 000 Fuß und stellte dann sogar eine Zielhöhe von 14.000 Fuß regelwidrig ein. (Die Wolkenuntergrenze lag bei 15 000 Fuß.)

Während die Crew den Flug mit den zum Zeitpunkt des Abflugs verfügbaren Wetterdaten durchführen durfte, verboten die neuesten Wetterinformationen des Yasuj Tower, die Wolken bis zu 15 000 Fuß (9 000 Fuß über Grund) meldeten, nach Company Procedures der Crew den Anflug fortzusetzen. Fluglinien haben oft engere Restriktionen als der Gesetzgeber, unter welchen Bedingungen ein Weiterflug für die Crew erlaubt ist, wann sie zu einem Ausweichplatz fliegen müssen oder auch die maximale Flugdienstzeit überschritten ist.

Die Besatzung hätte aufgrund der Company Rules also nach Shiraz oder Isfahan zum Ausweichflugplatz fliegen müssen. Die Aufzeichnungen der Crewgespräche des CVR bestätigen das Vorhandensein von Wolken bis zu 15 000 Fuß, was mit dem genauen Wetterbericht von Yasuj Tower übereinstimmt. Obwohl der Flugplatz noch mehr als 10 Kilometer entfernt war, schien die Besatzung zuversichtlich zu sein, dass das Gebiet in Platznähe in VMC (sichtbar) sein würde.

Die Untersuchungsbehörde AIB vermerkt, dass dies eine erste Interpretation der ersten Untersuchungsergebnisse darstellt und noch nicht als abschließende Unfallursache zu betrachten ist.

Über die Autorin

Die Journalistin Helga Kleisny ist diplomierte Physikerin (TU Wien), Fallschirmspringerin und Pilotin. Nach Arbeitsorten weltweit (Wien, Taipeh, Boca Raton (FL), München, Frankfurt…) sind ihre Haupt-Lebens- und Arbeitsorte nun in Deutschland und in den USA. Sie schreibt als freie Luft- und Raumfahrtjournalistin. Ihre Begeisterung für alles Technische und die Natur, am besten in Kombination, zeigt sich in ihren Büchern und in Seminaren und Vorträgen.

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