Zweithaus am Mars 2

(c) für alle Abbildungen dieses Beitrages außer Moonvillage Cover: Thomas Herzig

„Wenn ich Moon Village sage, bedeutet das nicht einzelne Häuser, eine Kirche, ein Rathaus und so weiter. Das wäre irreführend. Meine Idee befasst sich nur mit dem Kern des Konzeptes eines Dorfes: Menschen, die am selben Ort zusammenarbeiten und leben. Und dieser Ort wäre auf dem Mond. … Und ein Dorf beginnt mit dem ersten Haus.“
(Generaldirektor der ESA, Jan Wörner in 2016)

Jan Wörner stieß mit seinen Worten in Wien einen Wettbewerb an, der 2018 bei Studenten an der TU Wien am Institut für Hochbau zu einer wahren Fülle an Anregungen, Ideen und Vorschlägen führte, die auch auf dem Internationael Astronautical Congress Ende 2018 in Bremen vorgestellt wurden.

Im Designstudio Moon Village an der Technischen Universität Wien entwickelten 35 Masterstudenten hypothetische Szenarien für ein zukünftiges Monddorf. Das Studio wurde von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) unterstützt.

Auch Raumfahrtexperten von Raumfahrtunternehmen begleiteten die Designs mit themenspezifischen Vorträgen und Workshops. So entstanden mit Berücksichtigung von technischen, ökologischen und betrieblichen Anforderungen an den Bau und das Lebens auf dem Mond die Projekte des multikulturellen und offenen Konzepts: Moon Village.

Eine Zusammenfassung der Entstehung, aber auch der Entwürfe ist nun auf der Digitalen Publishing Plattform ISSUU als E-Booklet veröffentlicht.

Davon unabhängig, aber auch aus Wien, stammen die Vorstellungen und Entwürfe des Architekten Thomas Herzig für sein aufblasbares Mond und Mars Habitat: „Mein Design ist insofern neu, da es im Gegensatz zu bisher veröffentlichten Designs sowohl vor Strahlung und Meteoriten ausreichend schützt, als auch natürliches Sonnenlicht im Inneren für Gemüseanbau nutzbar macht.“

Architekten haben üblicherweise so ihre eigenen Vorstellungen, wie ihre Werke auszusehen haben. Der praktische Nutzen muss da manchmal gegen die Ästhetik hintanstehen. Behausungen, bei denen die Sicherheit vor Strahlung, Meteoriteneinschlägen und anderen Unwägsamkeiten Vorrang hat – begonnen schon allein mit dem Transport des Materials zum Hausbau – haben andere Prioriäten. Auch wenn das Resultat durchaus ästhetisch sein darf. Design Follows Function ist hier ein absolutes Muss. Architekt Herzig informierte sich daher für seinen Entwurf bei einem Astrophysiker.


Auf die Fragen von flugundzeit antwortete Thomas Herzig.

Muss alles Material auf den Mars/Planeten transportiert werden oder können Stoffe vorort eingesetzt werden?

Im wesentlichen brauchen nur die Membranhülle, die dünnen Alubleche für die auskragenden Dächer, die Türelemente und die Spiegelfolien auf der Erde produziert und zum Mars transportiert werden.

Das, was die meiste Masse ausmacht, nämlich die Beschüttung, die vor Strahlung und Meteoriten schützt, besteht aus Mars Regolith [Marsgestein].

Die Luft im Inneren wir aus der Marsatmosphäre gewonnen. Bei den meisten anderen Projekten, wie etwa die beim Design-Wettbewerb der NASA (der 2015 begonnen hatte, und an dem nur US-amerikanische Teams teilnehmen dürfen) ist vorgesehen, die Wände und Decken in 3D-Druck aus Marsregolith zu bauen.

Aber auch bei einer 3D-Druckwand wird eine luftdichte Membran benötigt, da solche Wände zwar stabil sind, aber keine 100% Luftdichte garantieren. Jeder noch so kleine Haarriss würde zu einem unkontrollierbaren Druckverlust führen.

Der nächst Punkt ist, dass die Tragfähigkeit beziehungsweise die Festigkeit der Wände und Decken gar nicht benötigt wird, weil in der dünnen Marsatmosphäre der innere Luftdruck mehr als ausreichend ist, um mit einer dünnen Membran die benötigte Festigkeit und Tragfähigkeit zu erreichen.

Wozu sollte man daher in energieaufwändiger Weise (und Energie ist ein äusserst knappes Gut bei einer Marsmission) Wände und Decken 3D-drucken? Es genügt, losen Regolith auf die Membran aufzuschütten, um die benötigte Masse zu erzielen, die vor Strahlung, Meteoriteneinschlägen und Kälte schützt.

Vor allem aber können wir durch die Spiegelfolien sichtbares Sonnenlicht konzentriert ins Innere lenken, während die harte kosmische Strahlung nicht reflektiert wird, sondern die Spiegelfolie durchdringt und im Marsboden darunter absorbiert wird.

Um wieviele Kilos und Volumen geht es?

Für eine Habitateinheit mit 450 Quadratmeter beträgt das Transportgewicht 2600 kg.

Wie sieht es mit der Haltbarkeit/Einsatzdauer der aufblasbaren Strukturen aus?

Die Haltbarkeit der Folien wird im wesentlichen durch die UV-Strahlung beeinträchtigt, die von den Spiegelfolien reflektiert wird.

ETFE Folie (wie sie heute im Hochbau für transparente pneumatische Überdachungen eingesetzt wird) ist UV-beständig, zumindest unter den Bedingungen auf der Erde.

Am Mars könnte man als zusätzlichen Schutz eine weitere Folie wie einen Vorhang davor hängen. Wenn dieser „Vorhang“ verschlissen ist, kann er ausgetauscht werden; die dahinter liegenden Membrankissen bleiben intakt.

Der größte Teil der Membran ist von aussen durch die mehrere Meter dicke Regolithbeschüttung sehr gut vor mechanischer Beschädigung geschützt. Wenn es von innen zu einer Beschädigung kommen sollte, kann man die Folie mit einem Klebeband flicken.

Ausserdem besteht die Membran aus mehreren Lagen. Wenn also eine Lage einen Einstich hat, ist noch eine weitere Lage vorhanden, die einen Luftaustritt unterbindet.

Ohne Beschädigungen sollte es also nichts geben, was zu einem natürlichen Ablaufdatum des Habitats führt.

Da es sich noch um ein Konzept handelt, das bisher nicht unter realen Bedingungen im Weltraum getestet werden konnte, lässt sich eine Lebensdauer mit Angabe in Jahren derzeit nicht machen.

Da die vorfabrizierten Membranen sehr leicht sind, sollten auf jeden Fall einige in Reserve mitgeführt werden,  entweder als Ersatzteil für irreparabel beschädigte Membrane, oder um das Habitat zu erweitern.

Sind Menschen für den Aufbau notwendig oder können das auch Roboter erledigen?

Nachdem bei anderen bisher veröffentlichten und prämierten Designs für Marshabitate davon ausgegangen wird, dass diese von Robotern zusammengebaut und vollautomatisch im 3D-Druckverfahren errichtet werden können, bevor der erste Mensch den Mars betritt,  sollte dies bei einem aufblasbaren „Pneumo Planet“-Habitat ohne die aufwändige 3D-Drucktechnik umso leichter möglich sein, die Membran bloß auszurollen und mit einem Roboterbagger Regolith aufzuschütten.

Ist ein Testeinsatz auf der Erde erfolgt oder geplant?

Ein Einsatz auf der Erde ist geplant, allerdings suche ich noch nach Investoren/ Sponsoren.

Es soll ein voll funktionsfähiger Prototyp auf der Erde errichtet werden für die Simulation einer Marsmission (diese Simulationen finden derzeit noch in gewöhnlichen aufblasbaren Zelten in der Wüste statt).

Der Prototyp kann auch kommerziell genutzt werden als „Mars-Museum“ und „Marshotel“ für Touristen und als Drehort für Science Fiction Filme. Praktische Anwendungen gibt es ebenfalls als Gewächshaus für extreme Klimazonen. Die Masse der Beschüttung an der Decke sorgt für Temperaturausgleich und kann leicht durch den inneren Luftdruck getragen werden, ohne dass Stützen und Träger aus Aluminium verbaut werden müssen. In dem geschlossenen Volumen geht außerdem kein Wasser verloren.

(c) für alle Illustrationen dieses Beitrages außer Moonvillage Cover: Thomas Herzig




Kommentare

Eine Antwort zu „Zweithaus am Mars 2“

  1. Vielen, vielen Dank! Wirklich spannend und phantasieanregend diese Visionen – oder besser ersten Entwürfe.
    Eine Schande, dass ich das Raumzeitalter wohl nicht mehr erleben werde!

Über die Autorin

Die Journalistin Helga Kleisny ist diplomierte Physikerin (TU Wien), Fallschirmspringerin und Pilotin. Nach Arbeitsorten weltweit (Wien, Taipeh, Boca Raton (FL), München, Frankfurt…) sind ihre Haupt-Lebens- und Arbeitsorte nun in Deutschland und in den USA. Sie schreibt als freie Luft- und Raumfahrtjournalistin. Ihre Begeisterung für alles Technische und die Natur, am besten in Kombination, zeigt sich in ihren Büchern und in Seminaren und Vorträgen.

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