Think like a Rocket Scientist

(c) Hachette Book Group/Ozan Varol

„Am Ende dieses Buches werden Sie kein Raketenwissenschaftler sein. Aber sie können denken wie einer.“

Das verspricht Autor Ozan Varol in seinem Buch, das im deutschen (leider) den Titel trägt: Boost – Denken wie Elon Musk und Co. Wobei nicht klar ist, wer Co ist. Denn Raketenwissenschaftler ist Musk mit Sicherheit nicht.

Wer lernt, wie ein Raketenwissenschaftler zu denken und zu handeln, verändert nicht nur seine Weltanschauung. Er kann die Welt verändern.

(c) Börsenmedien AG, Plassen Buchverlage

Varol verfügt über einen schillernden Lebenslauf, in dem er auch einige Jahre im Team des Projekts Mars Explorer Rover verbrachte, das 2003 zwei Rover zum Mars schickte. Aus dieser Zeit, in der er erkannte, dass hinter den Kulissen der NASA nicht alles so glatt lief, wie es für Außenstehende den Eindruck hat, schildert Varol mit viel Humor, wie man trotzdem – oder aus seiner Sicht genau deshalb – erfolgreich Projekte absolviert.

Um vorzuführen, wie breit seine Grundsätze anwendbar sind, wechselt Varol Anekdoten aus der Raketenforschung mit Episoden aus Geschichte, Wirtschaft, Politik und den Rechtswissenschaften ab. Sehr unterhaltsam und auch für Insider der Weltraumgeschichte mit vielen neuen Hintergrundinformationen. Und: Hätte sich Annalena Baerbock ein Beispiel an seinen seitenumfassenden Literaturverweisen genommen, wäre sie vermutlich heute Bundeskanzlerin…

If you stick to the familiar, you won’t find the unexpected.
(Wer immer das Gleiche macht, wird keine neuen Erkenntnisse oder Ergebnisse erhalten.)

Wie ein Raketenwissenschaftler zu denken bedeutet, die Welt von außen, ungewohnt, auf eine andere Art, zu betrachten. Die Wissenschaftler stellen sich das Unvorstellbare vor und lösen das Unlösbare. Sie verwandeln Misserfolge in Triumphe und Zwänge in Vorteile. Sie betrachten Missgeschicke als lösbare Rätsel und nicht als unüberwindbare Hindernisse. Sie werden nicht von blinder Überzeugung, sondern von Selbstzweifeln angetrieben; ihr Ziel sind nicht kurzfristige Ergebnisse, sondern langfristige Durchbrüche. Sie wissen, dass keine Regel in Stein gemeißelt ist, dass Vorgaben geändert werden können und dass oft zur Lösung ein neuer Weg eingeschlagen werden kann oder muss.

Wie der Flug einer Rakete, ist auch dieses Buch in drei Phasen eingeteilt:

Phase 1: Start

Der ersten Phase, dem Start, widmet Varol den zündenden Gedanken: “Bahnbrechende Ideen sind grundsätzlich mit Unsicherheiten behaftet…Raketenforscher nutzen Unsicherheiten zu ihrem Vorteil, denn ungeschriebene Regeln schränken das Denken ein.”
Die Start-Phase erfordert die Fähigkeit, bestehende Annahmen zu hinterfragen. Hätte Steve Jobs akzeptiert, dass Telefone mit Tastaturen ausgestattet sind oder über Zifferntasten bedient werden, wäre das iPhone nie erfunden worden.

Phase 2: Beschleunigung

In der zweiten Phase – der Beschleunigung – fokussiert Varol auf das Vorantreiben der Ideen, die in der ersten Phase entwickelt wurden. Er zeigt, warum man eingangs die richtigen Fragen stellen muss, um später die richtigen Antworten zu erhalten und wie man Schwachstellen aufspürt, damit die Ideen zum Volltreffer werden. Flexibles Denken ist hier gefragt. Sobald Sie in der ersten Phase einige originelle Ideen entwickelt haben, müssen Sie Ihre Ideen vorantreiben und sehen, welche davon auf eigenen Füßen stehen können. Das geht am besten, indem Sie Ihre Fragen neu formulieren, um mehr Möglichkeiten zu eröffnen, und indem Sie testen und experimentieren.

Unsicherheiten bewältigen Raketenwissenschaftler mit Redundanz und einem Hinterfragen der Fragestellung.

Zur Redundanz: Funktioniert ein Bauteil in einer Rakete mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % und versagt es mit 50 %, so verringert man die Unsicherheit durch Ergänzen eines weiteren Bauteiles, sodass die Ausfallrate nur mehr 0,5*0,5 = 0,25 beträgt.

Das allerdings hat Grenzen. Zwar sind etwa zwei Triebwerke geringfügig ausfallsicherer als eines (wenn der Sprit im Fluggerät alle ist, helfen auch keine 10 weiteren vorhandenen Triebwerke)… und wenn man statt einem oder zwei Triebwerken auf einer Fläche vier anbringen würde – erhöht das mehr die Probleme (Gewicht, Platz) als dass es die gesamte Zuverlässigkeit des Antriebes verbessert.

Das Problem neu formulieren: Sehr oft, wenn wir auf ein Problem stoßen, gehen wir sofort in den Problemlösungsmodus über, ohne die Frage selbst zu hinterfragen. Deshalb ist es wichtig, einen Schritt zurückzugehen und das gesamte Problem zu überdenken. Ist die Unsicherheit überhaupt notwendig oder wie könnte eine Alternative aussehen, mit der das gleiche Ergebnis erzielt werden kann?

Most highly successful people have been really right about the future at least once at a time when people thought they were wrong.
(Die meisten sehr erfolgreichen Menschen lagen mindestens einmal wirklich richtig mit ihrer Zukunftsprognose, genau dann, als die anderen dachten, sie wären Murks.)

Ozan Varol

Phase 3: Leistung (Achievement)

Seine letzte Phase heißt in der deutschen Übersetzung (leider): Leistung. Im Original: Achievement, was man hier wohl besser mit Ausführung, Vollenden oder Verwirklichung übersetzt hätte.

„Nichts ist so erfolgreich wie ein Fehlschlag, nichts scheitert so grandios wie der Erfolg,“ postuliert Varol. Die Entfaltung unseres vollen Potenzials ist eine Mischung aus Erfolgen und Misserfolgen. Man sollte aus den Misserfolgen lernen und beim Erfolg Selbstgefälligkeit vermeiden.

Am Ende der dritten Phase sind sie soweit:
Die Welt bestimmt dann nicht mehr, wie sie denken, sondern
ihre Gedanken formen die Welt. Sie sind nicht nur in der Lage,
um die Ecke zu denken, sondern bestimmen selbst, um welche.

Ozan Varol

Heureka!

(Sehr) empfehlenswert für

  • alle, die ihr Denken erweitern möchten
  • Führungskräfte
  • alle, die gerne ein unterhaltsames Buch lesen, bei dem man auf neue Gedanken gestupst wird
  • alle, die schon immer wissen wollten, was sich hinter so manchem Glanzereignis in der Raumfahrt wirklich verbarg (gute Verdichtung vieler Informationen und Hinweise)

Über die Autorin

Die Journalistin Helga Kleisny ist diplomierte Physikerin (TU Wien), Fallschirmspringerin und Pilotin. Nach Arbeitsorten weltweit (Wien, Taipeh, Boca Raton (FL), München, Frankfurt…) sind ihre Haupt-Lebens- und Arbeitsorte nun in Deutschland und in den USA. Sie schreibt als freie Luft- und Raumfahrtjournalistin. Ihre Begeisterung für alles Technische und die Natur, am besten in Kombination, zeigt sich in ihren Büchern und in Seminaren und Vorträgen.

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