Single-Pilot-Cockpit: China ist die treibende Kraft

Während Passagiere und Piloten ein Single-Pilot Airline-Cockpit vehement ablehnen, preschen Airlines, gefolgt von der Industrie, wieder einmal nach vorne.

China, die treibende weltweite Wirtschaftskraft, und die finanziell noch gut bestückte Golfregion haben einen enormen Pilotenmangel. Flugzeuge in riesigen Mengen bestellen und zu kaufen ist das eine. Aber irgendwer muss sie ja auch fliegen.

Das “Ein-Mann-Cockpit” (steht bei mir auch für “Ein-Frau-Cockpit”) wäre aus Sicht so manches Managers dafür eine brauchbare Lösung. Airbus hat für dieses Vorhaben bereits eine eigene Firma, deren Ziel ist, autonome Flugzeuge und Technologien zu entwickeln, die zum Single-Pilot-Cockpit führen sollen.

Während hierzulande in der Medienlandschaft mehr oder minder Stillschweigen darüber herrscht, ist Airbus in chinesischen Tageszeitungen da offensiver: „Wir verfolgen einen Ein-Piloten-Betrieb als eine potenzielle Option und viele der Technologien, die dafür erforderlich sind, haben uns auch auf den Weg zu einem vollautomatisierten Betrieb gebracht“, sagt Paul Eremenko, Technikguru und Gründer des Airbus Ablegers in Silicon Valley dazu.

Die Luft- und Raumfahrtindustrie sieht einen ähnlichen Trend wie der Automobilmarkt, auf dem Automobilhersteller in Startups zu autonomem Fahren investieren oder diese gleich erwerben.

Flugzeughersteller wie Airbus und Boeing entwickeln selber künstliche Intelligenz für künftige komplett autonome Steuerungen. Alle Beteiligten wissen, dass es nicht einfach wird, in einer Branche, in der mindestens zwei Piloten im Cockpit seit Jahrzehnten für kommerzielle Flüge die Norm sind, diese Idee in die Praxis umzusetzen. Abgesehen davon, dass es noch nicht einmal Cargo-Flugzeuge gibt, die für einen einzelnen Piloten- oder unbemannten Flug zertifiziert sind, ist unklar, ob Fluggäste oder ihre Versicherer oder Fluggesellschaften dies akzeptieren oder zulassen würden.

Die beiden großen Player in der Luftfahrtindustrie liefern sich mittlerweile ein strammes Rennen auch bei den Zukunftstechnologien: Airbus untersucht intensiv neue Technologien zur „Urban Air Mobility“, die Technologie von On-Demand-Hubschrauberflügen bis hin zu Lieferdrohnen erforscht. Boeing kaufte letzten Monat eine Firma, die fliegende Taxis für Uber Technologies entwickelt und ebenso eine, die sich mit hybriden elektrischen Antrieben befasst.

Letzte Woche kündigte Airbus an, ein Innovationszentrum in Shenzhen, Provinz Guangdong in China, zu bauen. Das Innovationszentrum soll die für die Zukunft des Flugverkehrs erforderliche Forschung beschleunigen. China will Airbus mit allen Kräften dabei unterstützen, die Technologien zu entwerfen und zu entwickeln.

Die allgemeine Luftfahrt in China öffnet sich. China sieht darin seine Chance, den künftigen Weltmarkt zu dominieren, wie auch in vielen anderen Bereichen.

Airbus unterzeichnete eine Kooperationsvereinbarung mit Invest Shenzhen, einer Organisation, die mit der Stadtverwaltung verbunden ist. Hier sollen langfristige strategische Partnerschaften etabliert werden. Das Innovationszentrum soll von der Planung, den Talentressourcen und einem günstigen Investitions- und Finanzierungsumfeld von Shenzhen profitieren, um China in der Luftfahrtinnovation in eine führende Rolle zu bringen. Angestrebt dafür ist weniger als ein Jahrzehnt.

Airbus erforscht Technologien, die mehr Automatisierung in das Cockpit von Flugzeugen bringen sollen, und damit einen Mangel an Piloten in Ländern wie China beheben, der in weniger als einem Jahrzehnt zum größten Luftfahrtmarkt der Welt aufsteigen möchte. Dazu finden auch Gespräche mit chinesischen Firmen wie Baidu statt, um die Erfahrungen von selbstfahrenden Fahrzeuge auf Flugzeuge anzuwenden.

Airbus’ A3 im Silicon Valley arbeitet am geplanten Vahana-Fliegertaxi, das in Kürze zum ersten Testflug abheben soll. Das Einpersonen-Elektrovehicle soll laut Airbus die Reisezeiten für Stadtbewohner über eine Reichweite von 50 Meilen signifikant reduzieren.

Boeing schätzt, dass in den nächsten zwei Jahrzehnten 637.000 Piloten benötigt werden, um Verkehrsflugzeuge weltweit fliegen zu können. Man könnte auch einfach mehr in die Ausbildung von qualifizierten Cockpit Crews investieren. Diese meine Ansicht ist aus Sicht der Airline Industrie ketzerisch.

Aber ist der Schritt zum komplett autonomen Fliegen über ein Single-Pilot-Cockpit überhaupt sinnvoll? Entweder kann das Ding alleine fliegen, dann braucht es keinen Piloten, oder es kann eben nicht immer alleine fliegen, dann braucht es aus Gründen der Redundanz (mindestens) zwei Piloten.

Oder man greift eine Idee von Ryanair auf: In der Kabinencrew ist eine zweite qualifizierte Person, die den Single-Pilot ersetzen kann. Bedeutet aber eigentlich: Man hat nach wie vor zwei qualifizierte Piloten, nur dass einer von den beiden in der Kabine mitarbeitet und man sich einen Flugbegleiter einspart; nicht aber einen Piloten.

Alles ist aus meiner Sicht nicht wünschenswert. Den Kopf in den Sand stecken wird aber die Entwicklung nicht verhindern.


Für alle, die hier wieder überheblich das Näschen rümpfen und meinen: Kommt nicht, nicht in der Luftfahrt, weil… und überhaupt möchte ich beispielhaft auf einige andere von mir prognostizierte Ereignisse in der (Luftfahrt-) Industrie hinweisen:

Icon A5:

Das zugegeben vermutlich schönste (sleekste) Flugzeug, die Icon A5 hat auch mich vor Jahrzehnten bei der Erstvorstellung begeistert. Und noch dazu ein Amphibium, also ein Wasserflugzeug!

Schon damals hatte ich aber beim jährlichen Seaplane Meeting in Oshkosh, den Gründer Kirk Hawkins (etwas höflicher, aber inhaltlich gleich), darauf hingewiesen, dass sein Marketingkonzept dafür viel zu gefährlich ist und er damit scheitern wird. Worauf der Gute mich – nach einem längeren Gespräch – herablassend anblickte, sich wortlos umdrehte und wegging. In vielen Artikeln, in der FAZ und Online hatte ich meine Bedenken weiterhin geäußert. Mittlerweile sind nicht nur der Chefdesigner und Testpiloten in der A5 gecrasht, sondern auch einer der so angestrebten berühmten geldigen Promi-Käufer-Klientel, Baseball-Legende Roy Halladay…

Es liegt nicht am Flugzeug an sich. Aber man kann generell ein Wasserflugzeug nicht als „Kauf und Flieg“ vermarkten. Wasserfliegen ist (aus meiner Sicht) die schönste Art zu fliegen, doch es fordert auch ein mehr an Kenntnis und Fähigkeiten vom Piloten. Mehr noch als ein gewöhnliches Landflugzeug. Punkt.

Skycatcher

Als ich die Skycatcher zum ersten Mal erblickte, war ich entsetzt. Sieht aus wie ein klappriges UL und das sollte ein US-amerikanisches sturdy Urgestein wie die Cessna 150/152 ersetzen? Geht gar nicht. Zudem war Made in China für diese uramerikanische Käuferklientel einfach nicht machbar. 2014 wurde die Skycatcher vom Markt genommen und verschwand sang und klanglos bei Cessna.
Erneut viel Geld versenkt für die Umsetzung einer Idee, die man schon im Anforderungsheft als erfolglos hätte sehen können…

Nun ja und die BER-Analyse von Februar 2013 hatten wir ja auch erst kürzlich wieder aufgefrischt Nach weiteren versenkten unnötigen Milliarden wird meine Prognose auch hier eingesehen werden… Ist alles nur eine Frage der Zeit…


alle Fotos (c) FlugundZeit

Über die Autorin

Die Journalistin Helga Kleisny ist diplomierte Physikerin (TU Wien), Fallschirmspringerin und Pilotin. Nach Arbeitsorten weltweit (Wien, Taipeh, Boca Raton (FL), München, Frankfurt…) sind ihre Haupt-Lebens- und Arbeitsorte nun in Deutschland und in den USA. Sie schreibt als freie Luft- und Raumfahrtjournalistin. Ihre Begeisterung für alles Technische und die Natur, am besten in Kombination, zeigt sich in ihren Büchern und in Seminaren und Vorträgen.

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