NTSB-Erkenntnisse zum Bryant- Hubschrauberabsturz

Flugweg des Sikorsky Helikopters, nachgezeichnet von flugundzeit

Island Express, die Flugzeugcharterfirma, Eigentümer des Sikorsky S-76-Hubschraubers, der am Sonntag beim Absturz in Calabasas, Kalifornien alle neun Menschen an Bord tötete, operiert nach Informationen der US-Untersuchungsbehörde NTSB nach VFR-only, also nach Sichtflugregeln.

Ara Zobayan, der die Sikorsky am Absturzflug pilotierte, hatte mehr als 8200 Stunden Gesamtflugzeit mit 1250 Stunden auf dem Typ S-76. Zobayan verfügte über ein Instrumentenflugrating und flog seit über 10 Jahren für das Unternehmen.

Laut NTSB war der Hubschrauber nicht mit einem Gelände-Warnsystem (TAWS Terrain Awareness and Warning System) ausgestattet. [Flugundzeit: Das ist erstaunlich in dieser Fluggerät-Preisklasse, kleinere Cessnas sind durchaus mit einem TAWS ausgestattet heutzutage.]

Der letzte Teil des Flugweges, links das Sheriff Helipad (Lost Hills), von dem wegen schlechten Wetters nicht gestartet wurde. Flugweg flugundzeit.

Die Aufschlagstelle lag 20 bis 30 Fuß unterhalb einer Hügelspitze. Laut NTSB war der Hubschrauber vor dem Aufprall in einer Linkskurve (bank) mit einer Sinkrate von mehr als 2000 Fuß pro Minute (also in einer Abwärtsspirale).

Flugweg durch den Luftraum von Burbank und Van Nuys, erstellt von flugundzeit.

Die Aufzeichnungen zur Flugzeugwartung, die Registrierung, das Lufttüchtigkeitszeugnis, Weight and Balance Berechnung sowie das Operating Manual des Unternehmens wurden zusammen mit einem nicht identifizierten iPad und einem Mobiltelefon aus den Trümmern geborgen.

Der Helikopter verfügte weder über einen Cockpit-Voice-Recorder noch über einen Flugdatenrekorder. [Flugundzeit: Das ist bei dieser Fluggerät-Größe auch nicht üblich]

Warum Sichtflug bei marginalem Wetter?

  • Eine IFR-Freigabe in diesem dicht beflogenen Luftraum wäre wohl nicht ohne längere Wartezeit oder großem Umweg möglich gewesen. 
  • Das Ziel (Helipad) war nicht nach IFR anfliegbar. Daher hätte es nichts gebracht in der IFR Mindesthöhe über dem Ziel anzukommen und doch nicht landen zu können. Deshalb erschien es dem Piloten vermutlich sinnvoller, gleich unter den Wolken zu bleiben. 

Was ist Special VFR?

Ein Sonderflug nach Sichtflugregeln (so die deutsche, etwas sinnfreie Bezeichnung) ist ein Verfahren, damit auch dann ein Start, eine Landung auf einem Flugplatz innerhalb einer Kontrollzone oder den Durchflug durch eine Kontrollzone als Sichtflug durchgeführt werden kann, wenn die für den Luftraum geforderten Wetterbedingungen (Mindest-Wolkenabstand, Mindestsicht) nicht erfüllt sind.

SVFR für Helikopter in USA setzt nur voraus, dass der Heli frei von Wolken bleibt und eine Freigabe durch die Flugsicherung hat.

Flugweg über der Luftraumkarte. (c) flugundzeit.

Warum entschied sich der Pilot für Special VFR bei diesem Flug?

Außerhalb von kontrolliertem Luftraum konnte der Hubschrauber auch bei sehr schlechter Sicht frei von Wolken legal fliegen. Da sich im LA Becken aber die Kontrollzonen größerer Flugplätze direkt aneinander reihen, führte der Flug auch durch kontrollierten Luftraum (Kontrollzone Class D und Nahverkehrsluftraum Class C).

Wegen des nach Norden schlechter werdenden Wetters waren ab Burbank die Mindestsichten für VFR in Kontrolliertem Luftraum nicht mehr gegeben. Deshalb bat der Pilot um eine Freigabe nach Special VFR. Damit war der Weiterflug frei von Wolken auch bei schlechter Sicht möglich.

Aufgrund der nun nötigen Staffelung zum Instrumentenflugverkehr, musste der Pilot vor Einflug in den Luftraum von Burbank warten, bis die Verkehrslage den Durchflug erlaubte.

Von Burbank ging der Flugweg in den Luftraum des Van Nuys Airports. Nachdem dieser Luftraum verlassen wurde (Special VFR war nun nicht mehr nötig, da der Flug wieder in unkontrolliertem Luftraum stattfand) fragte der Pilot nach Flight Following, also nach Unterstützung durch den Radar Lotsen.

Da (nach Aussage des Lotsen) aber der Helikopter zu tief über oder im Gelände (Tal) war, war kein Radarkontakt und damit auch keine navigatorische Unterstützung des Lotsen möglich.  


Kommentar flugundzeit

Der Pilot hatte eine Instrumentenflugberechtigung. Sollte also fähig gewesen sein, unter den vorhandenen Wetterbedingungen zu fliegen.

Die Frage ist nun

  • war der Pilot current (in Übung)
  • war der Helikopter für Instrumentenflug ausgerüstet 
  • hat alles Equipment, wenn vorhanden, funktioniert

Wenn der Pilot in solid IMC (Wolke, keine Sicht) eingeflogen sein sollte, kann es trotz Instrumentenflugberechtigung sein, dass er die Kontrolle verloren hat, weil eine der drei obigen Bedingungen nicht erfüllt war.

Über die Autorin

Die Journalistin Helga Kleisny ist diplomierte Physikerin (TU Wien), Fallschirmspringerin und Pilotin. Nach Arbeitsorten weltweit (Wien, Taipeh, Boca Raton (FL), München, Frankfurt…) sind ihre Haupt-Lebens- und Arbeitsorte nun in Deutschland und in den USA. Sie schreibt als freie Luft- und Raumfahrtjournalistin. Ihre Begeisterung für alles Technische und die Natur, am besten in Kombination, zeigt sich in ihren Büchern und in Seminaren und Vorträgen.

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